Hamburg. Nach dem Lkw-Unfall an den Elbbrücken wurden die Ersatzverkehre massiv verstärkt. Doch die S-Bahnen sind kaum zu ersetzen.

Es ist ein Geschiebe und Gedränge, ein Gedulds- und ein Nervenspiel – und das jeden Tag aufs Neue. Seit ein brennender Lkw am 8. August die S-Bahn-Brücke an den Elbbrücken schwer beschädigt hat, herrscht zwischen Harburg und der Innenstadt zumindest im Berufsverkehr morgens und abends Ausnahmezustand – und das ausgerechnet auf Hamburgs meistfrequentierter Bahnverbindung.

Aus Sicht von Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) wird damit einmal mehr deutlich, dass dieses Nadelöhr erweitert werden muss: „Der Lkw-Unfall an den Elbbrücken und seine Auswirkungen zeigen, dass Hamburg an einem verkehrlich neuralgischem Punkt weitere Elbquerungen für den Schienenverkehr benötigt“, sagte Tjarks dem Abendblatt. „Wir haben deshalb die Machbarkeitsstudie für eine zusätzliche Brücke über die Norder- und Süderelbe für den Fern- und Regionalverkehr auf den Weg gebracht. Zudem planen wir konkret an der Brücke der U 4 über die Norderelbe.“

S-Bahn Hamburg: Nur eine Bahn alle 20 Minuten

Diese soll die City mit dem neuen Stadtteil Grasbrook verbinden und perspektivisch weiter nach Süden verlängert werden. Geprüft wird auch die Machbarkeit einer weiteren westlichen Elbquerung auf Höhe des Elbtunnels, doch diese gilt als extrem teuer und zeitaufwendig und genießt daher im Senat keine sonderlich hohe Priorität.

Tjarks räumt ein, dass diese Überlegungen adhoc nicht helfen: „Der Unfall hat aber natürlich auch zu einer anstrengenden und ärgerlichen Situation für sehr viele Menschen auf ihrem Weg zur Arbeit geführt.“ Während sonst S 3 und S 31 im Fünfminutentakt über die Elbe düsen (und das in der Regel proppevoll), pendelt derzeit nur eine S-Bahn alle 20 Minuten zwischen Wilhelmsburg und Hammerbrook. Dort müssen die Fahrgäste jeweils umsteigen. Das ist umständlich, dauert, und die Kapazität ist gering.

Schienenersatzverkehr wurde verdoppelt

Daher gibt es zusätzliche Maßnahmen, die am Montag noch einmal erweitert wurden, wie Tjarks betont: Der Schienenersatzverkehr sei verdoppelt, andere Buslinien verstärkt und verlängert worden, der Metronom fahre nach dem Abschluss von Bauarbeiten teilweise wieder im Normalbetrieb und halte zusätzlich in Neugraben. Von Donnerstag an werde auch die Buslinie 13 bis zu den Elbbrücken verlängert, und Moia werde einen Shuttleservice anbieten.

„Diese Schienenersatzverkehre haben aktuell ausreichend Kapazität, und wir ermutigen die Menschen, diese alternativen Angebote zu nutzen, weil es gerade in den Bahnen und im Metronom weiterhin eng ist“, so Tjarks, der aber „Verbesserungsbedarf“ bei den Informationen der Fahrgäste sieht.

„Mit dem Bus dauert es einfach viel länger“

Das bestätigen die Eindrücke vor Ort. Dienstagmorgen, 8 Uhr, S-Bahn Harburg Rathaus: Viele Menschen warten auf den Zug Richtung Norden. Als der abfährt, ertönt eine Durchsage: „Nächster Halt: Heimfeld“. Die Fahrgäste sind sichtlich verwirrt, eigentlich sollten sie doch gleich in Harburg halten, und Heimfeld liegt in der Gegenrichtung. Plötzlich heißt es: „Nächster Halt: Neuwiedenthal“. Erneut wirken Fahrgäste irritiert. „Ach, lass den doch reden“, kommentiert ein Mann seelenruhig. Dass es auf dieser Strecke momentan etwas chaotisch zugeht, scheint ihn nicht zu überraschen. Wie geplant, hält die Bahn in Harburg und danach in Wilhelmsburg.

Der Bahnsteig ist nicht überfüllt aber die Menschen sind sichtlich genervt, teilweise aggressiv. Auf der Elbinsel müssen sie sich zwischen dem Pendelzug bis Hammerbrook und dem Schienenersatzverkehr bis zum Bahnhof Elbbrücken entscheiden. Die meisten wählen den Pendelzug. „Mit dem Bus dauert es einfach viel länger“, sagt Friedrich Brügge (27). Der Auszubildende ist mit dem Krisenmanagement unzufrieden: Vor allem würden ihn falsche Angaben an den Anzeigetafeln stören. Immerhin: In Wilhelmsburg stehen sechs Sicherheitskräfte, die auch Auskunft über den Schienenverkehr geben.

„Die Leute sind schon ziemlich aggressiv"

Berufsschüler Bennet (22) aus Heimfeld steht wegen der Probleme extra früher auf und steigt in Harburg von der S 3 in den Metronom um, der an diesem Tag aber auch 15 Minuten zu spät abfährt und voll ist: „Die Leute sind schon ziemlich aggressiv und pöbeln beim kleinsten Anlass los, so wie ein Mann, bei dem die Tür zum Waggon nicht gleich aufging.“

Kein Wunder: Wie die private Bahngesellschaft auf Anfrage mitteilte, komme es aufgrund von Bauarbeiten noch bis zum 23. September zu Einschränkungen zwischen Hamburg und Uelzen. Zudem leide man unter Fachkräftemangel und der Corona-Sommerwelle, sodass wegen der Personalnot regelmäßig ganze Züge ausfallen. Im Gegenzug sorge das 9-Euro-Ticket für erhöhte Nachfrage – und wenn dann noch Probleme bei der S-Bahn in Hamburg die Fahrgäste in den Metronom treiben, geht halt irgendwann nichts mehr.

S-Bahn Hamburg: Ersatzangebot füllt Lücke nicht

Ein Sprecher der Deutschen Bahn, die auch die S-Bahn betreibt, bestätigt: „Auch das nochmals verstärkte Ersatzangebot kann den regulären fünfminütigen S-Bahn-Verkehr auf der Strecke nicht eins zu eins ersetzen.“ Dabei verzeichne man derzeit sogar nur etwa 90 Prozent des üblichen Fahrgastaufkommens – wer kann, bleibt wohl im Homeoffice oder fährt Auto oder Rad. Immerhin: Die Bahn geht weiterhin davon aus, dass die beschädigte Brücke bis zum 18. September provisorisch repariert werden kann – dann können die S-Bahnen wieder durchfahren.