Hamburg. Fragen zu 125-Millionen-Euro-Paket bleiben offen. Branchen fordern schnellere Unterstützung: „Zeit spielt gegen uns alle“.
Es sollte ein Zeichen sein, dass Hamburg in diesem Krisenherbst zusammensteht – und das Treffen war prominent besetzt: Spitzen aus Handel, Handwerk, Gastronomie, Kultur und weiteren Teilen der Stadtgesellschaft berieten am Donnerstagmittag mit Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und weiteren Senatsmitgliedern im Rathaus darüber, wie die schweren kommenden Monate zu bewältigen sind.
Tschentscher hatte nach dem vertraulichen Austausch keinen „Wumms“ aus weiteren, konkreten Hilfen zu verkünden – betonte jedoch die Wichtigkeit des Dialogs. „Es gibt viele unterschiedliche Sorgen. Wir müssen darauf achten, dass niemand auf der Strecke bleibt“, so Tschentscher. Seine Gäste zeigten sich nach dem Treffen dagegen teilweise enttäuscht.
Hamburger Dialog – Warnung vor "existenzbedrohender Lage"
Angesichts der explodierenden Energiepreise stehe seine Branche bereits im Regen, betonte der Präsident der Handwerkskammer, Hjalmar Stemmann: „Die vielen Rückmeldungen unserer Betriebe spiegeln uns die sich Tag für Tag weiter zuspitzende existenzbedrohende Lage.“ Auf effektive Hilfe des Staates warte man aber noch vergeblich: „Der Schirm bleibt geschlossen.“ Im Handwerk sei vor allem die Enttäuschung „riesig“, dass die Entscheidung von Bund und Ländern darüber, wie die geplante Entlastung bei den Energiekosten aussehen soll, vertagt worden ist. Ein Dialog wie am Donnerstag im Rathaus sei zwar wichtig. Aber: „Die Gefahr ist groß, dass gut gemeinte Worte und Durchhalteparolen die Stützen unserer Stadtgesellschaft überhaupt nicht mehr erreichen. Die Zeit spielt gegen uns alle.“
So scharfe Warnungen gab es nicht von allen Teilnehmenden. Die Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Tanja Chawla, zeigte sich im Grundsatz „zufrieden“ mit dem Gespräch. Hamburg signalisiere, dass es Verantwortung für die Bevölkerung übernehme. Dazu zählt sie auch „die Ankündigung des von den Gewerkschaften geforderten Härtefallfonds für Unternehmen und Privatleute, die durch die hohen Energiepreise in Bedrängnis kommen.“
125 Millionen Euro geplant – aber wann fließt das Geld?
Hamburg hat im Vergleich zu anderen Bundesländern ein finanzielles Ass im Ärmel: Die hohen dreistelligen Millionengewinne aus den Anteilen an der Reederei Hapag-Lloyd. Auch deshalb konnte der Senat bereits im September einen eigenen „Notfallfonds Energiekrise“ mit einem Volumen von 125 Millionen Euro ankündigen (wir berichteten). Davon sollen 15 Millionen Euro allein Energiekunden zu Gute kommen, denen angesichts der Preise andernfalls eine Sperre, also die Abstellung von Strom oder Gas drohen würde. „Daneben werden wir zielgruppenspezifisch gucken, wo bei Sportvereinen, Kultureinrichtungen oder anderen Angeboten der sozialen Infrastruktur die Bundeshilfen nicht greifen und wir sie unterstützen können“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) jüngst im Gespräch mit dem Abendblatt.
Die DGB-Landeschefin Chawla weist nun daraufhin, dass Details aber noch unklar seien. Der Handwerkskammerpräsident Stemmann befürchtet, dass das Geld erst im kommenden Jahr fließen könnte – und damit möglicherweise zu spät für kleine und mittlere Betriebe, die bereits um ihr Überleben kämpften. Da der Hamburger Notfallfonds aber eben als Ergänzung zu den bundesweiten Hilfen gedacht sind, muss auch der Senat abwarten, wie diese letztendlich genau aussehen werden. Auch wie hoch der Bedarf an finanzieller Unterstützung wirklich ist und ob die 125 Millionen Euro extra ausreichen, ist noch überhaupt nicht abzusehen.
Wichtige Branchen erhöhen Druck auf Hamburger Senat
Aber wichtige Branchen erhöhen den Druck auf den Hamburger Senat, schon jetzt zu handeln. Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Hamburg fordert finanzielle Hilfen für seine Mitglieder. „Restaurants und Hotels sind energieintensive Betriebe und von den steigenden Energiekosten erheblich betroffen, werden aber nicht als solche eingestuft“, sagt Vizepräsident Niklaus Kaiser von Rosenburg. Dies müsse sich grundsätzlich ändern. Hilfen seien, auch angesichts von zwei Wintern unter pandemischen Bedingungen, „hochnotwendig“. Zudem müsse sich Bürgermeister Tschentscher auf Bundesebene dafür einsetzen, dass schnell geklärt wird, wie der Energie-Preisdeckel aussehen soll.
Wie die Wirtschaftsbehörde gegenüber dem Abendblatt bestätigt hatte, wird ein eigener Zuschuss für eine bestimmte Gruppe geprüft: Die Schausteller auf den Weihnachtsmärkten, auf die wegen der Festbeleuchtung ebenfalls hohe Kosten zukommen. Der Dehoga-Vizepräsident würde das unterstützen: „Wir gönnen den Händlern nach den vergangenen Jahren alles, was sie bekommen können.“ Aber dann sollten Gastronomen dieselbe Unterstützung erhalten – wenigstens diejenigen, die in direkter Konkurrenz zu den Weihnachtsmärkten stehen. „Einseitig in eine Konkurrenzsituation einzugreifen, sollte der Staat nie tun.“
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"Explodierende Energiekosten": Schnelle Hilfe für Privathaushalte in Hamburg gefordert
Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft, David Erkalp, fordert ebenfalls Hilfe für die Gastronomie. Denn diese werde auch von den steigenden Lebensmittelpreisen schwer getroffen. „Der Senat muss selbstverständlich hier eingreifen und unter die Arme greifen“, so Erkalp. „Ähnlich wie bei den Coronahilfen, jedoch ganz ohne Rückzahlungspflicht, denn das verschleppt nur das Problem.“
Mit Blick auf die Privathaushalte fordert auch der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) schnelle Hilfe. Dennoch müsse überlegt gehandelt werden. Auch wenn viele Fragen noch unklar sind, gab der VNW-Direktor immerhin ein klares Versprechen ab: „Keine Mieterin und kein Mieter wird seine Wohnung verlieren, wenn sie beziehungsweise er wegen explodierender Energiekosten unverschuldet in Finanznot gerät.“