Hamburg. Der „König von Hamburg“ hinterließ in der Stadt viele Spuren – bis er vor den Nazis fliehen musste. Über sein vielfältiges Engagement.

Er war nicht der Einzige, der Hamburgs Tor zur Welt aufstieß, aber wie kaum ein Zweiter hat der Bankier Max M. Warburg dafür gesorgt, dass es sich immer weiter öffnen konnte und über Jahrzehnte auch offen blieb. Warburg war um 1900 mutmaßlich der finanziell reichste Hamburger – und auch der wohl einflussreichste in internationalen Kreisen aus Wirtschaft und Politik.

Den „König von Hamburg“ hat man ihn damals genannt, aber der enorme Einsatz für seine Geburtsstadt wurde ihm und seiner Familie übel vergolten. Warburg musste 1938 ins Exil gehen und starb 1946 in New York. Mögen es seine Verfolger damals auch angestrebt haben, gelungen ist es ihnen nicht: Warburg, der auch Initiator des Übersee-Clubs war, geriet keineswegs in Vergessenheit. An seinen Namen und seine Verdienste wird heute in Hamburg auf vielfache Weise erinnert.

100 Jahre Übersee-Club: Warburg in Hamburg geboren

Max Warburg (der abgekürzte zweite Vorname Moritz wird oft weggelassen) wurde 1867 in Hamburg in eine wohlhabende jüdische Familie geboren. Sein Vater Moritz Max war Teilhaber der Bank M. M. Warburg & CO, die ihren Sitz nach wie vor an der Alster hat. Von seiner Mutter Charlotte betont religiös erzogen, besuchte er gleichwohl ein staatliches Realgymnasium, das er 1886 mit dem Abi­tur­ abschloss.

Nach Lehrjahren in diversen Banken, unter anderem in Paris und London, kehrte er nach Hamburg zurück und trat 1893 in vierter Generation als Teilhaber in das Bankhaus M. M. Warburg ein. Sein Bruder Aby hatte bekanntlich auf seine Rechte als Erstgeborener verzichtet und sich stattdessen geisteswissenschaftlichen Studien zugewandt.

Warburg machte das Bankhaus zur Nummer eins in Hamburg

Binnen relativ kurzer Zeit gelang es Max Warburg, das Bankhaus zur Nummer eins in Hamburg und zu einer der ersten Adressen in der internationalen Finanzwelt zu machen. Wie die Biografin Ina Lorenz schreibt, sah sich Warburg von der Jahrhundertwende an zudem verpflichtet, für das Gemeinwohl persönlich Verantwortung zu übernehmen. Trotz der oftmals aufreibenden Arbeit in der Bank war er zeitweise Handelsrichter und Mitglied im Vorstand der Hamburger Wertpapierbörse.

Das Bankhaus M. M. Warburg – heute wegen Cum-Ex in den Schlagzeilen – war mal führend in Hamburg. A.
Das Bankhaus M. M. Warburg – heute wegen Cum-Ex in den Schlagzeilen – war mal führend in Hamburg. A. © Andreas Laible / FUNKE Foto Services

Von 1904 bis 1919 gehörte er der Hamburgischen Bürgerschaft an. Mit seinem vielfältigen Engagement wollte er nach außen Vorbild sein – und auch innerhalb der Familie. Vom Abendblatt befragt, erläutert der Warburg-Enkel Max Warburg jr. diese Haltung so: „Mein Großvater war sehr familienorientiert. Das hieß für ihn aber nicht häusliche Abschottung. Vielmehr wollte er als Oberhaupt nach innen und nach außen ein Vorbild für die Familie sein, auch im Hinblick auf das Tragen von Verantwortung und das Bekenntnis zu bestimmten Werten, nicht zuletzt die Sozialpflichtigkeit des Eigentums.“

Warburg unterstützte die Kolonialaktivitäten

Politisch wurde Warburg dem linken Zentrum zugerechnet, die SPD-Zeitung „Vorwärts“ bezeichnete ihn gar als „Bankphilosophen“. Doch bei seinen finanzpolitischen Aktivitäten erwies er sich über Jahrzehnte klar als Wertkonservativer, der mit der Politik des Kaiserreichs auf Kurs blieb, dabei aber weit in die Zukunft dachte und plante.

Entschlossen unterstützte er die Kolonialaktivitäten des Reichs, indem er unter anderem die Einrichtung des Kolonial­instituts in Hamburg – aus dem 1919 das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv hervorging – und die Gründung der Hamburg-Marokko-Gesellschaft forcierte. Die Flottenpolitik finanzierte er in erheblichem Maße mit, sah aber, wie auch sein Freund Albert Ballin, deren Auswüchse zunehmend mit Sorge.

Max Warburg war ein Hamburger Patriot

Warburgs unermüdliches Engagement ist nicht erklärbar, ohne an seinen Patriotismus zu erinnern. Vom Naturell her ein Mann der Tat, war er dabei sowohl hanseatisch und pflichtbewusst als auch weltläufig und liberal. In dem Buch „Die Warburgs – Odyssee einer Familie“ zitiert der Autor Ron Chernow aus einem Brief, den Max Warburg an Verwandte in den USA schrieb.

Danach kenne er „wenigstens in Europa keinen Aufenthalt, in dem ich mich freier fühle als in Deutschland“. Warburg war davon überzeugt, dass die vollständige Integration von Juden in die deutsche Gesellschaft möglich sei – in einer sich liberal und weltoffen gebenden Stadt wie Hamburg allemal. Laut Chernow verkörperte er dabei „rastlose Energie und blinden Optimismus des Reichs“.

„Mein Großvater war durch und durch Hamburger"

Seine internationale Aktivitäten entsprachen – das wird oft übersehen – auch stets den Zielen der Heimatstadt. „Mein Großvater war durch und durch Hamburger und zugleich deutscher Patriot“, so Max Warburg jr. „Als überzeugter Hanseat hatte sein Patriotismus freilich stets auch eine globale Blickrichtung.“

Warburg sah sich ein Leben lang der Religion und Tradition seiner jüdischen Herkunft verpflichtet. Unter anderem war er Vorsitzender des Deutsch-Israelitischen Waisenhauses, Mitglied im Vorstand der Talmud-Tora-Schule und Vorsitzender des Hamburger Ortskomitees der Akademie für Wissenschaft vom Judentum.

Niederlage im Ersten Weltkrieg erschütterte die Familie

Die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg hatte die Warburg-Familie schwer erschüttert. Bei den Friedensverhandlungen von Versailles gehörte Max Warburg sofort mit sehr viel Engagement zu den Beratern der deutschen Delegation. Immer wieder ist zu lesen, dass es bein­harte Nationalisten, Revanchisten und sonstige „Rechte“ waren, die damals die Vertragsunterzeichnung strikt ablehnten.

Max (l.), Aby (M.) und Paul Warburg auf einem Spaziergang  im Jahr 1930.
Max (l.), Aby (M.) und Paul Warburg auf einem Spaziergang im Jahr 1930. © ullstein bild

Faktisch umfasste diese Ablehnung aber ein sehr breites gesellschaftliches Spektrum. Finanzexperten und Kosmopoliten wie Max Warburg und Carl Melchior sahen zum einen die Gefahren der harten Friedensbedingungen für das internationale Wirtschaftsgeflecht, zum anderen antizipierten sie wohl auch, dass die Umsetzung der im Vertrag festgeschriebenen Punkte verheerende wirtschaftliche Folgen für Deutschland und, damit verbunden, hohes gesellschaftliches Konfliktpotenzial bringen würden.

Warburg für Ratifizierung verantwortlich gemacht

Tragischerweise wurden die Juden Warburg und Melchior dann nach der Vertragsunterzeichnung von Nationalisten für die Ratifizierung verantwortlich gemacht. Und auch sonst bekam Max Warburg die Veränderung des gesellschaftlichen Klimas deutlich zu spüren. Immer offensiver wurde den Juden eine Mitschuld am Krieg zugeschoben, an dem sie – so wurde es immer unverhohlener kolportiert – auch noch mitverdient hätten.

Die ihm mehrfach angetragenen Ministerämter lehnte er schließlich ebenso ab wie die Berufung zum Reichsbankpräsidenten. Dorothea Hauser schreibt in „Deutsche Bankiers des 20. Jahrhunderts“ über Max Warburgs Sicht der Dinge: „Die Deutschen, meinte er schon Ende 1918, würden ,nie und nimmer einen jüdischen Finanzminister hinnehmen‘, während zugleich ,die Sozialdemokraten, so ausgezeichnet ich mit einigen von ihnen stehe, in mir einen Vertreter des Kapitalismus sehen‘.“

Max Warburg kämpfte immer weiter

Doch trotz aller Anfeindungen resignierte Max Warburg über viele Jahre – noch – nicht. Er kämpfte weiter, auch und gerade für Hamburg. Ein großes, immer wieder thematisiertes Ärgernis war es für ihn, wenn sich Politiker ohne entsprechende Kenntnisse als Finanzexperten aufspielten. Der Bankier konnte darauf aber auch mit dem für ihn typischen fatalistischen Humor reagieren, zum Beispiel mit folgendem überlieferten Bonmot: „Heute redet mancher wie ein Sachverständiger über Valuta, für den Valuta früher nur ein schöner Mädchenname war.“

Der Übersee-Club sollte von Anfang an ein Sprechsaal und Ort des Gedankenaustauschs sein.
Der Übersee-Club sollte von Anfang an ein Sprechsaal und Ort des Gedankenaustauschs sein. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Als Max Warburg den Übersee-Club 1922 als „Gesellschaft für wirtschaftlichen Aufbau und Auslandskunde“ ins Leben rief, ging es ihm primär um die „Pflege auswärtiger Beziehungen weltwirtschaftlicher Natur“. Misstrauen sollte abgebaut und an alte Verbindungen aus der Vorkriegszeit angeknüpft werden. Für „Neues Denken“ und Freihandel wurde geworben, für „Verständnis für Deutschland im Auslande“ und zunächst auch für „die Pflege der kolonialen Bestrebungen“.

Max Warburg konnte Eröffnungsrede nicht selbst halten

Max Warburg konnte die Eröffnungsrede im Club nicht selbst halten. Nach der Ermordung von Außenminister Walter Rathenau durch die rechtsradikale „Organisation Consul“ im selben Jahr war auch sein Name auf deren Todesliste aufgetaucht. Warburg ging für mehrere Monate in die USA, den Text verlas schließlich stellvertretend Oberlandesgerichtsrat Wolfgang Fehling. An dieser Rede ist vieles bemerkenswert – unter anderem ihr unverdrossener Patriotismus.

„Echte Vaterlandsliebe beweist sich an den Opfern, die um des größeren nationalen Zieles willen gebracht werden“, ließ Warburg verlauten, „aber ist es denn überhaupt ein Opfer (...), wenn Deutschland seinem Hamburg, dem wichtigsten Aus- und Einfalltor seiner Wirtschaft, das gibt, was es braucht, um wiederum Deutschland geben zu können, was es im Wettbewerb mit fremden Häfen (...) erringen soll?“

Warburg sprach sich für freie Politik aus

Und weiter: „Der Übersee-Club soll unser Instrument sein, um der Außenwelt das Gesicht des ungebrochenen deutschen Kaufmanns zu zeigen, der in ehrlicher, stolzer Arbeit seinen Platz auch in dieser Zeit beansprucht.“

Warburg, der im Vortrag vom „Diktat von Versailles“ sprach, machte sich für den Welthandel stark, stellte aber klar: „Freier Handel aber erfordert freie Politik und Abwehr aller Knebelungsversuche des Auslandes. Denn die friedliche Zusammenarbeit der Völker setzt voraus, dass nicht ein Volk allein bedroht wird durch die Rüstungen der anderen, sondern dass alle durch gleichmäßige Abrüstung auf den gleichen Stand der Wehrhaftigkeit gebracht werden.“

Nach 1933 half Max M. Warburg Zehntausenden Juden bei der Flucht

Im Oktober desselben Jahres erschien in den „Hamburger Nachrichten“ ein Aufruf, in dem namhafte Persönlichkeiten die andauernde Verleumdung Warburgs und die damit verbundene antisemitische Hetze scharf verurteilten. Unterschrieben war er unter anderem von Angehörigen der Familien Ruperti, de Chapeaurouge und Berenberg-Gossler sowie von Handelskammer-Präses Franz Heinrich Witthoefft. Doch von der Solidarität blieb schließlich nicht mehr viel übrig. Nach 1933 musste Max Warburg den Verlust zahlreicher persönlicher Verbindungen und öffentlicher Ämter hinnehmen, sukzessive folgte das Ende der wirtschaftlichen Betätigung und die drastische Beschränkung der persönlichen Freiheit.

Über seine leitenden Funktionen in jüdischen Organisationen unterstützte er Auswanderungen nach Palästina und in andere Länder. „Während der NS-Zeit hat er nicht nur die eigene Familie in Sicherheit gebracht, sondern seine Familie und seine Bank ganz in den Dienst der jüdischen Selbsthilfe gestellt“, so Max Warburg jr. zum Abendblatt. „Dank seiner Initiative und Unterstützung konnten zwischen siebzig- und hunderttausend Menschen aus Nazi-Deutschland fliehen.“

100 Jahre Übersee-Club: Warburg emigrierte 1938

1938 emigrierte auch Max Warburg mit seiner Frau Alice nach New York, wo er 1946 starb. „Sein“ Hamburg hatte er nicht mehr wiedergesehen. Der Sohn Eric M. Warburg allerdings kam zurück, ebenso sein Enkel, der heute noch Teilhaber von M. M. Warburg & CO ist.