Hamburg. Liebeskummer wird oft nicht ernst genommen, obwohl er wie “eine Bombe in der Seele ist“. Wieso One-Night-Stands nicht hilfreich sind.

Bei dem einen geht es um Rechtsmedizin und Kriminalfälle, bei dem anderen um unser Sexualleben. Immer im Wechsel finden Sie an dieser Stelle das Beste aus zwei unserer erfolgreichsten Podcasts. Heute das Thema bei „Ich frage für einen Freund“, dem Sex-Podcast für Erwachsene mit Journalist Hajo Schumacher und der Hamburger Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs: Was hilft bei Liebeskummer wirklich?

In jedem Land, in jeder Kultur, in jedem Alter: Liebeskummer ist ein universaler Schmerz, den fast jeder Mensch auf der Welt kennt. Aber wie umgehen mit tiefer Traurigkeit und Leere? Katrin Hinrichs und Hajo Schumacher erklären in der neuen Folge – sie komplettiert die vor vier Wochen begonnene „Trilogie der Gefühle“ – die typischen Phasen der Trauer und mögliche Wege aus dem Tal, geben Rat im Umgang mit Ohnmachtsgefühlen und Selbstzweifeln, empfehlen Strategien, um die düstere Zeit besser durchzustehen und beantworten auch noch heikle Fragen, etwa: Leiden Frauen anders als Männer?

Jeder Mensch hat irgendwann mal Liebeskummer

Ist Ablenkungssex ratsam? Soll man seine Wut rauslassen oder einfach weg­atmen? Gibt es womöglich verlässliche Pillen gegen die Traurigkeit? Wie lässt sich Hass in Mitgefühl verwandeln? Und: Wie bremsen wir unser Gehirn aus, den elenden Verräter?

Los geht das Gespräch mit einer kleinen Schauspieleinlage, bei der Schumacher sich ausnahmsweise „todtraurig“ gibt. Das soll zum „ganz schwierigen Thema Liebeskummer“ hinführen. Dieser habe wohl jeden Menschen schon einmal – oder wahrscheinlich eher mehrmals – im Leben geplagt. Und weil es bei diesem Podcast nun mal vorrangig um Sex gehe, stellt er auch gleich die konkrete Frage: „Was hat Liebeskummer mit Sex zu tun?“

"Liebeskummer ist wie eine Bombe in der Seele"

Hinrichs holt für die Antwort ein wenig aus: „Zunächst muss man sagen, dass Liebeskummer eines der schrecklichsten Gefühle ist, wie eine Bombe in der Seele. Was ich aber oft sehe und höre und ganz gemein finde: Dass dieser Kummer oft nicht richtig ernst genommen wird, obwohl er einen wirklich umhaut.“ Im 13. Jahrhundert hätten die Menschen sogar von einer Geisteskrankheit gesprochen, wenn die Trauer über ein verflossenes Liebesglück jemanden übermannt habe. „Da hat es dann sogar Aderlass und Exorzismus gegeben, um das zu behandeln.“ Heute werde so etwas natürlich nicht mehr praktiziert, aber „Liebeskummer kann nach wie vor in schwerer Form auftreten – bis hin zum psychiatrischen Notfall.“

Schumacher stellt einen Vergleich zum Verliebtsein her, „nur andersherum“. Auch dabei gingen die Gefühle mit einem durch, bloß im positiven statt im negativen Sinne. Hinrichs erläutert: „Wir können mit Hirnscans feststellen, dass im zentralen Suchtareal auch der Liebeskummer platziert ist, also im selben Bereich, in dem man bei Drogenabhängigen fündig wird. Wenn die Hormone aus Liebeskummer verrücktspielen, dann laufen im Gehirn manchmal seltsame Sachen ab.“

„Wir sind dann ohnmächtig"

Um mal ein konkretes Beispiel zu bringen, sagt Schumacher: „Wir beide sind seit 20 Jahren ein Paar. Und ich eröffne dir plötzlich: Katrin, es war immer toll mit dir, aber die Renate – die natürlich 22 Jahre jünger ist – hat mich einfach geflasht. Und dann packe ich meine Zahnbürste, drei Unterbuxen und bin weg.“ So etwas entziehe nicht nur Energie, sondern treffe den anderen dermaßen hart, dass dessen eigene Lebensgrundlagen plötzlich in Schutt und Asche liegen. „Wir sind dann ohnmächtig und verlieren unser Selbstwertgefühl. Das ist wie ein Tsunami, der über einem zusammenbricht“, sagt Hinrichs.

Das Verlassenwerden sei emotional oft belastender als ein Verlust durch plötz­lichen Tod, betont Schumacher, denn bei der Trennung komme noch das zertrampelte Selbstwertgefühl hinzu. Das könne im Übrigen auch einem Mann passieren, nicht nur einer Frau, die für eine Jüngere sitzen gelassen wird. „Leiden Männer dann anders als Frauen?“

Akutphase dauert mindestens zwei Monate

„Männer leider länger, weil sie kompensatorisch sofort unterwegs sind, also versuchen, woanders Sex zu haben. Die trinken und vögeln rum, aber der Katzenjammer bleibt. Das sehe ich immer wieder in meiner Praxis. Erst wenn die Wut kommt, sind die Verlassenen stark genug, ihre Trennung zu verarbeiten. Wut ist ein viel stärkeres Gefühl als Trauer.“ Und wie lange dauert die Akutphase beim Liebeskummer? „Mindestens zwei bis drei Monate“, sagt Hinrichs, „allein der Schockzustand hält sich bestimmt sechs Wochen.“

Kompensatorischer Sex, so Hinrichs, könne daran übrigens meist wenig ändern. „Kein Penis, keine Vagina wird diese emotionale Leerstelle einfach füllen. Man kann sich zwar mit Sex etwas ablenken und seinen Marktwert testen, aber dabei sollte man nicht gleich mit den Gefühlen des Gegenübers spielen.“ Nicht jeder One-Night-Stand tue einem in so einer Situation wirklich gut. Mancher aber schon.

Trennung muss verarbeitet werden

Und wie baut man sein Selbstwertgefühl dann wieder auf? Indem man die Trennung wirklich verarbeitet, sich vielleicht auch zugesteht, dass die gemeinsame Zeit nicht verschenkt war – und nun eine neue beginnen kann.