Hamburg. Am 7. September wird der Panikrocker von Hamburg in einen illustren Kreis aufgenommen. Dort erfreut er sich bester Gesellschaft.
Als Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher vor mehr als einem Jahr dem selbst ernannten Panikrocker Udo Lindenberg zum 75. Geburtstag gratulierte, hatte er ein Geschenk angekündigt, das nun, am 7. September, endlich überreicht werden soll: die Ernennungsurkunde zum Ehrenbürger der Freien und Hansestadt Hamburg.
Lindenberg, der sich in vielerlei Hinsicht um die Stadt verdient gemacht hat, wird im Anschluss an die Abstimmung der Bürgerschaft über den entsprechenden Senatsantrag mit einem Festakt im Rathaus geehrt. Denn er sei, so Tschentscher , „einer der bedeutendsten Musiker unserer Zeit“. Udos Werk und seine Biografie seien eng mit Hamburg und Norddeutschland verbunden, auch wenn er ursprünglich aus Gronau in Westfalen kommt.
Rathaus: Udo Lindenberg wird zum Ehrenbürger
Dass Lindenberg einmal zum Ehrenbürger ernannt werden würde, hatten viele Fans seit Jahren gehofft. Doch hat sich die Sache etwas gezogen, nicht nur wegen der Corona-Pandemie, sondern auch, weil man zuerst eine Frau nominieren wollte. Nun aber darf sich Lindenberg bald einreihen in eine illustre Liste von Persönlichkeiten, die für Hamburg eine ganz besondere Rolle spielen – oder gespielt haben. Bei der Ehrenbürgerschaft handelt es sich laut Senatskanzlei „um die höchste Ehrenbezeugung, die die Freie und Hansestadt Hamburg zu vergeben hat; Rechte und Pflichten entstehen hierdurch nicht“.
Die Tradition, Persönlichkeiten mit einer solchen Ehrenbürgerwürde zu belohnen, geht auf das Jahr 1813 zurück, als erstmals vom Senat eine derartige Belobigung vollzogen wurde. Zuteil wurde sie dem Baron Friedrich Karl von Tettenborn, weil er als Oberst der russischen Armee maßgeblich an der „Befreiung Hamburgs von dem Joche der Fremdherrschaft durch die Franzosen“ beteiligt gewesen war. Drei Jahre später folgte mit Gebhard Leberecht von Blücher der Generalfeldmarschall der preußischen Armee für seinen Anteil am Sieg in der Schlacht von Waterloo.
Vor 1948 wurden nur Nicht-Hamburger zu Ehrenbürgern
Man könnte meinen, dass für die Verleihung des Ehrenbürgerrechts irgendwo einmal klare Richtlinien formuliert worden sind, die Verantwortliche wie eine Checkliste durchgehen könnten. Dem ist aber nicht so. Tatsächlich gibt es keinerlei schriftliche Bestimmungen, sondern nur eine Art Gewohnheitsrecht. Klar ist lediglich: Die Initiative geht immer vom Senat aus – und wurde anfangs auch nur von ihm allein in die Tat umgesetzt. Seit 1834 war dann die Mitbestimmung der Bürgerschaft gewünscht, nach 1890 sogar zwingend erforderlich – auch, um der Ehrung noch mehr Gewicht zu geben.
Bis zum Jahr 1948 wurden ausschließlich Nicht-Hamburger mit dem Titel „Ehrenbürger“ ausgezeichnet. Dahinter steckte noch ein wenig der mittelalterliche Gedanke, mit der Ernennung jenen Menschen einen besonderen Status zu verleihen, die als auswärtige Künstler, Gelehrte oder Diplomaten zwar dem Wohle einer Stadt dienten, dort selbst aber gar nicht als Bürger galten, sondern höchstens als Gäste. Doch dann wollte die Stadt dem Senator a. D. Henry Everling, der vor allem das Genossenschaftswesen in Hamburg vorangebracht hatte, zum 75. Geburtstag eine besondere Reverenz erweisen.
Kirsten Boie zur Ehrenbürgerin Hamburgs ernannt
Deshalb wurde entschieden, dass fortan auch Hamburgern das Ehrenbürgerrecht gewährt werden kann, wenn deren Leistungen so groß sind, dass sie über die Grenzen der Stadt eine hohe Bedeutung haben. Mit dieser Definition grenzt sich die Ehrenbürgerwürde laut Senatskanzlei von der Bürgermeister-Stolten-Medaille ab, die für Verdienste von Mitbürgern um die Hansestadt Hamburg selbst verliehen wird.
Dass Lindenberg nun endlich die erhoffte Auszeichnung bekommen kann, hat er auch Kirsten Boie ein Stück weit zu verdanken. Die bekannte Kinder- und Jugendbuchautorin wurde am 18. Dezember 2019 zur Ehrenbürgerin Hamburgs ernannt, sodass nun niemand mehr fordern konnte, es müsse vor Udo noch eine Frau bedacht werden. Das war zum Glück keine Konzessionsentscheidung, sondern im Falle Boie völlig verdient, schließlich hat sie schon rund 100 Kinder- und Jugendbücher verfasst und unterstützt zudem die Leseförderung von Kindern.
Adolf Hitler wurde Auszeichnung entzogen
2007 bekam sie dafür den Deutschen Jugendliteraturpreis und 2011 das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland. „Bürgermeister Peter Tschentscher verwies beim Festakt darauf, dass die Ehrenbürgerwürde erst viermal an eine Frau und mit Johannes Brahms, Ida Ehre, Siegfried Lenz und John Neumeier auch erst viermal an eine Persönlichkeit aus dem Bereich der Kunst und Kultur verliehen worden sei“, notierte das Abendblatt damals in seiner Berichterstattung.
Überhaupt ist die Liste der bisherigen Ehrenbürger Hamburgs vergleichsweise kurz – erst recht wenn man jene beiden Namen weglässt, denen die Auszeichnung aus nachvollziehbaren Gründen im Juni 1945 wieder entzogen worden ist: Adolf Hitler (damals schon tot) und Hermann Göring (Suizid im Oktober 1946). Die beiden Nazi-Größen hatten in den Jahren 1933 (Hitler) und 1937 (Göring) den Ehrenbürgertitel verliehen bekommen.
„Ich bleibe gelassen und warte ab“
Der Rest der Ausgezeichneten liest sich jedoch wie ein Who’s Who der Stadt und erinnert manchen schmerzlich daran, dass auch viele großartige Ehrenbürger heute nicht mehr leben. Jüngst verstorben ist zum Beispiel Fußball-Idol Uwe Seeler, der seit November 2003 Ehrenbürger war und in Norderstedt, also Schleswig-Holstein, wohnte.
Als Seeler, mit damals 66 Jahren, im März desselben Jahres aus dem Abendblatt erfuhr, was der Senat mit ihm vorhatte, reagierte er zunächst gelassen: „Ich bleibe gelassen und warte ab.“ Die Stadtoberen wählten Seeler nicht nur wegen seiner sportlichen Erfolge aus, sondern ebenso wegen seiner Vorbildfunktion: „Fairness, Ehrgeiz, Menschlichkeit und Volksnähe. Von diesem guten Ruf seines sportlichen Aushängeschildes profitiert bis heute auch die Stadt“, schrieb unser Reporter.
Hamburger Rathaus: Gerd Bucerius bereits verstorben
Zu den bereits verstorbenen „jüngeren“ Ehrenbürgern gehören auf der insgesamt nur 36 Namen zählenden Liste auch Loki (2009) und Helmut Schmidt (1983), der Schriftsteller Siegfried Lenz (2001), die ehemalige „Zeit“-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff (1999), die Verleger Gerd Bucerius (1986) und Rudolf Augstein (1993), die Unternehmer und Mäzene Kurt A. Körber und Alfred Toepfer (beide 1991) und Helmut Greve (2005), die Intendantin Ida Ehre (1985) sowie der SPD-Politiker Herbert Wehner (1986).
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Im Hamburger Übersee-Club, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden ist, wird es am 6. Dezember ein Treffen der noch lebenden Ehrenbürger Hamburgs geben: Neben Kisten Boie sind das der weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte und geschätzte Unternehmer Michael Otto (seit 2013) und der Ballett-Choreograf John Neumeier (seit 2007). Nicht dabei sein kann aus gesundheitlichen Gründen Hannelore Greve (seit 2005). Aber vielleicht kommt ja statt ihrer Udo Lindenberg in den ehrwürdigen Club an der Binnenalster. Einladen werde man ihn auf jeden Fall, heißt es dort.
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