Hamburg. Trotz des Todes von Gründer Horst Werner schien das Überleben des Kulturhauses gesichert – im Streit droht nun das Aus. Hintergründe.

Wer am Montag die Homepage der Fabrik der Künste (FdK) betrachtete, konnte denken, dort gehe alles seinen gewohnten Gang. Ein schönes Foto der August-Ausstellung „Position“ mit Werken von 18 neuen Mitgliedern des Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK), außerdem Hinweise auf die September-Ausstellung „Die Hunde des Aktaion“ des Künstlers André Krigar sowie auf Training und Aufführung des Bundesjugendballetts im Oktober. Alles wie immer?

Spätestens seit den Tumulten mit Polizeieinsatz bei der öffentlichen Trauerfeier für den verstorbenen Chef Horst Werner am Sonnabend auf dem Friedhof Ohlsdorf (das Abendblatt berichtete) wissen auch Außenstehende, dass im Haus für künstlerische Veranstaltungen im Stadtteil Hamm nichts mehr so ist, wie es war. Insbesondere nicht mehr so, wie es sich Horst Werner gewünscht hatte. Der Gründer, Besitzer und Betreiber der 2007 eröffneten Fabrik der Künste war Ende Juli im Alter von 85 Jahren gestorben.

Nach Friedhofs-Tumult: Was wird aus der Fabrik der Künste?

Als in der Kapelle 10 in Ohlsdorf nach dem offiziellen Trauerredner – bestellt von Horst Werners Generalbevollmächtigtem Dr. Kai L. – das Patenkind des Gründers, Lara U., zur derzeitigen Situation und zur Zukunft der FdK sprechen wollte, versuchte Kai L. sie mithilfe von Sicherheitsleuten am Weiterreden zu hindern – die 32-Jährige ist als zukünftige Gesellschafterin der FdK vorgesehen. Das Vorgehen von Kai L. sorgte bei vielen der rund 150 Trauergäste für Empörung, es folgten Szenen wie in einem schlechten Film. Horst Werners Erbe droht nun in einem Rechts- und Familienstreit zerrieben zu werden. Was aber sind die Hintergründe?

Bereits am 26. August waren, im Auftrag des Generalbevollmächtigten L., die Schlösser der Fabrik der Künste ausgetauscht worden, L. war vor Werners Tod dessen Steuerberater. Das Team der Fa­brik der Künste hat seitdem Hausverbot.

Horst Werner vertraute seinen Mitarbeitern

Seit Jahren hatte Horst Werner einen Stamm von Mitarbeitern um sich geschart, denen er voll vertraute. Inzwischen hat der Generalbevollmächtigte vier der fünf Festangestellten der von Werner gegründeten gemeinnützigen GmbH gekündigt, darunter Werners Stieftochter. Eine fünfte Angestellte wurde freigestellt. Die Stieftochter und die künstlerische Leiterin waren von Werner waren mit Prokura ausgestattet worden. Am 5. August habe es noch eine Betriebsversammlung gegeben, berichtete der von der Kanzlei L. beauftragte PR-Berater Jörg Forthmann. Die Mitarbeiter hätten einen Gehaltsverzicht angeboten, L. habe das abgelehnt. „Horst Werner hatte ein beträchtliches Vermögen“, sagt Forthmann, „aber die GmbH verfügt über zu wenig Liquidität.“ So lautete die Feststellung Kai L.s – der Grund für die Kündigungen.

Mit dem Geld, das der studierte Grafiker Werner nach der Jahrtausendwende durch die Übernahme seiner Firmen für Autoteile von einem großen Automobilzulieferer bekommen hatte, hatte er die frühere Seilerei zur Fabrik der Künste umbauen lassen. Werner holte namhafte Künstler nach Hamburg, etwa den Wiener Surrealisten Ernst Fuchs, den Schweizer Maler und Zeichner sowie Oscar-Preisträger HR Giger („Alien“) und mehrmals Bruno Bruni. Bis Mitte August erfreute sich die Ausstellung „40 Jahre Pressefotografie“ eines großen Zuspruchs. Die Behörde für Kultur und Medien unterstützte das Projekt mit 6000 Euro; weitere namhafte Sponsoren warten jetzt auf eine Spendenbescheinigung durch die gGmbH, die den vier ausstellenden Fotografen vom Generalbevollmächtigten zugesagt worden war.

Horst Werner ordnete Immobilienbesitz neu: Es geht um viele Millionen

Der Journalist Karl Günther Barth, langjähriger Freund des verstorbenen FdK-Gründers und früherer stellvertretender Abendblatt-Chefredakteur, hat als Pensionär ehrenamtlich als Berater für die Fabrik der Künste und an Konzepten für Ausstellungen mitgearbeitet. Er sagt: „Horst Werner wollte im Prinzip fast sein ganzes Vermögen der Fabrik der Künste vermachen.“

Dafür hatte er seinen Immobilienbesitz neu geordnet, und da gehe es, so Barth, um viele Millionen Euro. Aus diesen Einnahmen sollte die Existenz der Fabrik der Künste gesichert werden. Horst Werner habe ihm noch wenige Wochen vor seinem Tod versichert, dass damit der Fortbestand der Fabrik der Künste und die Beschäftigung der Angestellten gesichert sei. „Ich bin in tiefer Sorge, dass die Idee der Fabrik der Künste durch die Handlungen des Generalbevollmächtigten mit begraben wird für ein bloßes Streben nach Gewinn“, befürchtet Barth.

Maler André Krigar fühlt sich wie vor den Kopf gestoßen

„Horst hat die Fabrik auch so angelegt, dass es dort zum kulturellen und gesellschaftspolitischen Austausch kommt“, meint Barth. Auf zwei Etagen und etwa 500 Quadratmetern entstand ein moderner Veranstaltungskomplex auch für Konzerte, Schauspiel, Lesungen und Tanz. Das Bundesjugendballett etwa konnte zu mäzenatischen Bedingungen proben und tanzen. Im Sinne seines Freundes sagt Barth: „Die Fabrik der Künste ist weder eine Schraubenfabrik noch eine Immobilie, aus der man höchstmöglichen Gewinn zieht.“ Die Büro- und Verwaltungsfläche indes steht bereits zur Vermietung – für 2850 Euro Kaltmiete pro Monat.

Der Maler André Krigar fühlt sich wie vor den Kopf gestoßen. Erst am 31. August hatte der Berliner erfahren, dass seine Ausstellung „Die Hunde des Aktaion“ (über griechische Mythologie) in der Fa­brik der Künste nicht stattfinden wird. Die Schau sollte vom 5. bis 25. September dauern. Den Transporter zur Beförderung rund 100 seiner Werke hatte Krigar für den 1. September bestellt, bereits ein Buch (Kosten: mehr als 10.000 Euro) zur Ausstellung drucken lassen. „Auf Wunsch der Familie und aus Gründen der Pietät“, so Jörg Forthmann, habe der Generalbevollmächtigte Krigars Ausstellung abgesagt. Dann kam es am Sonnabend auf dem Ohlsdorfer Friedhof bei der Trauerfeier Horst Werners zum Eklat.

Horst Werner ist tot: Trauer um Chef der Fabrik der Künste

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  • „Die Sache mit den Pietätsgründen empfinde ich als eine respektlose Ausrede gegenüber dem Verstorbenen, da diesem sicher der Weiterbetrieb sehr am Herzen lag“, meint Krigar. „Wenn ich nicht in die Fabrik der Künste komme, ist das für mich lästig. Aber dass nicht mal mehr Horst Werners Verwandte dort hineinkommen, ist ein Skandal“, sagte Krigar. Für den Künstler geht es bei der abgesagten Schau „um eine erhebliche Summe“. Er erwägt, auf Schadensersatz zu klagen.

    Horst Werners Testament: Alleinerbe ist die Fabrik der Künste

    Wie der Generalbevollmächtigte Kai L. damit und mit der Fabrik der Künste verfahren will, ist noch offen. Noch gibt es keinen Termin für die Testamentseröffnung. L. hat laut seinem PR-Berater Forthmann den Termin beim zuständigen Nachlassgericht beantragt. Und L. werde jetzt Horst Werners Sohn Michael (aus erster Ehe) mit der Geschäftsführung der gGmbH betrauen. Michael Werner habe eine Hälfte des Stiftungskapitals eingebracht, so PR-Berater Forthmann.

    Michael Werner hat bisher nur für wenige Stunden pro Woche mitgearbeitet und gehörte nicht zum festen Team. So oder so: Im handschriftlich verfügten letzten Willen Horst Werners – das Abendblatt konnte das Testament einsehen – hat der Gründer einen Alleinerben bestimmt: seine Fabrik der Künste.