Hamburg. Bei Stau auf der A7 drängen sich Autos und Lkw in Wohnstraßen im Hamburg. Baustellen verschärfen das Ganze. Die Ursachen.

Seit Monaten werden die Menschen, die in den Stadtteilen westlich der Autobahn 7 leben, von einem beispiellosen Verkehrschaos gequält, das an den Wochenenden besonders schlimm ist. Vereinfacht beschrieben geht es darum: Wenn sich vor dem Elbtunnel in Richtung Süden ein Stau aufbaut, vertrauen vor allem diejenigen Autofahrer, die sich vor Ort nicht gut auskennen, auf die Routenvorschläge ihrer Internetdienste.

Und die empfehlen häufig, die Autobahn am Volkspark oder Bahrenfeld zu verlassen, die Stadtteile Bahrenfeld und Groß Flottbek in südlicher Richtung zu durchqueren und dann bei Othmarschen wieder auf die Autobahn zu fahren.

Der Bau der Fenwärmetrasse sorgt für Engpässe

Hinzu kommt: Da aktuell die Arbeiten für den Bau der Fernwärmetrasse laufen, gibt es in Bahrenfeld und vor allem Groß Flottbek bereits zahlreiche Engpässe. Das liegt vor allem daran, dass die Groß Flottbeker Straße fast auf ihrer gesamten Länge komplett gesperrt ist und Fahrer dort bereits in alle angrenzenden Nebenstraßen ausweichen.

Nur ein Teilstück zwischen Müllenhoffweg und Waitzstraße ist zurzeit für die Erreichbarkeit der Querstraßen geöffnet, die Groß Flottbeker Straße kann aber nicht der Länge nach durchfahren werden.

Rückstau von der Autobahn bis Bahnhof Othmarschen

Als Folge stauen sich Autos, aber auch Wohnmobile, Busse und Lkw immer häufiger in beschaulicheren Nebenstraßen, viele davon Einbahnstraßen. Der Rückstau von der Autobahnauffahrt Othmarschen ist oft so lang, dass er bis zur S-Bahnstation Othmarschen reicht. Die Verkehre aus angrenzenden Straßen wie der Beselerstraße können kaum oder nur sehr schleppend abfließen, sodass es dort weitere Staus gibt.

Elbchaussee in Richtung Westen gesperrt

Doch das Problem ist noch vielschichtiger: Wegen der Sperrung der Elbchaussee in Fahrtrichtung Blankenese (zurzeit ab Halbmondsweg) orientieren sich viele der im Hamburger Westen lebenden Autofahrerinnen und Autofahrer beim Verlassen der A 7 an der Abfahrt Othmarschen nach Norden, weil die Fahrt in Richtung Elbchaussee für sie zurzeit keinen Sinn macht. S

ie fahren dann von der Waldersee- in die Reventlowstraße und versuchen, sich bis zur Osdorfer Landstraße durchzuschlagen.

Vor allem Reventlow- und Dürerstraße betroffen

Die Achse Dürer- / Reventlowstraße ist dadurch während der Rushhour in beiden Richtungen total verstopft. Stark betroffen sind unter anderem auch Ebertallee, Kalckreuthweg und Theodorstraße.

Hinzu kommt: Die Autobahnquerung Osdorfer Weg / Von Sauer Straße ist wegen Bauarbeiten in jede Richtung zurzeit nur einspurig befahrbar. Dadurch stauen sich die Autos, aber auch viele Lkw vor allem morgens weit in Richtung Osdorfer Landstraße.

Besonders schlimm war es beim Wacken Open Air

Besonders schlimm geht es in der Gegend zum Ferienstart oder -ende und im Zuge von Großveranstaltungen zu. Höhepunkt war das Wacken Open Air am ersten Augustwochenende. Über Stunden ging es damals vor allem in Groß Flottbek weder vor noch zurück. An mehreren neuralgischen Punkten betätigten sich Anwohner als Krisenmanager, die den Festsitzenden gut zuredeten, vereinzelt wurden sogar Getränke gereicht und Toilettenbesuche in Privathäusern angeboten.

Auch an sonnigen Wochenenden reihen sich abends voll besetzte Autos und mit Fahrrädern bepackte Wohnmobile zurückkehrender Tagesausflügler in den engen Wohnstraße Stoßstange an Stoßstange aneinander, viele davon mit auswärtigen Kennzeichen.

Viele hatten es genau so vorausgesagt

Damit tritt genau das Verkehrschaos ein, vor dem unabhängige Verkehrsexperten, aber auch beispielsweise Bezirkspolitiker und Mitglieder von Bürgervereinen im Abendblatt schon seit rund zwei Jahren warnen. Die Entwicklung war von vielen vorausgesagt worden, weil mit den zeitgleichen Arbeiten an Autobahn (A7-Deckel), Fernwärmetrasse und Elbchaussee einfach zu viele Verkehrsadern in der Gegend verstopft werden. Von verantwortlicher Seite wurde das Problem dagegen stets klein geredet.

Menschen aus der Steenkampsiedlung wehren sich

Zu denjenigen, denen es jetzt reicht, gehört die Heimstättenvereinigung Steenkamp e. V. („Die Steenkamper“), die sich mit viel Engagement um die Belange der Menschen in der Bahrenfelder Siedlung kümmert. Diese Gegend ist besonders betroffen, wenn Autofahrer die A7 schon auf Höhe Volkspark verlassen und sich dann südwärts durch Bahrenfeld navigieren.

Der Verein hat jetzt eine „Petition gegen das Elbtunnel-Verkehrschaos“ mit der Forderung „Schleichverkehre verbieten“ gestartet. Auf der Internetseite heißt es dazu unter anderem: „Seit Monaten kann man in den Straßen rund um die Elbtunneleinfahrt beobachten, wie Internetdienste (…) den Autoverkehr beeinflussen.

Steenkamper sprechen von „Flucht aus dem Stau“

Die Zufahrten zur Autobahn sind blockiert durch Autos, die überwiegend die Autobahn vorher verlassen hatten um durch die Stadt abzukürzen. Dadurch wird der innerstädtische Verkehr inklusive der Buslinien stark behindert.“

Betroffen seien alle Straßen, „die irgend eine Richtung zum Elbtunnel haben und auf denen man dem Stau auf der Autobahn entkommen kann“. Die „Flucht aus dem Stau“ verursache „ein totales Chaos in den anliegenden Wohnstraßen“.

Sperrung von Ausweichrouten gefordert

Die Steenkamper verweisen darauf, dass die Arbeiten am Autobahn-Deckel voraussichtlich erst im Jahr 2028 abgeschlossen sein werden und fordern die zuständigen Politiker dringend zum Handeln auf. So würden in den österreichischen Bundesländern Tirol und Salzburg während der Ferienzeit Nebenstrecken der Fernstraßen gesperrt werden, damit diese nicht als Stau-Ausweichrouten genutzt werden können, heißt es.

Dadurch kann der überregionale Reiseverkehr auch im Falle eines Staus auf den Hauptrouten gehalten werden. Eine solche Regelung sollte nach Meinung der Steenkamper auch für die Anrainergegend der A 7 geprüft werden.

ADAC sieht „hohe Belastung“, lehnt Sperrungen aber ab

Diesem Vorstoß erteilt Christian Hieff, Sprecher des ADAC Hansa, eine Absage. „Auch wenn für die Anwohner der zusätzliche Ausweichverkehr bei Stau oder Sperrungen zu einer hohen Belastung führt, so sind doch die Pläne für Durchgangssperren nicht praktikabel“, sagt er. Abgesehen vom administrativen Aufwand würden Kontrollen zu weiteren Staus führen. Zudem sei es nicht absehbar, wann tatsächlich Verkehr von der Autobahn abfließt.

„Anders als in Tirol kann man auch nicht allein am Nummernschild erkennen, ob jemand gerade eine Umgehung fährt oder ob er tatsächlich ein Anliegen im Stadtviertel hat“, so Hieff. Zwar sei es eine Möglichkeit, mit den Herstellern von Navigationsgeräten zu sprechen, damit die Routenvorschläge abgeändert würden, doch gehe das beispielsweise bei Google Maps oder Apple nicht.

Arbeiten mit dem Baustellenkoordinator abgestimmt

„Das Bezirksamt Altona hat Verständnis dafür, dass das erhöhte Baustellen-Aufkommen in Altona eine Herausforderung für Verkehrsteilnehmende sein kann“, sagt Sprecher Mike Schlink. Gleichwohl handele es sich bei den Bauarbeiten um infrastrukturelle Maßnahmen, die erforderlich seien, um der wachsenden Stadt und auch der Versorgung der Menschen gerecht zu werden.

Die Infrastrukturmaßnahmen im Hamburger Westen dienten der Sanierung, Instandsetzung oder Herstellung von Wasserversorgung, Sielen oder der Stromversorgung und seien damit Investitionen in die künftige Versorgung und Leistungsfähigkeit. „Im Übrigen sind die angesprochenen Bauarbeiten in der übergeordneten Hamburger Baustellen-Koordinationsrunde besprochen und abgestimmt worden“, so Schlink.