Hamburg. Jugendliche, die in Hamburg bewusstlos aufgefunden wurden, sollen Oxycodon genommen haben – ein Mittel mit Suchtpotenzial.

Inzwischen sind sich die Ermittler relativ sicher: Es war das Mittel Oxycodon, das drei Jugendliche vergangenen Donnerstag auf einem Spielplatz nahe der Schule am Krohnstieg geschluckt hatten. Passanten hatten die beiden 17-Jährigen und eine 14-Jährige bewusstlos aufgefunden und daraufhin die Rettungskräfte alarmiert. Ein 17-Jähriger musste reanimiert werden.

Der Kriminologe Wolf-Reinhard Kemper von der Leuphana Universität in Lüneburg schließt nicht aus, dass Filme Jugendliche zum Konsum der Droge inspiriert haben. Erst im vergangenen Jahr war über einen Streamingdienst eine Serie zu sehen, die sich mit den Folgen des Missbrauchs dieses Medikamentes in den USA beschäftigt.

Polizei Hamburg: Teeanger für Drogenersatz empfänglich

„Kids wie in Langenhorn sind oft auf der Suche nach billigem Ersatz für klassische Drogen wie Kokain“, sagt Kemper. Wird in der Szene über einen neuen Drogenersatz gesprochen, seien sie dafür empfänglich. „Sie hören nur, dass das Medikament richtig ballert. Sie fragen sich in ihrer Naivität aber nicht, warum es das tut. Die Jugendlichen können das Risiko nicht im Geringsten abschätzen“, so Kemper.

Oxycodon ist ein solches Medikament. Es wurde bereits 1916 in Frankfurt erfunden und ist ein voll synthetisches Opioid, das als sehr wirksames Schmerzmittel eingesetzt wird. Richtig dosiert bringt es für Schwerkranke mit starken Schmerzen eine Verbesserung ihrer Situation.

Missbrauch des Medikaments nimmt zu

Um den „Kick“ zu erleben, den Jugendliche durch die Einnahme erreichen wollen, muss man laut Kemper das Medikament aber in einer Überdosis zu sich nehmen. Weil der Wirkstoff körpereigenen Botenstoffe sehr nahe kommt, tritt die Wirkung schnell ein. Zudem, so der Kriminologe Kemper, wirke ein Medikament in Tablettenform auf die Jugendlichen „sauber“ – ganz im Gegensatz zu Heroin, das zu einem schmierig, dunklen Sud aufgekocht und gespritzt werden muss.

Oxycodon wird normalerweise als sehr wirksames Schmerzmittel eingesetzt (Symbolbild).
Oxycodon wird normalerweise als sehr wirksames Schmerzmittel eingesetzt (Symbolbild). © imago images/ANP | via www.imago-images.de

In Hamburg stellt er eine Zunahme des Missbrauchs dieses Medikaments Oxycodon seit etwa einem Jahr fest. Im vergangenen Jahr erschien die Serie „Dopesick“, hochkarätig mit Michael Keaton besetzt. 2021 kam auch der Film „Crisis“ in Deutschland heraus, der sich mit dem Opioid beschäftigte.

Viele Patienten von Oxycontin abhängig

Das Thema: In den USA war das Medikament Oxycontin inflationär verschrieben worden. Viele Patienten wurden abhängig. Eine halbe Million Menschen starb in der sogenannten Opioid-Krise, die dort bereits in den 1990er-Jahren begann. Mittlerweile ist der Hersteller des Medikaments Oxycontin, das Unternehmen Purdue, insolvent. Die Familie, der Purdue seit 1952 gehörte, musste 4,5 Milliarden Dollar für Entschädigungen zahlen. Tausende Betroffene hatten geklagt.

Vor allem die aggressive Verbreitungsstrategie des Unternehmens hatte den Klägern in die Hände gespielt. So hatten Pharmaver­treter für den Verkauf des Medikaments ungewöhnlich hohe Prämien bekommen. Gleichzeitig hatte man eine Kampagne initiiert, die die Schmerzbehandlung im Sinne des Pharmaherstellers beeinflusste.

Polizei Hamburg: Mann bei Drogenparty verstorben

Den drei Jugendlichen, die auf dem Langenhorner Spielplatz gefunden wurden, geht es inzwischen besser. Alle waren in ein Krankenhaus gekommen. Der 17-Jährige, der reanimiert werden musste, war schnell außer Lebensgefahr.Zwei Tage zuvor war ein 22-Jähriger bei einer Drogenparty in einem Hotelzimmer auf der Reeperbahn verstorben. Zwei 19 und 21 Jahre alte Männer und ein 13 Jahre altes Mädchen mussten wegen einer Überdosis ins Krankenhaus. Ein vierter Mann (20), der in dem Hotelzimmer war, hatte den Tod des 22-Jährigen bemerkt und Rettungskräfte gerufen.

Offenbar waren in dem Zimmer über Tage Drogen konsumiert worden. Polizisten hatten mehrere Substanzen entdeckt, bei denen es sich laut Schnelltests um Kokain­ und Marihuana handelte. Da­neben wurden auch Alkohol und Tabletten sichergestellt. Ob und um welche Art von Medikamenten es sich handelte, wurde bislang nicht bekannt.Oft werden in der Szene aber Medikamente eingenommen, um nach dem Konsum aufputschender Drogen wieder zur Ruhe zu kommen.