Hamburg. Eine Auswanderer-Familie hat den „halben Hamburger Hafen“ im Angebot – zum Nachbasteln. Über ein faszinierendes Hobby.
Mitte September macht Hamburg seinem Nimbus als Tor zur Welt fantasievoll Ehre. Bei den Internationalen Schiffsmodellbautagen präsentieren mehr als 70 Aussteller aus sieben Ländern Miniaturen ihrer maritimen Leidenschaft. Der Clou des Ereignisses im Maritimen Museum in der HafenCity: Wer einen Leuchtturm aus einem Bogen Karton zusammensetzt, hat freien Eintritt. Die Entwickler des farbigen Kunstwerks sind Norddeutsche mit Wohnsitz in Brisbane. Von der Hansestadt in die Millionenmetropole an der Ostküste Australiens werden Brücken gebaut – über 15.800 Kilometer.
Die Geschichte dahinter ist ein Kapitel für sich. Pate steht das auf der Abendblatt-Titelseite präsente Credo des Finkenwerder Schriftstellers Gorch Fock: Mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen. Die Modellbautage vom 16. bis 18. September passen prima ins Bild. Mit Begeisterung und Fingerspitzengefühl haben die Liebhaber dieses außergewöhnlichen Hobbys Wunderwerke im Miniaturformat geschaffen.
Maritimes Museum: Herzblut im Mittelpunkt
Es geht um viel mehr als nur um Basteln. Herzblut steht im Mittelpunkt. Trost für Neugierige: Der Leuchtturm, quasi das selbst gefertigte Gratisticket, ist kinderleicht zusammenzubauen. Wer Schere, Bastelmesser, Metalllineal, Pinzette und einen Alleskleber an Bord hat, kann mit dem Leuchtturm ein Zeichen setzen. Das Beste an dieser Aktion: Jeder Bauherr verbucht sein persönliches Erfolgserlebnis.
„So kann man seiner Sehnsucht Fahrt verleihen“, sagt Ulrike Fentens an einem Sommersonntag vor dem Monitor daheim in Australien. Neben ihr am Schreibtisch sitzt Ehemann Benjamin. Die beiden vier und neun Jahre alten Töchter sind zu Bett gebracht. Und die Internetverbindung liefert stabile Bilder. Muße, um über das Fundament des Hamburger Modellbaubogen Verlags zu sprechen.
Die Fentens leben in Brisbane
Benjamin Fentens war 1995 einer der Gründer des auf Entwicklung und Konstruktion von Kartonmodellen spezialisierten Unternehmens. Beide betreiben die Firma mit europäischem Versandlager in Meppen von Brisbane aus. Im Emsland führt der Sohn die Geschäfte. Vor sieben Jahren wanderte die Familie nach Übersee aus – von Abenteuerlust beseelt. Nebenbei arbeitet Frau Fentens an ihrer Doktorarbeit an der Universität Brisbane.
„Wir haben den halben Hamburger Hafen im Angebot“, sagt der 51 Jahre alte Verlagskaufmann. Das Sortiment umfasst rund 5000 Artikel. 150 hat Benjamin Fentens selbst entworfen. Seitdem er als Grundschüler die Burg Eltz aus Karton errichtete, ist er vom Bastelbazillus ergriffen. Wie man in den Regalen des Büros sehen kann.
Familie hat Kontakt zum Maritimen Museum
Die Palette des Versandhandels reicht vom dreidimensionalen Steinway-Flügel mit zehn Bauteilen für drei Euro bis zum 70 Euro teuren, historischen Schlachtschiff „Bismarck“. „Wer die 7000 Teile in rund 1000 Stunden filigraner Arbeit gemeistert hat, darf sich wie ein Gott der Meere fühlen“, weiß Benjamin Fentens. Aus Erfahrung. Schiffe und Schlösser sind besonders beliebt. Weltweit.
Und da Leidenschaft eint, ergab sich der Kontakt zum Internationalen Maritimen Museum praktisch von selbst. Man kennt sich. Man versteht sich. Und man schätzt sich. „Das Haus eines Sammlers ist doch wie geschaffen als Heimathafen einer solchen Ausstellung“, sagt Jan Tersteegen, gemeinsam mit Peter Tamm Vorstand der Institution im Kaispeicher an der Koreastraße.
Über 1000 Stunden wurden investiert
Im Gegensatz zum Zoom-Gespräch mit dem Ehepaar Fentens ist dieser Termin in der Kommandozentrale des Museums absolut real. Am Kaffeetisch neben Tersteegen hat Frank Ilse Platz genommen. Der Journalist im Ruhestand ist passionierter Modellbauer. Mitgebracht hat der Mann mit der unendlichen Geduld und Fingerfertigkeit eines seiner eigenhändig geschaffenen Prunkstücke. Der amerikanische Flugzeugträger „USS Coral Sea“ ist ein sehenswertes Produkt seiner Begeisterung. Das Unikat aus Plastikplatten, Messing, Holz und Papier ist binnen fünf Jahren entstanden.
Weit mehr als 1000 Stunden waren im Spiel. Ein Segen, dass die Ehefrau des Familienvaters Verständnis hat. „Die Beschäftigung mit der Geschichte der Seefahrt trägt zum Reiz bei“, sagt Ilse. Das Hangardeck im Bauch des Schiffs ist kunstvoll beleuchtet. Mehr als 400 menschliche Figuren, jeweils sechs bis sieben Millimeter groß, sind handbemalt. Und 40 Flugzeuge an Bord beklebte der Bastler mit jeweils 25 bis 30 Abziehbildern – allesamt zu Hause gedruckt.
„Dieses Hobby fordert einen handwerklich"
Frank Ilse braucht nicht viele Worte, um klarzumachen: Wenn einen die Leidenschaft gepackt hat, so richtig gepackt hat, ist an Aufhören nicht zu denken. „Dieses Hobby fordert einen handwerklich und intellektuell“, verrät er. Ohne Engelsgeduld geht gar nichts. „Zudem braucht man Durchhaltevermögen und Leidensfähigkeit“, ergänzt Tersteegen.
Die 70 Einzelaussteller und Clubs der Schiffsmodellbautage können diese Einschätzung bestätigen. Insgesamt werden an drei Tagen – übrigens parallel zum Hafengeburtstag – fast 1200 Meisterwerke aller möglichen Formate und Sparten zu sehen sein. Die Spannbreite reicht von winzigen Miniaturen von der Größe eines Zehn-Cent-Stücks bis zu 3,50 Meter langen und 70 Kilogramm schweren Ozeanriesen.
„Das Modell steht im Mittelpunkt“
Zum Programm gehören außerdem historische Schiffe aus Holz und Kunststoff, präzise gebaute Kartonmodelle, Exponate aus Gießharz, Buddelschiffe sowie 3-D-gedruckte Unikate. In einem etwa zehn Quadratmeter großen Wasserbecken im Foyer können sich Besucher einen Eindruck der schwimmenden Möglichkeiten verschaffen. Es handelt sich um eine faszinierende Welt der Modellbauschiffe.
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Das Ereignis erstreckt sich über sieben Decks. So werden die Etagen im Museum genannt. Passt. Dabei befinden sich die Ausstellungsstücke in bester Gesellschaft: Allein auf Deck neun sind 55.000 Miniaturen zu bestaunen. Im Archiv ist eine weitere Armada gelagert. „Das Modell steht im Mittelpunkt“, weiß Jan Tersteegen. Ziel sei es, die Ausstellungsstücke liebevoll in Szene zu setzen. Während der Modellbautage, aber auch generell.
Maritimes Museum: Wer bastelt, spart Eintritt
Dass Leuchttürme nicht nur den Weg weisen, sondern ihn auch freimachen, zeigt die besondere Idee: Wer bastelt, spart Eintritt. Normalerweise kostet das Tagesticket 15 Euro. Während der drei maritimen Miniaturtage gibt es Zutritt für pauschal 28 Euro.