Hamburg. Der 35-Jährige hatte die Mutter der gemeinsamen Tochter getötet – im Prozess wurde klar, dass der Mann im Wahn gehandelt hatte.

Es waren merkwürdige Geräusche und Schreie, die die Nachbarin beunruhigten. Als die Frau an der Wohnungstür nebenan klopfte und ihr geöffnet wurde, bot sich ihr ein scheinbar harmonisches Bild: ein Mann, der seine kleine Tochter auf dem Arm hält und ihr die Flasche gibt. Doch das war nur der Schein. Tatsächlich war gerade ein Drama geschehen. Der Mann hatte seine Lebensgefährtin getötet. Die 25-Jährige lag blutüberströmt in der Küche, getroffen von etlichen Messerstichen.

Am Freitag im Prozess vor dem Schwurgericht, wo Merhawi K. wegen Mordes an der Mutter seines Kindes angeklagt war, betonte der Vorsitzende Richter, der 35-Jährige sei „kein Krimineller. Er ist krank“. Schon seit Längerem habe er an einer psychischen Erkrankung gelitten, konkret an schweren Depressionen, psychotischen Symptomen und Wahnvorstellungen.

Prozess Hamburg: 25-Jährige starb nach mehreren Messerstichen

Merhawi K. sei geleitet gewesen von dem Gedanken, seine Lebensgefährtin von ihm, der sich „für einen schlechten Ehemann und Vater“ gehalten habe, „zu befreien. Es ist möglich, dass er denkt, es ist besser für sie, tot zu sein, als mit dem schlechten Ehemann leben zu müssen.“ Aus diesem Grund habe er sie in ihrer Wohnung getötet.

Die Tat geschah am 20. Februar dieses Jahres. Ein erster Messerstich hatte die 25-Jährige von hinten in den Hals getroffen, dann weitere in den Rücken. Als die junge Frau zusammenbrach und auf dem Boden lag, fügte er ihr weitere Messerstiche in die Brust zu. Das Opfer starb an einem sogenannten Verblutungsschock.

Psychische Situation verschlechterte sich zusehends

Sowohl der Angeklagte als auch die junge Frau waren aus Eritrea nach Hamburg gekommen. Ob der 35-Jährige, der in seiner Heimat zum Militär eingezogen worden war, mehrere Fluchtversuche unternommen hatte und wiederholt festgenommen war, auf seiner Flucht im Jahr 2015 nach Deutschland traumatische Erlebnisse durchgemacht hat, darüber hatte der Mann nicht sprechen wollen.

Überhaupt zog er sich, obwohl er eine Wohnung, Arbeit und eine Freundin gefunden hatte, wegen seiner Depressionen immer weiter zurück. Im Prozess hatte er sich zur Tötung seiner Lebensgefährtin bekannt, aber angegeben, er könne sich nicht wirklich an das Geschehen erinnern. Es müsse „ein anderes Ich“ gewesen sein, das zugestochen habe. Laut psychiatrischem Gutachten hatte Merhawi K. das Leben zunehmend als „Stress“ empfunden und krankheitsbedingt wahnhafte Gedanken entwickelt, er sei „ein schlechter Mensch“.

Verurteilung wegen Totschlags im Zustand der Schuldunfähigkeit

Letztlich habe er sich immer weiter zurückgezogen und sei damit in einen „Teufelskreis geraten, aus dem es kein Entrinnen gibt“, sagte der Richter. Der Angeklagte habe mit der Tat einen Totschlag begangen, allerdings im Zustand der Schuldunfähigkeit, erläuterte der Vorsitzende. Der 35-Jährige sei nicht in der Lage gewesen, die Arg- und Wehrlosigkeit seiner Partnerin zu erkennen, geschweige denn auszunutzen.

Merhawi K. sei aber auch wegen seiner Persönlickeitsenwicklung mit zunehmend wahnhaften Zügen eine Gefahr für die Allgemeinheit. Die Erkrankung könne sich erneut dadurch äußern, dass man „sich legitimiert fühlt, andere anzugreifen“, betonte der Vorsitzende. „Das ist gefährlich.“ Deshalb müsse der 35-Jährige in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden.

Prozess Hamburg: Richter spricht von "großer Tragödie"

Der Vorsitzende Richter bezeichnete das Geschehen vom 20. Februar als „große Tragödie“: eine getötete Frau, ein anderthalbjähriges Mädchen, das nun keine Mutter mehr hat und vorerst in einer Pflegefamilie untergebracht ist, möglicherweise bald zu Verwandten kommt, um dort aufzuwachsen.

Als am Tattag eine Nachbarin an der Wohnung der jungen Familie geklopft hatte, hatte ihr der Vater die Tür geöffnet, mit der Tochter auf dem Arm. Als die Nachbarin nach der 25-Jährigen fragte, antwortete Merhawi K. der Zeugin zufolge, er „wünschte, er wäre tot“. Und die Nachbarin wolle nicht wirklich wissen, was mit seiner Lebensgefährtin passiert sei. Die Nachbarin solle jetzt die Polizei holen. Als Rettungskräfte in die Niendorfer Wohnung kamen, fanden sie die blutüberströmte Frau in der Küche und den weinenden Vater im Wohnzimmer vor. Sein Kind hatte er inzwischen aufs Bett gelegt. Dort war es eingeschlafen.