Hamburg. Die Energiekrise betrifft uns alle. Kann man jetzt schon guten Gewissens die Heizung aufdrehen, oder muss man es aushalten zu frieren?
In den vergangenen Tagen hat die Sonne wieder ein wenig für Wärme gesorgt, aber abends und nachts wird es schon empfindlich kalt. Aber wie lange und oft soll und darf man angesichts der Energiekrise noch duschen – und kann man jetzt schon guten Gewissens die Heizung aufdrehen? Oder muss man es aushalten zu frieren, bis es draußen noch viel kälter ist? Und wie hoch darf die Temperatur denn sein? Das wird in vielen Familien gerade heiß diskutiert, und es geht dabei nicht um die Kosten, sondern auch um Solidarität.
Hier lesen Sie, wie es die Abendblatt-Redakteure mit dem Energiesparen halten.
Wir sparen, alle zusammen – weil es unsere Gesellschaft betrifft
Die Sorglosigkeit der früheren Jahre ist definitiv vorbei. Als ein Kollege am 1. April vom Energiespar-Notprogramm des Senats schrieb, mit dem Ziel, dass die allgemeine Raumtemperatur 21 Grad nicht übersteigen soll, habe ich das geglaubt. Sollte dieser Wert überschritten werden, sei eine Strafsteuer zu zahlen – pro Grad und Quadratmeter einen Euro monatlich, schrieb er. Auch das habe ich geglaubt. Doch es war ein Aprilscherz.
Das Lachen ist uns allen seither vergangen. Jetzt sprechen wir von 19 Grad, die genügen sollen. Wenn es jetzt morgens draußen nur 6 Grad hat, ist es im Bad sehr ungemütlich. Erst nach dem Duschen ist das Bad etwas angenehmer temperiert. „Dann müssen wir eben lernen, auch mal zu stinken und das auszuhalten“, sagte kürzlich ein Verkäufer im Supermarkt. Lieber friere ich im Moment noch als auf die morgendliche Dusche zu verzichten.
Allerdings fällt diese schon seit Monaten deutlich kürzer aus. Wellness unter dem heißen Wasserstrahl – damit ist es vorbei. Schnell waschen und wieder raus. Und ja, ich mache es inzwischen wie offenbar etliche andere auch: Wenn ich morgens ins Fitnessstudio gehe, nehme ich ein Handtuch und frische Klamotten mit und dusche nach dem Sport dort. Ich nutze diese Möglichkeit erstmals nach 22 Jahren Mitgliedschaft – zugegebenermaßen, um Energie zu Hause zu sparen.
Die Heizung haben wir noch nicht aufgedreht. Vor Mitte Oktober wollen wir das auch nicht. Tagsüber scheint die Sonne in die Zimmer und wärmt die Räume etwas auf. Wenn ich am Schreibtisch sitze, trage ich Fellschuhe. Ein dickes Wollcape liegt immer griffbereit – aber meistens gleich auf den Schultern, denn wenn man sich nicht bewegt, kühlt man schnell aus.
Glücklicherweise haben wir einen Kaminofen, den wir all die Jahre zuvor nur etwa ein Dutzend Mal im Winter genutzt haben. Wir haben keinen Holzhändler unseres Vertrauens. Leider, denn die beliefern in diesem Jahr nur noch Stammkunden. Wir müssen also weiterhin Holz aus dem Baumarkt kaufen, wo ein kleiner Sack inzwischen 7,65 Euro kostet – 2 Euro mehr als im letzten Winter. Absurd: Diese Art des Heizens ist zwar besonders klimaschädlich, es wird aber wohl regelmäßig aus vielen Schornsteinen qualmen, weil die Kosten immerhin kalkulierbarer sind als bei Strom- und Gasheizungen. Aber noch bleibt auch der Ofen bei uns kalt.
Uns zwingen die nackten Zahlen zum Energiesparen. Statt 102 Euro Abschlagszahlung wie im letzten Winter müssen wir jetzt 300 Euro im Monat für Gas bezahlen. Dazu kommen 179 Euro im Monat für Strom. Würden wir aktuell einen neuen Gasvertrag abschließen müssen, wären wir bei deutlich über 500 im Monat. Und weil unsere beiden Kinder in unterschiedlichen Städten in der Ausbildung sind und von uns unterstützt werden, haben wir das Problem gleich dreifach – wir finanzieren unseren Energieverbrauch und den von ihren zwei WG-Haushalten (mit).
Eines finde ich enorm wichtig: Dass jeder mitmacht beim Energiesparen. Viele in einer reichen Stadt wie Hamburg haben das Geld, auch hohe Energiepreise zu bezahlen, viele haben das Geld aber nicht. Es darf aber keine Frage des Geldes sein, ob man es kuschelig warm hat oder nicht. Wir müssen als Gesellschaft zusammenstehen und gemeinsam weniger Strom und Gas verbrauchen, damit es für alle reicht. Notfalls brauchen wir auch ein Energiespar-Notprogramm, das kein Aprilscherz ist. Elisabeth Jessen
Vor 380 Jahren gab es auch keine Heizung
Die Heizung bleibt aus. Mindestens bis Oktober. Das haben wir im Familienrat (zwei Erwachsene, drei Kinder) schon damals entschieden, im Hochsommer, als durch die weit geöffneten Fenster noch angenehme 30 Grad hereinwehten. Also haben wir vorgesorgt, gefütterte Oversize-Pullover mit dicken Kapuzen besorgt, den Holzvorrat maximal aufgestockt und einen Plan gemacht, wie wir in unserem 380 Jahre alten Reetdachhaus am Stadtrand energiesparend überwintern können.
Wir haben Fenster abgedichtet und Thermovorhänge aufgehängt. Grundsätzlich aber gilt bei uns die Devise: Vor 380 Jahren gab es ja auch noch keine Heizung. Und dennoch sind die Bewohner irgendwie durch den Winter gekommen. Allerdings teilten sie sich damals den Raum in der kalten Jahreszeit auch mit ihren Kühen. Und die gaben wohlige Wärme ab.
Wir haben nur noch einen Hund. Der wärmt aber auch. Jedenfalls glauben wir das. Für Kühe ist hier kein Platz mehr, denn dort, wo früher das Vieh stand, steht heute unser Fernseher. Und mitten im Raum unsere einzige gasunabhängige Wärmequelle: der Ofen. Dieser wird seit einigen Tagen rund um die Uhr befeuert. So ist es in Wohnzimmer und Küche schon mal wohlig warm. Alle anderen Räume – auch die Kinderzimmer – bleiben bis auf Weiteres kalt. Ebenso die Arbeitszimmer.
Für das Homeoffice gilt: Wärmflasche gegen kalte Füße, warm anziehen, zwischendurch bewegen. Auch die alte Heizdecke könnte demnächst wieder zum Einsatz kommen. Aber deren Gebrauch ist eigentlich – bedenkt man die Strompreise – zu teuer.
Fürs Duschen haben wir eine klare Abmachung: höchstens eine Minute und – wenn möglich – kalt. Dann fühlt sich die Raumluft anschließend trotz niedriger Temperaturen automatisch wärmer an. Bislang hält der Familienfrieden trotz Einschränkungen an. Schließlich hat die Challenge „Energiesparen“ auch gerade erst begonnen. Und dann ist zum Glück pünktlich zum Herbstanfang der Spätsommer noch einmal zurückgekehrt. Also, alle raus in den Garten. Zeit zum Aufwärmen! Hanna Kastendieck
Zu Hause herrscht ein hartes Energiespar-Regime – und eine friert immer
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich in den vergangenen Tagen, als die Temperaturen Stück für Stück gefallen sind, angefangen habe zu leiden. Denn in unserem Haushalt gibt es drei Menschen, denen sowieso immer warm ist. Nur eine Person friert leichter – und das bin leider ich. Wenn meine Söhne bei 17 Grad den Pullover ausziehen mit dem Verweis es sei so schrecklich heiß, dann ziehe ich mir in der Regel bereits einen dickeren Pullover an. Das führt nun in diesem Herbst, in dem es ausgerechnet schon so früh nachts empfindlich kalt ist, zu ernsthaften Schwierigkeiten. Und dazu, dass ich jetzt mit einem Rollkragenpullover und einer Fleecejacke am Computer sitze.
Im Haus herrschen bei uns derzeit maximal 18 Grad, wenn ich vorsichtig in dem einen oder anderen Raum die Heizung leicht aufdrehe, wird sie garantiert wenig später von meinem Mann zurückgedreht mit dem Verweis: Wir wollen doch Putin nicht unterstützen. Das Gleiche passiert übrigens beim Licht. Mittlerweile geht mein Mann mehrfach am Tag durch das Haus und checkt, ob auch alle Lampen aus sind. Meine Jungs finden das klasse, sie sehen es als Unterstützung der Ukraine. Ich finde es vor allem kalt ... Auch wenn ich natürlich einsehe, dass wir alle unseren Teil beitragen müssen. Nur wenn in den Schlafzimmern die Temperatur auf unter 16 Grad fällt, wage ich einen leisen Protest – oder mache seit dieser Woche einfach heimlich hin und wieder die Heizung an. Das wird noch spannend im Winter. Sophie Laufer
Zu kalt für gute Vorsätze – zu Hause friere ich ohnehin immer (außer im Sommer)
Auch ohne Energiekrise friere ich zu Hause. Außer während der Hitzewelle im Sommer, da waren die Temperaturen in unserer Erdgeschoss-Altbauwohnung genau richtig. Ich habe so einen Running Gag: „Drinnen Strickjacke, draußen Bikini.“ Heißt: Draußen in der Sonne ist es hochsommerlich warm, in unserem Garten zum Beispiel, während es in der Bude so kühl ist, dass man Strickjacke tragen könnte. Oder Socken. Im Sommer! Bei rund 250 Euro Stromkosten jeden Monat nur für unsere Nachtspeicherheizung ist das natürlich schon lange nicht mehr witzig. Wir mussten schon immer sparsam heizen, und doch wurden die Kosten für den Nachtstrom nie geringer, blieb der Abschlag für unseren Vier-Personen-Haushalt immer gleich hoch. Frustrierend ist das.
Und nun soll ich noch mehr frieren? Angesichts der sommerlichen Temperaturen noch Anfang des Monats war ich total zuversichtlich und habe mir gesagt, dass wir erst im Oktober überhaupt die Heizung anstellen. Sehr witzig. Denn dann kam diese Regenzeit Mitte September mit nächtlichen Temperaturen unter zehn Grad. Die Wohnküche, in der wir uns die meiste Zeit aufhalten, war klamm und kalt. Die Wäsche wurde weder draußen im Regen trocken noch drinnen. Mein Vorsatz wurde nach einem Tag im kalten Homeoffice schnell hinfällig, und ich habe den Hauptschalter für unsere Heizung angestellt. Nicht gerade konsequent, ich weiß.
Es war auch nur die ganz kleine Stufe. Und weil Tochter Nummer 1 sich bislang nicht beklagt hat, blieb ihr Zimmer einfach kalt. Tochter Nummer 2 ist da empfindlicher, sodass auch in ihrem Zimmer die Heizung auf der niedrigsten Stufe eingestellt war. Für eine Nacht. Herrlich war das am nächsten Morgen, nicht total warm, sondern einfach ein angenehmes Raumklima. Darum ging es mir auch. Abends ist es bei uns ohnehin immer kühl, da der Wärmespeicher der Nachtspeicherheizung nahezu entladen ist.
Noch hat unser Stromanbieter die Preise für den Nachtstrom nicht erhöht, aber das wird sicherlich kommen, und das bereitet mir große Sorgen. Ich versuche ja, die Heizung so wenig wie möglich anzuschalten. Weil es aber nachts so kalt ist und die Wohnung dadurch so stark abkühlt, gönne ich uns nun jeden zweiten Tag eine Wohnküche, in der wir keine Wärmflaschen umbinden müssen, um nicht zu frieren. Geneviève Wood
Bloß nicht umsonst heizen! Ich habe schon immer mit Putin gelebt
Wenn ich mir meine Heiz-Historie anschaue, könnte man sagen: Mir sitzt Putin wahrscheinlich schon im Nacken, seitdem er als KGB-Agent in Dresden war und dabei, wie wir jetzt wissen, nicht genug Liebe für Deutschland mitnahm, um uns und Europa heute mit seinem Imperialismus zu verschonen. In den 80ern wurde bei uns zu Hause sehr darauf geachtet, dass nicht „zum Schornstein rausgeheizt“ wurde. Ich glaube mich zu erinnern, dass mein Vater Raumtemperatur-bezogene Ineffizienzen so nannte. Manche Teile des Hauses wurden mit dem Kamin geheizt, das meiste aber mit der Heizung. Den Begriff „Stoßlüften“ kenne ich, wie man sagt, von Kindesbeinen an. Bloß nicht umsonst heizen!
„Umsonst“ ist das Heizen in diesen Tagen ja ganz und gar nicht. Aber ich habe auch früher schon oft so getan, als mache mich das Heizen arm. Was bedeutet, dass es ganz früher, als ich ein Kind war, in von mir und meinen damaligen Mitbewohnern frequentierten Räumen immer warm war, in meinen WGs und Junggesellenbuden später aber keineswegs. Ich lebte immer in Altbauten, und man weiß ja, wie schwer es ist, die warm zu kriegen und warm zu halten. In meiner besten Phase, ich wohnte im Portugiesenviertel, hatte ich 30 Euro Gaskosten im Monat. Ich trank Tee und trug Strickpulli. Krank war ich selten. Bei Damenbesuch ließ ich es krachen und drehte hoch auf Anschlag.
Also, ich weiß, wie es geht. Mollig warme Räume standen nie oben auf meiner Agenda, müssen aber manchmal sein, gerade was sehr junge Mitbewohner angeht. Die Temperatur ist in meinen Behausungen also in den vergangenen Jahren nach oben gegangen und darf auch jetzt, in diesen teuren Zeiten, keine Putin-Delle bekommen. Aber es wird auch weiterhin keine unnötig beheizten Räume geben, und ich werde das Heizen gut timen. Auskühlen darf die Behausung nie, aber wenn die Kinder in der Kita sind, muss sicher keiner schwitzen. Thomas Andre
Und nachts heizen die Kinder – als Wärmflaschen
Als ich vor einigen Tagen bei meiner Ärztin ins Sprechzimmer kam, musste ich etwas grinsen: Über ihrer weißen Arbeitskluft mit Bluse und langer Hose trug die Medizinerin eine beigefarbene Leichtdaunen-Weste und wirkte damit so, also wolle sie gleich los zum Wandern. Meinen Blick bemerkend sagte sie, schon entschuldigend: „Ich weiß, hässlichstes Ding, aber wir sparen in der Praxis an der Heizung. Ich sitze viel, und da wird mir einfach schnell kalt.“
Mir als Patientin wären die zugegeben kühlen Temperaturen kaum aufgefallen, fühlte es sich doch dort genauso an wie zu Hause. Auch im Eigenheim heißt es derzeit „mehr Bewegung“ statt „Boiler hochfahren“. Stillstand gibt es mit kleinen Kindern ja sowieso nicht, meine Betriebstemperatur ist meist eher hoch. Eltern-Vorteil sozusagen. Aktuell überlege ich, ob ich mir eine solche Wärme-Weste, wie meine Ärztin sie trägt, auch anschaffen sollte, muss ich doch die frostigeren Stunden überbrücken, in denen die Kids schon schlafen und ich weniger umtriebig bin. Denn: Auch nachts haben wir es kuschelig warm, wenn nach und nach kleine Wärmflaschen aus dem Kinderzimmer ins Familienbett wandern. Camilla John
Die jungen Leute halten nix mehr aus – 12 Grad? Fast noch Sommer!
„Papa, ich spüre meine Füße nicht mehr – so kalt!“ Die Tochter steht im Flur und mault. Fußbodenheizung haben wir nicht. Und die Heizkörper sind aus. Draußen sind 12 Grad – fast noch Sommer! „Du kriegst jetzt neue Puschen!“, bescheide ich der Tochter, ehe ich sie umarme, ihr Körperwärme spende und sie warm rubble. Diese jungen Leute – halten nix mehr aus. Deswegen lassen wir uns in unserer heiligen Challenge aber nicht beirren: Heizung bleibt aus, so lange wie möglich – nimm das, Putin!
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Duschen – geht auch im Dunkeln. Kurz Lauwarmwasser an, den Körper benetzen, Wasser aus, einseifen und ratzfatz abduschen. Körperhygiene mit 0,25 Litern. Händewaschen nur mit eiskaltem Wasser. Zwar schmerzen dann kurzzeitig die Knöchel und man verliert vor Steifheit die Handschrift. Aber Tippen am Laptop geht immer – notfalls auch mit der Faust. Mal sehen, wie hart Herbst und Winter werden. Wie lange wir durchhalten. Wir ziehen uns dann vielleicht in die Küche zurück. Da brummt der Kühlschrank. Und die Abwärme des Kühlaggregats wärmt wohlig. Andreas Burgmayer
Türen zu, Sonne rein – und zur Not helfen überall Wolldecken
Unsere Heizung ist seit Mitte September auf 20 Grad eingestellt, aber bisher kaum einmal angesprungen. Grund dafür ist unser sehr gut isoliertes Holzhaus, das keine Wärme verliert und die großen Fenster im Wohnzimmer, die viele helle, wärmende Sonnenstrahlen reinlassen. So müssen wir in diesem Raum, in dem auch die offene Küche steht, aktuell noch eher mal stoßlüften als heizen.
Anders als früher achten wir peinlich genau darauf, dass überall die Türen zu sind, sodass die Zimmer konstant ihre Temperatur halten. Die Fußbodenheizung ist nur in den Bädern, im Arbeits- und im Wohnzimmer an – im Schlafzimmer gibt es einfach eine dickere Bettdecke. Und wenn es kälter wird, liegen auch im Wohnzimmer und an meinem Arbeitsplatz Wolldecken bereit. Mit dem Kamin zu heizen fällt vorerst leider flach, es gibt kein Brennholz mehr im Umkreis von 100 Kilometern, aber zur Not hilft der Onkel vom Bauernhof damit aus, der hat noch ungeschlagenes Holz vor seiner Scheune liegen – mein Mann hat schon die Axt geschärft.
Aber wir haben schon vergangenes Jahr mit dem Gassparen angefangen, sicher auch durch den Auszug der Söhne. Und wir haben sogar eine Rückzahlung bekommen. Sabine Tesche