Hamburg. Fast alle Wohngebäude sollen jetzt besser gedämmt werden. Diese Punkte sollten Mieter kennen – sonst drohen satte Mieterhöhungen.

Es ist eines der größten Bauvorhaben seit 1945: Mindestens 87.000, vermutlich aber alle derzeit 262.000 Wohngebäude in Hamburg sollen bis 2045 „energetisch saniert“ werden. Das heißt: Ihre Dämmung soll verbessert werden, damit kaum noch Heizwärme entweicht und das Wohnenklimaneutral“ wird. Am Dienstag hat der Senat wie berichtet eine Machbarkeitsstudie vorgestellt, die den Weg zu diesem Ziel aufzeigt.

Wesentliche Punkte: Die Sanierungsquote soll von derzeit einem Prozent pro Jahr auf 1,7 Prozent steigen. Anreize für Eigentümer sollen durch staatliche Förderprogramme geschaffen werden. Die Verfasser der Studie gehen davon aus, dass 32 oder wegen der gestiegenen Kosten sogar 40 Milliarden Euro bis 2045 investiert werden müssen. Einen größeren Teil dieser Kosten werden vermutlich die Mieter bezahlen müssen – weil sie auf Mieten umgelegt werden können. Genaueres dazu vermochten die Gutachter nicht zu sagen.

Wohnung Hamburg: Worauf müssen Mieter achten?

Was aber bedeutet das für Mieterinnen und Mieter? Welche Rechte haben sie und auf worauf müssen sie achten? Mit Unterstützung des Geschäftsführers des Mietervereins zu Hamburg, Rolf Bosse, beantwortet das Abendblatt die wichtigsten Fragen.

Rolf Bosse, neuer Geschäftsführers des Mietervereins. Foto: Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services
Rolf Bosse, neuer Geschäftsführers des Mietervereins. Foto: Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Müssen viele Mieter nun bald mit einer Sanierung ihrer Wohnungen rechen?

„Mit einer Erhöhung der Modernisierungsquote dürften bald deutlich mehr Mieterinnen und Mieter von energetischen Baumaßnahmen betroffen sein“, sagt Rolf Bosse. „Das bringt Unruhe in das Leben der Menschen und löst auch Ansprüche gegenüber dem Vermieter aus, Unterstützung zu leisten dabei, die Baumaßnahmen durchzustehen.“

Bauarbeiten gehen oft für lange Zeit mit Lärm und Verschmutzung einher. Welche Rechte haben Mieter hier?

„In der Regel ist mit der Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems, dem Austausch der Fenster, der Dämmung des Daches sowie der obersten Geschossdecke, sprich einer energetischen Vollsanierung, eine erhebliche Beeinträchtigung verbunden – insbesondere durch Lärm und Schmutz, auch in der Wohnung, wenn Baumaßnahmen innerhalb der Wohnung erfolgen. Mieter haben Anspruch darauf, von allen Kosten der Reinigung, der Schaffung von Baufreiheit und anderen Aufwendungen freigehalten zu werden. Spätestens nach drei Monaten Bauzeit ist auch eine angemessene Mietminderung zu gewähren für die Beeinträchtigungen.“

Welche Kosten müssen Mieter tragen?

Kosten für Modernisierungen einer Wohnung können auf Mieter umgelegt werden – die für Instandsetzungen oder Instandhaltungen nicht. Wenn etwa intakte Fenster durch modernere ersetzt werden, können die Einbaukosten auf die Miete umgelegt werden, die entsprechend steigt. Anders ist es bei Instandhaltungen, wenn also marode Fenster ersetzt werden. Solche Kosten muss der Vermieter tragen. Allerdings kann es Streit über die Frage geben, ob es sich bei Arbeiten um Modernisierungen oder Instandhaltungen handelt – wer sie also bezahlt. Im besten Fall holen Mieter einen Großteil der Mieterhöhung über geringere Heizkosten wieder herein.

Was sollten Mieter bereits vor Bau­beginn mit dem Vermieter klären?

„Bei Modernisierungsmaßnahmen kann man drei Phasen unterscheiden: die Ankündigung, die Durchführung und die Mieterhöhungsphase“, so Bosse. Bei der Ankündigung müsse der Vermieter drei Monate vor Arbeitsbeginn „Umfang und Dauer der Maßnahmen inklusive der voraussichtlichen Mieterhöhung“ mitteilen. „An dieser Stelle sind Vermieter und Mieter bereits gehalten, sich über den Zustand des Gebäudes, das modernisiert wird, klar zu werden“, so Bosse – also über die Frage, bei welchem Teil der Arbeiten es sich um Modernisierungen und bei welchen um Erhaltungsarbeiten handelt.

„Die Erhaltungskosten dürfen nicht umgelegt werden und sind vom Vermieter vorab herauszurechnen“, so Bosse. „Der Bundesgerichtshof weist dem Vermieter die Beweislast zu, dass die Berechnung des Erhaltungsabzugs korrekt ist. Wenn vor der Durchführung der Baumaßnahmen keine Einigkeit herrscht über den Erhaltungszustand, wird es schwierig, dies im Nachhinein nachzuvollziehen. In der derzeitigen Rechtslage schließen Vermieter mit ihren Mietern sinnvollerweise eine Modernisierungsvereinbarung, die eine angemessene Umlage von vornherein vorsieht. Ob sich dann die Baumaßnahme aber für Vermieter noch rechnet, ist die Frage.“

Was ist während der Arbeiten und bei der Mieterhöhung danach zu beachten?

„Mieter sollten sämtliche Beeinträchtigungen dokumentieren und Wert auf einen nachvollziehbaren, verlässlichen Bauzeitenplan legen“, so Bosse. Handwerker bräuchten häufig Zutritt zu den Wohnungen, darauf müssten Mieter sich einstellen können. „In der letzten Phase muss der Vermieter, wenn er keine Vereinbarung geschlossen hat, eine den rechtlichen Bestimmungen entsprechende Mieterhöhung ausbringen“, sagt der Mietervereinschef. „Dabei muss er eine Darstellung der aufgewandten Kosten vornehmen, die Höhe der abzuziehenden Erhaltungskosten darlegen und notfalls beweisen und für den Fall, dass Mieter Zweifel haben, sämtliche Belege bis hin zum Zahlungsbeleg beibringen.“ Die Mieterhöhung dürfe bei maximal 3 Euro je Quadratmeter liegen, so Bosse. „Wenn die Miete zuvor weniger als 7 Euro pro Quadratmeter betragen hat, darf die Mieterhöhung lediglich 2 Euro je Quadratmeter betragen.“

Sind die Klimaziele mit dem jetzt vom Senat aufgezeigten Weg erreichbar? Oder was muss zusätzlich passieren?

„Dass Hamburg nun mit der Machbarkeitsstudie den Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand aufzeigt, ist sinnvoll, um die bestehende Zurückhaltung aufzulösen“, so Bosse. „Weder der Senat noch die Wohnungswirtschaft sollten sich aber der Illusion hingeben, dass damit die rechtlichen Probleme, Mieterhöhungen wegen Modernisierungsmaßnahmen vorzunehmen, geringer werden. Mieterinnen und Mieter tun gut daran, sämtliche Mieterhöhungen kritisch zu prüfen und ihre Rechte einzufordern. Dann werden sie auch nicht durch die Mieterhöhungen überfordert oder übervorteilt.“

Einfacher für alle wäre es laut Bosse, die Gesetze so zu ändern, dass Modernisierungen nicht mehr auf die Miete umgelegt werden, für modernisierte Wohnungen aber über den Mietenspiegel höhere Mieten genommen werden können.

„Um die Klimaziele zu erreichen, müssen Anreize gesetzt werden. Diese können auch ordnungsrechtlich sein, etwa durch bestimmte Standards, die Vermieter ihren Mietern schulden“, so Bosse. „Wichtig finde ich, dass die angekündigten Fördermittel nicht nur ausreichend sein, sondern auch verknüpft sein müssen mit verbindlichen Verpflichtungen der Wohnungswirtschaft, Mieten nicht über ein bestimmtes Niveau hinaus steigen zu lassen.“