Marcel Scherb, Sommelier auf dem beliebten Hamburger Kreuzfahrtschiff, verrät, was an Bord am liebsten getrunken wird.

Er ist erst 23 Jahre alt, aber die wichtigste Person, wenn es auf der MS „Europa“ um Weine geht. Marcel Scherb ist Sommelier auf dem Hamburger Kreuzfahrtschiff, das zu den besten der Welt zählt, und er hat einen von nur zwei Schlüsseln für die Räume auf Deck zwei, in denen 2000 Flaschen Champagner und Tausende weitere Flaschen Wein gelagert werden.

Die MS „Europa“ hat 600 verschiedene Positionen auf ihrer Weinkarte, „das muss so sein für ein Schiff mit unserem Anspruch, auch wenn ich in der Zeit, in der ich dabei bin, bestimmt 50 bis 100 dieser Weine gar nicht geöffnet habe“, so Scherb. „Aber eines Tages verlangt ein Gast genau nach einem dieser Weine, und dann ist schön, wenn wir ihn vorrätig haben.“

MS „Europa“ hat 600 verschiedene Positionen auf ihrer Weinkarte

Diese vier Weine wurden gemeinsam verkostet.
Diese vier Weine wurden gemeinsam verkostet. © HA | Ha

Die erste Flasche, die Weinkenner Michael Kutej, Rieslingliebhaber Lars Haider und Apfelsaftschorlentrinker Axel Leonhard in dieser Folge unserer Reihe „Vier Flaschen“ testen, gehört zu denen, die eher wenig getrunken werden: Von dem Bouvet-Ladubay Brut Tresor Rosé Saumur, einem Schaumwein, ist an Bord bisher nur eine Flasche verkauft worden, und das, so der Sommelier, weil „ein Gast, der Verschlüsse sammelt, diesen noch nicht hatte“. Auf der MS „Europa“ würde viel Champagner und Sekt getrunken, aber eher so etwas wie Dom Perignon, was auch daran liege, dass die Flasche „nur“ 180 Euro koste, unter anderem fällt auf hoher See die Mehrwertsteuer weg.

Marcel Scherb ist Sommelier und arbeitet auf der „MS Europa“.
Marcel Scherb ist Sommelier und arbeitet auf der „MS Europa“. © Hapag-Lloyd Cruises | Hapag-Lloyd Cruises

Überhaupt sind die Preise auf der Weinkarte des Fünf-Sterne-Plus-Schiffes nicht so exorbitant, wie man das erwarten würde, es beginnt bei 24 Euro und endet bei 822 Euro die Flasche. Der sprudelnde Rosé aus Frankreich gehört preislich eher in die unteren Regionen, hat von Weintester Robert Parker aber 91 Punkte erhalten. Was weder Scherb noch Axel Leonhard davon abhält, ihn „zu herb, fast schon muffig und bitter“ zu finden, dem Sommelier kommt die feine Himbeernote zu spät.

Er opfert seine Nachmittagspause für die „Vier Flaschen“, normalerweise hat er zwischen 14 und 17 Uhr frei, ist danach bis kurz vor Mitternacht im Dienst, „so lange, bis alle Weingläser von Hand poliert worden sind“. 20 sogenannte Getränkestewards arbeiten mit und für Scherb, an einem durchschnittlichen Tag werden rund 200 Flaschen ausgeschenkt, das Verhältnis Weißwein, 70 Prozent, zu Rotwein, 30 Prozent, ist eindeutig. Was auch daran liegt, dass die MS „Europa“ in der Regel immer dort ist, wo es warm und sommerlich ist.

MS "Europa": Mehr Weißwein als Rotwein an Bord

Was die Weingüter angeht, gehört Dönhoff neben Markus Schneider zu den Favoriten, weshalb als zweites ein Dönhoff Riesling trocken aus dem Jahr 2020 probiert wird. Scherb mag ihn, weil er „nicht so säurelastig ist, sehr fruchtig und frisch, die Zitrone prickelt im Gaumen“, und auch der Rest der Runde ist begeistert. Wer einen 2020er-Riesling von Dönhoff erwischt, habe übrigens Glück, hat Winzerin Anne Dönhoff am Tag zuvor bei einer Stippvisite gesagt: „Wir selbst haben keinen mehr.“

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Zu Flasche Nummer drei und einem Sauvignon Blanc aus dem Norden Italiens, der dort von dem Winzer Silvio Jermann produziert wird. Der Jermann Sauvignon 2021 riecht verheißungsvoll, ist aber „nicht so gut wie die Jahrgänge 2020 und 2018“, sagt Scherb. Tatsächlich hat der Geschmack etwas Unvollendetes, fast Verhaltenes, das typische Stachelbeer-Aroma endet quasi auf halber Strecke, „und daran wird sich auch in ein paar Jahren nichts ändern“, sagt Kutej, der selbst einmal kurz davor war, auf einem Kreuzfahrtschiff anzuheuern. Die Pläne für einen Job auf der „Queen Mary 2“ waren schon fertig, als das Angebot kam, die Hanse Lounge am Hamburger Rathausmarkt zu übernehmen.

Marcel Scherb liebt die Arbeit auf dem Schiff, „gerade wenn die Wellen mal höher werden“. Er ist bis zu sechseinhalb Monate am Stück auf der MS „Europa“, hat eine eigene kleine Kabine und die Pflicht (andere würden sagen: das Privileg), jede Flasche Wein, die er an einen Gast ausschenkt, vorher probieren zu müssen. So ist es auch bei unserer vierten Flasche, dem einzigen Rotwein.

MS "Europa": Marcel Scherb liebt die Arbeit auf dem Schiff

Der Borsao Tres Picos 2019 bekommt vom Sommelier schon ein großes Lob, bevor er überhaupt im Glas ist: „Das ist ein toller Wein von Rebstöcken, die zwischen 35 und 100 Jahren alt sind“, sagt er. Er liebe das rauchige Aroma, den Duft und Geschmack von Brombeeren und Kirschen, dazu etwas Vanille. Einziges Problem: Der Wein hat mit 15,5 Prozent einen relativ hohen Alkoholgehalt, deshalb serviert ihn Scherb eher zu warm als zu kalt – auch wenn man Gästen das manchmal erklären müsse.

Die „Vier Flaschen können Sie sich auch unter www.abendblatt.de/podcast anhören oder auf dem YouTube-Kanal des Hamburger Abendblatts ansehen. Im Wechsel mit der bekannten, etwa 90 Minuten langen Folge gibt es alle zwei Wochen eine schnelle Variante: In maximal 9:59 Minuten testen Kutej, Haider und Leonhard eine Flasche Wein, die unter zehn Euro kosten muss und die am Ende mit Punkten von eins bis zehn bewertet wird.