Hamburg. Zweijähriges Mädchen war im Sommer von Bulldoggenmischling schwer verletzt worden. Halter von Listenhunden gehen auf die Straße.
Hamburg und der Umgang mit Kampfhunden – dieses Thema ist in dem Stadtstaat noch einmal emotionaler besetzt als in den meisten anderen Bundesländern.
Schließlich geht die bundesweite Einführung der „Hundeverordnung“ auf einen Fall aus der Hansestadt zurück: Im Juni 2000 war der sechs Jahre alte Junge Volkan Kaya beim Spielen auf dem Gelände seiner Grundschule in Wilhelmsburg von zwei Pitbull-Mischlingen angegriffen und getötet worden. Die Politik reagierte mit einem Gesetz, das die Haltung von gefährlichen Hunden regeln soll.
Hunde – Beißvorfall von Rahlstedt wird zu Politikum
Auch in diesem Sommer erregte ein Hamburger Beißvorfall öffentliche Aufmerksamkeit: Im Juni überlebte im Stadtteil Rahlstedt ein zwei Jahre altes Mädchen die Attacke des Bulldoggen-Mischlings seines Onkels nur mit Hilfe einer mehrstündigen Notoperation.
Der Vorfall ist ebenfalls zu einem Politikum geworden, zuletzt forderte die CDU-Bürgerschaftsfraktion eine Aufstockung der aktuell zehn Hamburger Hundekontrolleure sowie bis zum Jahresende die Einführung eines rundes Tisches. Dieser solle unter anderem eine mögliche Anpassung des Hundegesetzes prüfen.
Dieses gilt in Hamburg als besonders streng, hier werden die vier Rassen American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier sowie deren Mischlinge kategorisch als gefährlich eingestuft. Bedeutet: Ihre Haltung ist grundsätzlich verboten.
Kampfhunde: Demo „SoKa Run“ in Hamburg
In Schleswig-Holstein und Niedersachsen müssen potentielle Herrchen und Frauchen dagegen weniger Hürden bei der Anschaffung eines sogenannten Listenhundes nehmen.
Unterstützung erhalten Hamburger Liebhaber von Bullterrier & Co. nun von Haltern aus eben jenen Nachbarländern. Am heutigen Sonntag wollen rund 150 Hundefreunde beim „SoKa Run“ (SoKa = „Sogenannter Kampfhund“) mit ihren Vierbeinern durch die Hamburger Innenstadt ziehen, um für ein Umdenken der Politik in Bezug auf Listenhunde zu demonstrieren.
Kampfhunde: Aggression nicht angeboren?
„Keine Rasse hat von Geburt an ein höheres Aggressionspotential als andere Hunderassen“, sagt Tina Netzband von der Vereinigung „Leben mit Listenhund Hamburg“. Ausschlaggebend sei vielmehr das soziale Umfeld des Hundes. Die „pauschale Gefährlichkeitsvermutung“ sei durch eine Studie der Technischen Hochschule Hannover längst widerlegt worden.
In Hamburg würden derlei Erkenntnisse in der Gesetzgebung jedoch nicht berücksichtigt, moniert Netzband: „Selbst ein positiv bestandener Wesenstest ermöglicht Besitzern dieser Rasse nicht, in Hamburg zu wohnen und befreit den Hund nicht von Leine und Maulkorb.“
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Andere Länder hätten die sogenannte Rassenliste bereits modifiziert. In Hamburg seien die Beißvorfälle dagegen trotz dieser Liste nicht weniger geworden. Ein Blick auf die Statistik der vergangenen zehn Jahre zeigt gleichwohl: Insgesamt ist die Zahl der registrierten Hundebisse von 217 im Jahr 2012 sukzessive auf 106 im vergangenen Kalenderjahr zurückgegangen.
Beißvorfälle in Hamburg seit 2012:
- 2012: 217 Beißvorfälle
- 2013: 170
- 2014: 204
- 2015: 155
- 2016: 195
- 2017: 166
- 2018: 125
- 2019: 122
- 2020: 96
- 2021: 106
Hamburg: Yakutische Laika am „bissigsten“
Allerdings gehen Beißvorfälle nicht zwangsläufig auf als gefährlich eingestufte Rassen zurück. In Hamburg ist rein mathematisch der Yakutische Laika, ein Schlittenhund, die bissigste gehaltene Hunderasse. Allerdings sind nur zwei Tiere registriert, von denen einer 2021 einen Menschen gebissen hatte.
Darauf folgen der Pitbull-Terrier-Mischling und der American Pitbull Terrier, von denen es 19 registrierte Tiere in Hamburg gibt. Zwei dieser Hunde wurden im vergangenen Jahr als bissig registriert.
Beißvorfall von Rahlstedt: Das sagt die Demo-Veranstalterin
Zum Beißvorfall von Rahlstedt hat die Veranstalterin des „SoKa Run“ eine klare Meinung. Die „sehr tragische“ Attacke auf das kleine Mädchen zeige bei „vollem Mitgefühl“ für die Opfer eines der aktuellen Defizite des Hamburger Hundegesetzes, findet Netzband: „Die behördlichen Maßnahmen und vor allem deren Durchsetzung bei bereits auffällig gewordenen Hunden sind sehr begrenzt.“
Der Bulldoggenmischling sei bereits 2019 durch eine Beißattacke gegen ein Kind auffällig und als gefährlich eingestuft worden. „Dennoch war es dem Halter scheinbar über Jahre möglich, den Hund nicht nur in Hamburg zu halten, sondern diesen auch unzureichend gesichert zu führen“, so Netzband. Etwaige Auflagen seien scheinbar nicht kontrolliert worden.
Deshalb fordern sie und ihrer Mitstreiter ein Hundegesetz, das Halter aller Rassen in die Pflicht nimmt, eine gewisse Sachkunde zur Hundehaltung vorzuweisen. „Hunde, die eine Gefahr für Menschen darstellen, gehören in kompetente Hände, und dies gilt unserer Meinung nach unabhängig von der Rasse. Die aktuell existierende Rasseliste in Hamburg trägt somit nicht zum Schutz vor Hundeangriffen bei.“
Runder Tisch zum Thema Hundegesetz?
Als Vorbild dienen könnte dabei der Hundeführerschein in Niedersachsen. Netzband: „Nur so kann sichergestellt werden, dass mit steigender Hundezahl in einem im Vergleich recht kleinen Bundesland wie Hamburg ein respektvolles Miteinander zwischen Hundehaltern und Nichthundehaltern gewährleistet ist.“
Die Forderung nach einem runden Tisch sind Netzband eher kritisch. „Prinzipiell sind wir immer an einem sachlichen, konstruktiven Austausch zum Thema Hundegesetz interessiert“, sagte sie. „Allerdings ist es zwingend notwendig, dass unabhängig der Parteizugehörigkeit Fachleute zum Thema Hunde in Hamburg angehört werden, dies kam leider in den letzten Jahren häufig zu kurz.“
Demo „SoKa Run“: Politiker ziehen mit
In Hamburg gehen die Hundehalter am Sonntag bereits zum siebten Mal mit ihren Anliegen auf die Straße. Unterstützt werden sie beim diesjährigen „SoKa Run“ unter anderem vom Hamburger Tierschutzverein, vom Tierheim Henstedt-Ulzburg, der Hellhound Foundation sowie von geladenen Bürgerschaftsabgeordneten wie Stefan Jersch (Linke). Lisa Maria Otte, tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen und große Unterstützerin der Forderungen der Listenhund-Besitzer, hat sich hingegen entschuldigt.
Los geht es um 14 Uhr am Rathausmarkt, das Ende ist nach einem gegen 14.45 Uhr startenden Demo-Rundkurs über Ballindamm, Glockengießerwall und Mönckebergstraße für 16 Uhr geplant. Im Rahmen der Veranstaltung berichtet unter anderem ein Mitglied des ASB von der Arbeit mit seinem Staffordshire Terrier in der Rettungshundestaffel.