Hamburg. Der Superstar unter den Kochbuchautoren spricht im Abendblatt-Interview über sein Lieblingsgewürz, Testküchen und Restaurants.

Wie beliebt Yotam Ottolenghi in Deutschland ist, zeigt sich an der Frau, die am Vormittag in München in den Zug gestiegen war, um den Koch am Abend bei einer Signierstunde in Hamburg zu treffen. Der Brite Ottolenghi, Sohn eines Italieners und einer Deutschen, aufgewachsen in Jerusalem, ist der neue Superstar unter den Köchen und Kochbuchautoren.

In Hamburg kommen die Fans, diskutieren mit ihm über einzelne Rezepte. Machen Selfies und Gruppenfotos. Zeigen ihm auf ihren Handys Fotos von seinen angerichteten Gerichten, die sie gekocht haben. Und Ottolenghi erkennt sie alle.

Rund zwei Millionen Exemplare seiner Kochbücher hat er in Deutschland verkauft, am beliebtesten sind die Bestseller „Jerusalem“ und „Simple“. Gerade ist das neue Buch „Test Kitchen. Extra good Things“ erschienen. Zur Signierstunde hat er auch Co-Autorin Noor Murad mitgebracht.

Hamburger Abendblatt: Ist ihnen bewusst, dass Sie das Kochen in Deutschland verändert haben?

Ottolenghi: Ich höre das immer wieder, und es schmeichelt mir sehr. Ich kann es selbst ja nicht beurteilen, weil ich nicht so oft hier in Deutschland bin (lacht).

Und das, obwohl Ihre Art des Kochens recht anspruchsvoll ist.

Ottolenghi: Das empfinde ich selbst gar nicht so. Es gibt durchaus einfache Rezepte in un­seren Büchern. Aber ich erlebe immer wieder, dass Menschen sich gegenseitig motivieren, Ottolenghi zu kochen. Ich glaube, dabei geht es darum, etwas Besonderes durch einen Kochprozess zu kre­ieren. Du investierst in ein Essen und bekommst so viel zurück. Und es sind ja auch nicht alle Gerichte so kompliziert. Hier und da ist es der eine kleine Extraschritt, verglichen mit dem, was die Menschen gewöhnt sind. Aber man bekommt es doppelt und dreifach zurück. Und wenn die Menschen sich erst einmal mit den Gewürzen und der Art zu kochen auseinandersetzen, dann ist es auch nicht mehr so schwierig.

Warum haben all Ihre Rezepte so viele Zutaten und vor allem so viele Gewürze?

Ottolenghi: Nicht alle Rezepte haben so viele Gewürze. Aber es ist die Möglichkeit, einen besonderen Geschmack in ein Gericht hineinzubringen. Wir nehmen zumeist schlichte Zutaten. Und um sie geschmackvoll zuzubereiten, nutzen wir die Gewürze. Du zahlst also einen Preis, und dafür bekommst du etwas zurück – und das ist ein wunderbarer Geschmack. In vielen Teilen der Welt sind viele Gewürze übrigens eine ganz übliche Zutat. In Asien zum Beispiel nutzen die Menschen zehn bis 15 Gewürze, um eine Paste zu machen. So viele sind es bei uns nicht, aber es ist für uns einfach die Möglichkeit, den Geschmack zu gestalten.

In Deutschland ist man diese Vielzahl an Gewürzen nicht gewöhnt.

Ottolenghi: Ja, deshalb braucht ihr die Ottolenghi-Rezepte (lacht).

Was ist Ihr liebstes Gewürz?

Murad: Ich liebe Piment. Es passt zu Reis, zu Taboulé. Es ist einfach ein tolles Gewürz.

Ottolenghi: Ich mag Kardamom sehr, besonders für süße Speisen. Und das nicht nur im Winter. Viele verbinden mit Kardamom Weihnachten. Für mich gibt es keine Saison für ein Essen oder ein Gewürz.

Welche Gerichte sind komplizierter, die mit Fisch und Fleisch oder die vegetarischen?

Murad: Das ist sehr unterschiedlich. Man kann ein Hühnchen ganz einfach zubereiten in einer Form im Ofen mit ein paar Zutaten. Oder man kann eine ausgefallene Variante eines solchen Hühnchens kochen mit vielen Zutaten und Gewürzen. Einfach oder schwer, das hängt an der Person, die das Gericht zubereitet. Und je mehr man kocht, desto einfacher wird es. Weil man dann weiß, wie es geht.

Ottolenghi: Ein gutes Stück Fleisch, dazu reicht eine Soße und aufgeschnittene Tomaten. Ich finde, Gemüse ist anspruchsvoller zuzubereiten. Man kann mit Gemüse nicht so umgehen wie mit einem Stück Fleisch. Es bedarf mehr Einsatz, um einen tollen Geschmack herauszubekommen. Aber wenn man es einmal weiß, dann wird es zu einer Selbstverständlichkeit.

Wie wichtig ist Deutschland für den Verkauf Ihrer Kochbücher?

Ottolenghi: Der wichtigste Markt für unsere Bücher ist Großbritannien. Aber auch Deutschland ist ein wichtiger Markt – und natürlich viele andere Länder.

Gibt es schon Pläne für neue Kochbücher?

Ottolenghi: Wir werden im kommenden Jahr kein Buch herausbringen und uns eine Pause gönnen. Vielleicht kommt in zwei Jahren wieder eins heraus. Aber im Moment haben wir keine konkreten Pläne. In der Zwischenzeit werden wir uns auf die Testküche konzentrieren, Rezepte ausprobieren. Für das Unternehmen, das Restaurant, die Delis, die Zeitungen.

Warum gibt es nach wie vor kein Otto­lenghi-Restaurant in Deutschland?

Ottolenghi: Sie können Ihren Lesern verraten, dass es eines Tages vermutlich ein Restaurant in Deutschland geben wird. Noch ist nichts Genaues geplant. Aber ich kann es mir sehr gut vorstellen. Also kommt es auf unsere To-do-Liste ... Aber es gibt doch schon jetzt viele gute Restaurants hier in Deutschland.

Wie haben Sie beide zueinandergefunden?

Murad: Ich bin vor sechs Jahren aus Bahrain nach London gezogen, um mit Yotam Ottolenghi zu arbeiten. Angefangen habe ich im Spitalfield Deli. Später habe ich die Testküche übernommen, aus der die beiden letzten Bücher entstanden sind.

Ernährungs-Doc: Früchte sind Zuckerbomben – mit Risiken


  • 280 Euro! Die Weihnachtsgans wird zum Luxusessen

  • Im neuen Yoga-Studio steht auch Ernährung auf dem Programm

  • Wie funktioniert diese Testküche?

    Ottolenghi: Noor Murad führt unsere Testküche. Sie hat ein Team von Rezepttestern. Jeder von ihnen versucht sich an neuen Ideen und bereitet sie zu. Wir als Gruppe testen diese Gerichte dann und geben Kommentare ab. Es braucht in der Regel drei bis vier Versuche, bis ein Rezept wirklich stimmig ist, manches Mal auch mehr. Somit probiert sich jeder der Mitarbeiter aus, aber am Ende ist alles ein gemeinsames Werk.

    Wie viele Kollegen arbeiten dort?

    Murad: Im Moment sind wir zehn Kollegen in der Testküche. Aber beim Entstehen der beiden Testküchen-Bücher waren wir noch ein deutlich kleineres Team.

    Arbeitet die Testküche nur für die Bücher?

    Ottolenghi: Nein, auch für die Restaurants und für die Delis. Alle Rezepte, die wir brauchen, entstehen hier.