Wer in den Zoo geht, um sich nur Tiger, Löwen, oder Elefanten anzuschauen, übersieht die “Underdogs“ des Hamburger Tierparks.
Löwe, Eisbär, Tiger: Das sind einige der klassischen Vertreter, die Kinder aufzählen, wenn man sie nach ihren Lieblingstieren fragt. Die Prominenten des Tierreichs sind auch Besuchermagnete im Tierpark Hagenbeck.
Aber haben Sie schon einmal etwas vom Onager, Baumstachler oder dem Pinselohrschwein gehört? Zootierarzt Dr. Michael Flügger erklärt, warum einige unbekanntere Tierarten eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdienen.
Tierpark Hagenbeck: Trottellummen sind mutige Nesthäkchen
Wenn die Trottellummen einmal das Nest verlassen, gibt es kein Zurück mehr: Die Vögel brüten unter anderem an der Felsküste von Helgoland. Wenn sie zwei bis drei Monate alt sind, springen die Jungtiere von den Nestern, die auf kleinen Felsvorsprüngen liegen, hinunter ins Meer. Der sogenannte „Lummensprung“ ist ein alljährliches Spektakel: Innerhalb von zwei bis drei Nächten im Juni wagen die Jungen beinahe gleichzeitig den Sprung ins kühle Nass.
Die Eltern warten auf dem Wasser und rufen die Kleinen zu sich. „Wenn man sich die Jungtiere ansieht, könnte man meinen, dass sie tatsächlich grübeln, ob sie den Sprung wagen sollen. Aber irgendwann springen sie dann doch“, sagt der Zootierarzt. Die grau-weißen Tiere gehören zur Gruppe der Alkenvögel. „Das sind sozusagen die Pinguine der Nordhalbkugel“, erklärt Michael Flügger. Fliegen können die Vögel nicht besonders gut, sie segeln eher nach unten, als dass sie flattern. Dafür sind Trottellummen umso bessere Schwimmer.
Niedlicher Kletterer: Der Kleine Panda
Der Name dieser Tierart kann schon einmal für Verwirrung sorgen: „Der Kleine Panda ist nicht das Kind vom ‚Großen Panda‘“, erklärt Michael Flügger. Große Pandas – das sind die schwarz-weißen, flauschigen Bären, die man zum Beispiel vom WWF-Logo kennt. Der ‚Kleine Panda‘ ist weniger bekannt und erinnert mit seinem Aussehen eher an einen Fuchs. Er lebt in den Wäldern des Himalajas, frisst Bambus und schläft gerne und viel. Trotz ihres leuchtend orangenen Fells muss man im Zoo schon einmal genauer hinsehen, um die niedlichen Tiere zu erspähen.
Denn auch in Hagenbecks Tierpark halten sie sich in den Baumkronen auf und bewegen sich dort über Äste, Seile und Stämme. Zum Schlafen haben die Kleinen Pandas Hütten hoch oben in den Bäumen. In freier Wildbahn sind sie stark vom Aussterben bedroht und daher aufgenommen ins sogenannte Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP). Dabei arbeiten alle Zoos, die im europäischen Zooverband EAZA sind, gemeinsam daran, eine überlebensfähige Population der Art zu züchten, um die Tiere bestenfalls irgendwann auswildern zu können.
Nicht einfach "Halb Pferd, halb Esel": Der Onager
Was, der „Onager“ sagt Ihnen nichts? „Fast jeder, der am Onager-Gehege vorbeikommt und reinschaut, denkt: ‚Oh, ein brauner Esel‘ – aber das stimmt so nicht“, erklärt Tierarzt Michael Flügger. Die Onager sind eine besondere Art der sogenannten Wild-Equidae, zu denen auch Pferde, Zebras und ja, auch Esel gehören. Onager gehören dabei der Untergruppe der Halbesel an. Diese Bezeichnung findet Michael Flügger etwas unglücklich gewählt, denn Tiere, die zur Gruppe der Halbesel gehören, sind nicht einfach „halb Pferd, halb Esel“.
Die Halbesel sind eine ganz eigene Untergruppe für sich. Onager leben in der iranischen und irakischen Wüste und sind extrem vom Aussterben bedroht. Hagenbeck war stark daran beteiligt, dass es mittlerweile auch eine Zucht in Europa und ein Programm zur Artenerhaltung gibt. Der Tierpark leitet das Erhaltungszuchtprogramm auch heute.
Harry Potters treue Gefährtin: Die Schnee-Eule
Zugegeben: Ganz unbekannt ist die Schnee-Eule nicht, und daran ist die Harry-Potter-Reihe schuld. „Hedwig“ heißt die schneeweiße Eule, die Harry regelmäßig Post nach Hogwarts bringt. Schnee-Eulen leben in freier Wildbahn im Gebiet der Tundra. Das Vegetationsgebiet schlingt sich wie ein Gürtel um die nördlichen Breitengrade der Erde – die Schnee-Eule ist also sowohl in Skandinavien als auch in Nordrussland oder im nördlichen Nordamerika zu.
Schnee-Eulen auf dem Boden. Männliche Schnee-Eulen haben ein ganz weißes Gefieder, die Weibchen haben einige braune Flecken. Das sorgt dafür, dass sie beim Brüten auf der kargen Erde besser vor Feinden getarnt sind, erklärt Dr. Flügger. Die Evolution hat schon etwas Magisches an sich.
In luftiger Höhe zu Hause: Der Baumstachler
Stachelschweine kennen die meisten wahrscheinlich. Die Nagetiere kommen in Afrika, Südeuropa und Asien vor. In Nordamerika gibt es keine klassischen Stachelschweine, dafür aber deren nahe Verwandte: die Baumstachler. Der Name verrät schon, wo die Nager sich in der Regel aufhalten – in luftiger Höhe inmitten der Baumkronen.
Durch ihre braun-graue Farbe sind die Baumstachler dort oben gut getarnt – das macht es auch für Zoobesucher schwierig, einen Blick auf die Tiere zu erhaschen. Und das obwohl sie gar nicht mal so klein sind: 50 bis 60 Zentimeter misst ein ausgewachsener Baumstachler.
Aufgeweckt und immer "in Action": Das Pinselohrschwein
„Ich glaube, mich hat noch nie ein Besucher gefragt, wo er bei uns die Pinselohrschweine findet“, sagt Michael Flügger. Dabei gibt’s im Gehege immer etwas zu entdecken: „Pinselohrschweine sind hübsche Tiere und dazu noch sehr aktiv, im Gehege ist immer ordentlich Action“, erzählt der Zootierarzt. Auffällig sind die kleinen Puschel an den Ohren der Schweine, die an Luchs-Ohren erinnern und den Tieren ihren Namen geben. Pinselohrschweine kommen ursprünglich aus dem tropischen Regenwald im zentralen Afrika. In freier Natur leben sie dort in großen Herden mit bis zu 60 Artgenossen. Durch die Zerstörung ihres natürlichen Lebensraumes sind die Tiere jedoch sehr stark vom Aussterben bedroht.
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Eifrige Maurer: Die Tokos
Die sogenannten „Von-der-Decken-Tokos“ im Tierpark Hagenbeck gehören zu den Nashornvögeln und haben eine besondere Strategie, wenn es darum geht, das brütende Weibchen vor Feinden zu schützen: Das weibliche Tier setzt sich zum Brüten in eine Baumhöhle und wird dort vom Männchen eingemauert. Mit einer Mischung aus Erde und Harz betonieren die Vögel – er von außen, sie von innen – die Höhle zu, bis nur noch ein schmaler, senkrechter Spalt offen ist. Durch den versorgt das Männchen das Weibchen und später auch die gemeinsamen Jungen mit Nahrung. Ganze zwei Monate harren Mutter und Jungen dort aus.
Wenn die Küken dann bereit sind, das Nest zu verlassen, wird die Höhle gemeinsam wieder aufgepickt. In freier Natur leben die Von-der-Decken-Tokos südlich der Sahara in Afrika.
Sensible Giganten: Die Riesenotter
Mit seinen rund 1,5 Metern Körperlänge und 25 Kilogramm Gewicht ist der Riesenotter der größte Vertreter unter den Otterarten. Während die meisten Otter eher Einzelgänger sind, zum Beispiel auch die bekannten Fischotter, leben Riesenotter in Familien mit zehn bis zwölf Tieren. Ursprünglich kommen sie aus Südamerika. Hagenbecks Tierpark war 1990 der erste Zoo außerhalb ihrer Heimat, dem es gelungen ist, die Tiere erfolgreich zu züchten und aufzuziehen – „Riesenotter sind recht empfindliche Tiere, die nicht gerne gestört werden“, sagt Dr. Flügger.
In Südamerika sind die Tiere stark gefährdet. Im Amazonas-Delta, dem natürlichen Lebensraum, gelangt durchs Goldwaschen immer wieder Quecksilber ins Wasser. Das ist auch für die Otter hochgiftig. In Hagenbecks Tierpark lebt derzeit ein Zuchtpaar. „Wir hoffen, dass die Riesenotter bald Junge bekommen“, erzählt der Zootierarzt.
Schwein? Von Wegen: Das Wasserschwein
„Im Prinzip sind Wasserschweine Riesen-Meerschweinchen“, sagt Dr. Flügger. So wie bei den kleinen Nagern, die zwar auf „Schweinchen“ enden, aber mit echten Schweinen nichts zu tun haben, ist es auch bei den Wasserschweinen. Die Tiere sind mit einem Gewicht von bis zu 50 Kilogramm die größten Nagetiere der Welt und kommen aus Südamerika.
In Hagenbecks Tierpark können Besucher den Riesen-Nagern besonders nahekommen: „Die Wasserschweine können bei uns frei im Park herumlaufen“, erzählt Dr. Flügger. Das sorge bei den umherspazierenden Familien schon einmal für Verwunderung. Die Wasserschweine hingegen sind den Kontakt gewohnt und laufen wie selbstverständlich in Reih und Glied über das Gelände.
Äffchen mit Bartwuchs: Die Kaiserschnurrbarttamarine
Die Kaiserschnurrbarttamarine machen ihrem Namen alle Ehre: Charakteristisch für die kleinen Affen ist der Bart, der an den typischen Schnurrbart des deutschen Kaisers Wilhelm erinnert. „Die Kaiserschnurrbarttamarine sind unheimlich aktive Affen“, sagt Dr. Michael Flügger. „Die merken auch sofort, wenn einer von uns Tierärzten auf dem Weg ist. Wir haben ja leider einen relativ schlechten Ruf bei unseren Patienten“, scherzt der Zootierarzt.
Schon von Weitem höre man bei der Fahrt zum Gehege, wie die Affen sich gegenseitig mit einem Warnruf alarmieren. „Die wissen genau, was um sie herum passiert.“ Zehn Tiere leben in Hagenbecks Tierpark, auch in ihrer Heimat, in Südamerika, sind sie in größeren Gruppen anzutreffen. Die Art ist vom Aussterben bedroht, Hagenbeck arbeitet auch hier mit am Europäischen Erhaltungszuchtprogramm.