Hamburg. Kamil E. soll seine Ehefrau mit einem Messer angegriffen und verletzt haben. Seit 1999 fehlt von seiner Tochter Hilal jede Spur.
Der Fall bewegt noch immer viele Menschen in Hamburg: Im Jahr 1999 verschwand die damals zehnjährige Hilal E. spurlos. Eine groß angelegte, jahrelange Suchaktion brachte keine Erkenntnisse über den Verbleib der Schülerin. Am Dienstag begann der Prozess gegen den 57-jährigen Kamil E. Er wird beschuldigt, seine Ehefrau Ayla in der gemeinsamen Wohnung in Bahrenfeld mit einem Messer angegriffen zu haben.
Sie erlitt dabei Schnittverletzungen an den Händen – genau wie Tochter Fatma, die der Mutter zu Hilfe gekommen war. Die Anklage lautet auf „versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“. Kamil E. ist der Vater der verschwundenen Hilal – eine Tatsache, die im Gericht zur Sprache kam und die möglicherweise mit der Messerattacke in Zusammenhang gebracht werden kann.
Prozess Hamburg: Verschwinden Hilals belastete Ehe
Denn in einer von seiner Verteidigerin Gül Pinar vorgelesenen Erklärung schilderte Kamil, wie das Verschwinden Hilals und die jahrelange Ungewissheit die ohnehin schon stark zerrüttete Ehe weiter belastet hätten. Nach Darstellung E.s sei die Ehe mit der ein Jahr jüngeren Ayla von seinem Vater arrangiert worden. Das Paar habe sich nicht gekannt und nicht geliebt. Nach der Geburt von drei „großartigen“ Kindern habe man sich dann doch arrangiert und beschlossen, zusammenzubleiben. Er habe seine Frau schließlich „lieben gelernt“.
„Mit dem Verschwinden Hilals änderte sich unser Leben dann für immer“, so die Erklärung. Die Familie habe bis heute keinen Frieden gefunden. Alle Familienmitglieder seien von starken Verlustängsten gequält, täglich gebe es deshalb gegenseitige Telefonanrufe. Ehefrau Ayla sei manchmal apathisch gewesen, sodass E. und die Kinder sie im Haushalt viel unterstützt hätten. „Ich konnte ihr nichts recht machen, immer hatte sie etwas auszusetzen.“ Immerhin hätten die beiden morgens noch täglich zusammen Kaffee getrunken. Während Gül Pinar diesen Teil der Erklärung vorlas, brachen Ayla E. und ihre Tochter im Zuschauerraum in Tränen aus und mussten getröstet werden.
Nachbar hörte Schreie und Gepolter
Die Situation eskalierte am Nachmittag des 5. Aprils, nachdem Kamil E. von einem dreiwöchigen Türkeiaufenthalt zurückgekehrt war. Ayla habe ihm plötzlich nur noch „die kalte Schulter gezeigt“. In einem Streit habe sie ihn als Taugenichts und Nichtsnutz bezeichnet. An keinem einzigen Tag der Ehe habe sie ihn geliebt. Gegen 15.30 Uhr hörte Nachbar Mehmet A. Schreie und Gepolter aus der Wohnung der E.s.. In der Wohnung habe er Kamil E. mit einem Obstmesser in der erhobenen Faust angetroffen, das ihm Tochter Fatma zu entwinden versuchte.
Mehmet A. sei es dann gelungen, den Nachbarn zu beruhigen und sich mit ihm ins Kinderzimmer zurückzuziehen, bis die Polizei kam. „Ich habe ihm gesagt, ,ihr seid doch Oma und Opa, ihr sollt mit euren Enkeln spielen statt das hier‘“, so Mehmet A., der im Gegensatz zu dem Beschuldigten bis auf eine Ausnahme vor Gericht auf einen Dolmetscher verzichtete. Kamil E. habe ihm unter anderen gesagt: „Tausendmal geredet, jetzt Schnauze voll.“
Prozess Hamburg: Polizisten werden aussagen
Wie aufgebracht war Kamil E., als er seine Frau mit dem Messer attackierte? Die Beantwortung dieser Frage hängt maßgeblich von der Aussage Mehmet A.s ab, da Ayla und Fatma E. vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen – inklusive der Befragung durch die Polizei am Tatort. Kamil E. behauptet jedenfalls, er könne sich nicht daran erinnern, das Messer geholt und gegen seine Frau gerichtet zu haben. „Ich erinnere mich erst, als Fatma mich anschrie“, so seine Erklärung.
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Mehmet A. sagte, dass Kamil E. seine Frau hätte töten können, wenn er es wirklich gewollt hätte. Allerdings erinnerte er sich auch, dass Ayla E. in der Wohnung zu ihm gesagt hatte: „Der wollte mich umbringen.“ Fatma E. soll auch geäußert haben, die Familie habe sich „ganz normal“ unterhalten, als Kamil E. plötzlich in die Küche gegangen und mit dem Messer zurückgekommen sei. In der kommenden Woche werden die Polizisten gehört, die am Tattag vor Ort waren.