Hamburg. Der beliebte TV-Arzt lässt seine Zulassung ruhen. Experten bewerten diesen Vorgang als „einzigartig“.

Wenn es einen leibhaftigen Dr. Google gibt, dann ist er es: Der prominente Hamburger TV-Arzt und Internet-Doktor Johannes Wimmer ist ein ordentlich promovierter Mediziner.

Seine Dissertation an der Universität Lübeck beschäftigte sich mit der „Evaluierung von Knorpelersatzverfahren (AMIC und MACT) mittels optimierter Magnetresonanztomographie“. Er hat also untersucht, wie man mit moderner Röntgentechnik bewerten kann, ob es etwas bringt, wenn man zum Beispiel bei Knieoperationen den verschlissenen Knorpel ersetzt.

Dr. Wimmer lässt seine Approbation „ruhen“

Doch als Arzt arbeitet Dr. Wimmer offiziell nicht. Denn er hat nach Abendblatt-Informationen keine Approbation mehr. Ihm fehlt die Zulassung, die er mit dem zweiten Staatsexamen nach eigenen Angaben erworben hatte. Wimmer teilte dem Abendblatt über seine Künstleragentur mit, er lasse die Approbation „ruhen“.

Es sei nicht ausgeschlossen, dass er seine ärztliche Tätigkeit wieder aufnehmen werde, hieß es in einer Stellungnahme auf eine Abendblatt-Anfrage: „Dass Dr. Wimmer seine Approbation im Rahmen einer Auseinandersetzung mit der Ärztekammer bezüglich Ungenauigkeiten des Berufsrechtes aus eigenen Stücken niedergelegt hat, ist schon lange öffentlich und kein neuer Sachverhalt.“

Approbation niedergelegt – aus diesem Grund

Es sei Wimmer ein persönliches Anliegen gewesen, „auf den Missstand im rückschrittlichen Kammerrecht bezüglich digitaler Patientenkommunikation“ aufmerksam zu machen. Wimmer habe sich darauf konzentrieren wollen, Wissen an Patienten zu vermitteln, und nicht auf eine Auseinandersetzung mit der Ärztekammer.

Auch aus privaten Gründen habe er sich gegen einen Streit mit der Kammer entschieden. „Um allein nicht den Anschein einer unlauteren Patientenrekrutierung in eine eigene Praxis durch seine mediale Tätigkeit zu erwecken, hat Dr. Wimmer sich vorerst für die Niederlegung der Approbation entschieden.“

Vorgehen laut Experten „einzigartig“

Eine quasi lebenslange Zulassung zurückzugeben – das klingt befremdlich. Dass er aufgrund privater Schicksalsschläge keinen Kopf für berufsrechtliche Streitereien hatte, ist absolut verständlich. Aber die Approbation „ruhen“ zu lassen – das ist für vom Abendblatt befragte Experten „einzigartig“.

Kein Mediziner tue das ohne Not, heißt es in Ärztekreisen. Keine der befragten Ärztekammern wusste von dem Fall. Allerdings sind sie aus datenschutzrechtlichen Gründen auch gehalten, über Einzelfälle nichts preiszugeben.

Bei einem Entzug von Approbationen handeln zum Beispiel die Behörden, wenn Ärzte durch grobes Fehlverhalten oder anhaltende Abrechnungsbetrügereien aufgefallen sind. Dafür gibt es keine Anzeichen bei Wimmer. Vielmehr betont seine Agentur, die Approbation sei ihm nicht entzogen worden.

Dr. Wimmer produziert nicht mehr für den NDR

Aus dem Youtube-Star, der in herausragender, formatgerechter Weise Krankheiten und unsere Malaisen des Alltags medizinisch korrekt und verständlich durchleuchtet, ist ein Erklär-Bär im Fernsehen geworden. Mittlerweile ist er einer der Gastgeber der NDR Talkshow. Er ersetzt dauerhaft Jörg Pilawa, der ins Privatfernsehen abwanderte.

Doch der öffentlich-rechtliche Sender hat im Einvernehmen mit Wimmer die Zusammenarbeit mit ihm beim Thema Medizin und Gesundheit beendet. Der NDR sah mit Blick auf die Compliance-Regeln des Hauses Schwierigkeiten. Denn Wimmer tritt neben dieser Arbeit für verschiedene Unternehmen als Werbefigur und Präsentator auf.

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Dr. Wimmer und der NDR trafen eine Übereinkunft

In der NDR-Erklärung hieß es: „Herr Dr. Wimmer arbeitet frei für den NDR und kann seine Expertise auch anderen Auftraggebern anbieten. Der NDR hatte Herrn Dr. Wimmer im Juni 2022 um umfassende Information gebeten, welche seiner anderweitigen Tätigkeiten aus Werbe- oder Compliancegründen einen Interessenkonflikt mit den Engagements für den NDR bedeuten könnten und dies umfassend geprüft.“

Anlass für die Prüfung: Der NDR konnte sich Wimmer auch in anderen „Formaten“ vorstellen. „Der NDR und Dr. Wimmer waren sich einig, dass für den Fall einer längerfristigen Fortsetzung der Zusammenarbeit bei Medizin- und Gesundheitsformaten diesbezügliche Compliance-relevante Kooperationen nicht weiter stattfinden können.“

Der Mediendienst „Übermedien“ schrieb: Es sei verwunderlich, dass dem Sender erst jetzt die Werbeaktivitäten Wimmers auffielen. „Für den NDR war das lange Zeit offenbar kein Problem.“

Causa ergibt zusätzlichen Druck auf den NDR

Der NDR kappte also die Gesundheits-Liaison mit Wimmer, um den Anschein zu vermeiden, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei ein prominenter freier Mitarbeiter mit Medizinthemen befasst, der nebenbei für Pharmafirmen Vorträge hält.

Die Vier-Länder-Anstalt ist derzeit selbst unter Druck. In Schleswig-Holstein und Hamburg gibt es in den Landesfunkhäusern Vorwürfe, dass die Transparenzregeln nicht eingehalten und unliebsame Mitarbeiter geschurigelt wurden. Von „Vetternwirtschaft“ ist die Rede, interne Kommissionen sind am Werk.

Bitterer Beigeschmack durch Vorträge

Wimmer startete als junger Arzt unter anderem mit Youtube-Videos für Deutschlands größte Krankenkasse, die Techniker. „Hamburgs Doktor Google macht Karriere“ schrieb das Abendblatt, als die Verbindung 2014 bekannt wurde. In aktuellen Videos im Internetkanal der Kasse taucht Wimmer auf und erklärt unter anderem, wie man „Sicher vor anderen sprechen“ kann.

Dass ein Fachmann einer öffentlich-rechtlichen Institution (NDR) auch für eine andere arbeitet (TK), scheint nicht zu beanstanden. Doch Wimmers offen im Internet dargelegte Kontakte zu Firmen wie Roche, Merck und Sanofi-Aventis beispielsweise durch Vorträge hatten bei den Verantwortlichen am Rothenbaum einen bitteren Beigeschmack ausgelöst.

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Doch die sind nicht nur legal, sondern für einen so publikumsaffinen Unternehmer auch Teil des Geschäfts. Nebenbei: Sozial engagiert ist er außerdem. Obwohl seit Langem im Funkhaus über Wimmer getuschelt wird, war man überrascht, dass Wimmer keine Approbation mehr hat.

Dr. Wimmer GmbH sitzt in Ottensen

Die Dr. Wimmer Beteiligungs GmbH sitzt in Ottensen in einem Mehrfamilienhaus. Sie soll sich laut Handelsregister „insbesondere“ um die Marke „Dr. Wimmer“ kümmern, heißt es im Handelsregister. Dieselbe Adresse hat auch die aempathy GmbH.

Sie erbringt Dienstleistungen „insbesondere im Rahmen der Erstellung, Beurteilung und Bewerbung von medizinischen und der Gesundheit dienenden Informationsprodukten und technischen Lösungen, die Durchführung von Veranstaltungen, Beratungsleistungen sowie das Halten und Verwalten von Anteilen an anderen Gesellschaften“.

Verlag schwärmt von Dr. Wimmers Firma

An der Klingel klebte zuletzt auch ein Streifen mit einer handgeschriebenen Handynummer, dem Namen der Firma Curemotion und einem Pfeil, der auf die Klingel der Dr. Wimmer Beteiligungs GmbH weist. Curemotion ist das Joint Venture von Wimmer und der Verlagsgruppe Wort & Bild, die neben der „Apotheken-Umschau“ auch die „junge mutti“ verlegt, die heute „Baby und Familie“ heißt, sowie Podcasts im Angebot hat.

Der Verlag schwärmt von Wimmer: Curemotion vereine die „gewohnte Art und Weise der persönlichen Ansprache des deutschen Mediziners und Fernsehmoderators mit der großen Reichweite und den hochqualitativen Inhalten der Baierbrunner Gesundheitsmanufaktur Wort & Bild“, heißt es auf der Webseite.

Tod der Tochter stellte das Leben auf den Kopf

Das Leben des Arztes, der nicht mehr praktiziert, wurde vor knapp zwei Jahren durch einen schweren Schicksalsschlag auf den Kopf gestellt. Nur wenige Monate nach ihrer Geburt erkrankte seine Tochter Maximilia an einem Hirntumor. Im November 2020 starb das kleine Mädchen.

In seinem Buch „Wenn die Faust des Universums zuschlägt“ lässt Wimmer die Leser daran teilhaben, wie er gemeinsam mit seiner Frau Clara die Krankheit und den Tod der Tochter erlebt und durchgestanden hat.

„Man macht sich angreifbar“, sagte Wimmer im vergangenen Jahr, „aber das Buch ist für mich und Clara wichtig. Es ist kein Verarbeiten, sondern ein Teilen. Es ist auch ein ganz großer Dank an die Menschen, die Anteil genommen haben, ohne dass man sie kennt.“ Vor etwa einem Jahr bekam das Paar erneut eine kleine Tochter.

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Dr. Wimmer und die „alten, weißen Männer“

Medizin im Internet boomt. Und seit gar nicht so langer Zeit – Stichwort: Corona – sind Videosprechstunden nicht nur erlaubt, sondern populär geworden. Plattformen wie Zava des Hamburger Unternehmers David Meinertz profitieren davon.

Im Frühjahr 2020 sagte Wimmer in einem Interview mit dem „shz“: „Die Ärztekammer Berlin wollte meine Erklär-Videos gerichtlich verbieten lassen und mir andernfalls die Approbation entziehen. Ich lass’ mir doch von alten, weißen Männern nicht sagen, was ich machen darf und was nicht.“

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