Hamburg. Ein Drogensüchtiger tötete einen 62-Jährigen wegen 250 Euro und floh mit der Beute. Am Freitag wurde der Mann verurteilt.
Er war auf dem Weg nach Hause. Gleich werde er da sein, teilte der Mann seiner Frau am Telefon mit. Doch dort kam er nie an. Stattdessen setzte wenige Minuten später seine Atmung aus, und aus seinem Hals quoll Blut. Der 62-Jährige war Opfer eines brutalen Überfalls geworden. Er starb an den Michelwiesen, niedergestochen, ausgeraubt, allein gelassen. Sein Mörder hatte den Portugiesen so schwer verletzt, dass jede Hilfe zu spät kam.
„Jeder Mord ist letztlich sinnlos, dieser aber in besonders tragischer Weise“
Wegen dieser Tat vom 28. März dieses Jahres verurteilte jetzt das Schwurgericht den Angeklagten Simone R. zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Der 47-jährige Italiener habe heimtückisch und aus Habgier gehandelt und einen Raubmord begangen, begründete das Gericht seine Entscheidung. „Jeder Mord ist letztlich sinnlos, dieser aber in besonders tragischer Weise“, betonte die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung. Das spätere Opfer sei „schicksalshaft“ auf den Angeklagten getroffen, der diese Begegnung ausgenutzt habe, „um dieses schreckliche Geschehen zu begehen“.
Nur wenige Stunden zuvor waren sich Täter und Opfer erstmals in einer Bar begegnet. Der eine: Hilfskraft in einem Restaurant, drogensüchtig, mittellos und darüber hinaus verschuldet — und auf der Suche nach Geld, um sich die nächste Portion Crack zu kaufen. Der andere: ein Mann, der vier Jahrzehnte zur See gefahren war und jetzt im Seemannsheim wohnte; einer, der von allen, die ihn kannten, als freundlich und herzensgut beschrieben wurde.
Mord am Michel: Opfer wurde überrumpelt
Diese zugewandte Art war es wohl auch, die den Portugiesen dazu brachte, seiner neuen Bekanntschaft Bier zu spendieren. Dabei muss Simone R. mitbekommen haben, dass der 62-Jährige größere Mengen Bargeld bei sich hatte. Nach Überzeugung des Gerichts folgte der Italiener schließlich dem anderen, als dieser gegen 2 Uhr nachts die Bar verließ, und begleitete den Älteren zu den Michelwiesen.
An einer dunklen Stelle habe Simone R. nun seinen Tatplan umgesetzt, habe sein Messer gezogen und „in Tötungsabsicht“ dem Opfer in den Hals gestochen, sagte die Richterin. Das Opfer sei dabei überrumpelt worden und habe keinerlei Abwehrmaßnahmen ergreifen können. Durch den Messerstich wurde die Halsschlagader des Portugiesen vollständig durchtrennt, die Luftröhre teilweise.
Mord am Michel: Täter behauptet, es sei ein Unfall gewesen
Der 62-Jährige verstarb innerhalb kürzester Zeit. Nun habe Simone R. das Portemonnaie an sich genommen, 250 Euro geraubt und die Geldbörse in einem Mülleimer entsorgt. Anschließend beglich er seine Schulden. 9,60 Euro zahlte er in der Bar zurück, 100 Euro gab er einem Kumpel. Und versorgte sich mit Crack.
Der Angeklagte hatte im Prozess zwar eingeräumt, ein Messer in der Hand gehabt und damit wohl dem Opfer einen Stich in den Hals versetzt zu haben. Dies sei allerdings ein Unglück gewesen, behauptete Simone R. Vorher habe ihn der 62-Jährige angegriffen und geschubst. Dabei seien beide zu Boden gefallen. Wie es zu dem tödlichen Messerstich gekommen sei, könne er gar nicht sagen. Danach habe er in Panik gehandelt und sei weggerannt, hatte Simone R. erzählt.
Mord am Michel: Besondere Schwere der Schuld nicht festgestellt
„Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war geschockt.“ Die Tat tue ihm „sehr, sehr leid“. Daran, dem Opfer Geld weggenommen zu haben, könne er sich nicht erinnern. Mit der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe folgte die Kammer im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Anders als die Anklage es gefordert hatte, stellte das Gericht allerdings nicht die besondere Schwere der Schuld fest.
Die Verteidigung hatte unterdessen argumentiert, weil die Tat ja eher ein Unglück sei, komme auch eine Bewährungsstrafe in Betracht. Der Angeklagte selber hatte in seinem letzten Wort gesagt: „Ich bitte die Familie des Opfers um Vergebung.“ Er habe „nicht gewollt, dass er stirbt“.
Mord am Michel: Ein Einstich, aber zwei Stichkanäle
Doch die Einlassung des 47-Jährigen, laut derer das Messer rein zufällig in die Kehle des anderen Mannes eingedrungen sei, habe sich als „unschlüssig, abwegig und vollkommen lebensfremd“ erwiesen, betonte die Vorsitzende Richterin. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass das von Zeugen durchweg als friedfertig beschriebene Opfer plötzlich den Italiener angegriffen und so massiv geschubst haben soll, dass beide Männer zu Boden gegangen seien.
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Vor allem aber hatte ein rechtsmedizinischer Sachverständiger ausgeführt, dass bei der Obduktion des 62-Jährigen an dessen Hals nur ein Einstich, aber zwei Stichkanäle festgestellt wurden. Dies sei nur so zu erklären, so der Experte, dass das Messer ein Stück rausgezogen und dann erneut tiefer reingestochen worden sei. So ein Szenario sei bei einem unfallartigen Geschehen praktisch nicht vorstellbar.
Mord am Michel: Zweifelhafte Erinnerungslücken
Ebenso erteilte das Gericht der Behauptung des Angeklagten eine deutliche Absage, dass er sich nicht haben erinnern können, ob er das Portemonnaie des Opfers an sich genommen habe. An das Geschehen davor und danach entsinne er sich jedoch im Detail. „Solche zeitlich eng ausgestatteten Erinnerungslücken gibt es nicht“, stellte die Vorsitzende klar. Simone R. hatte indes beteuert: „Ich habe plötzlich Dunkelheit vor mir.“