Hamburg. Tina Bremer-Olszewski verrät, was bei Liebeskummer im Gehirn passiert, wie man den Schmerz überwindet und dann fürs Leben lernt.

Liebeskummer hat wohl jeder schon einmal in seinem Leben kennengelernt, er kann scheußlich wehtun. Die Autorin Tina Bremer-Olszewski hat nun eine Anleitung geschrieben, wie man sich aus diesem Sumpf der Gefühle selbst herausziehen – und dabei sogar noch für das ganze Leben profitieren kann.

„Love hurts. Warum Liebeskummer ein echter Scheiß und gleichzeitig ein Segen ist“, heißt das Buch der Hamburgerin, die früher auch im Dr.-Sommer-Team der Jugendzeitschrift „Bravo“ gearbeitet hat. Es nimmt auch die Chancen in den Blick, die im Liebeskummer stecken. „Wir wachsen an diesem Trauma, an diesem Schmerz – das ist ein Schatz“, sagt sie im Familienpodcast „Morgens Zirkus, abends Theater“.

Ratgeber: Liebeskummer wie ein Drogenentzug

Am Anfang tut es richtig weh, wenn man verlassen wird. Und das ist nicht nur so ein Gefühl, sondern es lässt sich auch wissenschaftlich nachweisen. Tina Bremer-Olszewski hat dazu eine Forscherin befragt: Die US-amerikanische Anthropologin Helen Fisher macht seit mehr als 20 Jahren Gehirnscans von Menschen, die lieben und verlassen wurden. „Im Gehirn ist ein Zentrum aktiv, das auch bei Sucht angesprochen wird – und das ist wirklich interessant“, sagt die Hamburgerin. Da werde vermehrt Dopamin ausgestoßen, wie auch bei einem Verlangen nach Schokolade oder Drogen.

„Wenn wir verliebt sind, dann will das Gehirn mehr, mehr, mehr. Haben wir Liebeskummer, versteht dieses Teil des Gehirns das nicht sofort und will weiterhin mehr, mehr, mehr. Wir sind wie Süchtige, wenn wir verliebt sind, und auf Entzug bei Liebeskummer“, sagt Tina Bremer-Olszewski. „Wir sind Junkies der Liebe gewissermaßen. Das gilt auch bei immer wieder aufgewärmten Beziehungen, die das Gehirn schlicht verrückt machten. „Die Sucht wird immer wieder genährt, es geht vor und zurück. Das ist schon rein körperlich eine Tortur.“

„Aber dann muss man versuchen, da rauszukommen"

Ihr Buch ist ein Begleiter durch Phasen von Trennung und Schmerz, Wut und Trauer, vielleicht auch Scham; jenem Cocktail von Gefühlen eben, das bei jedem individuell unterschiedlich ist. Was sollte man in der ersten Phase tun – und was auf keinen Fall? „Klar, dass man erst mal am Boden ist. Das darf man auch, aber man sollte aufpassen, dass es nicht wochenlang so bleibt. Man kann sich ein paar Tage geben, um sich zu verkriechen und alles rauszulassen, was man empfindet, möglicherweise auch zu viel Schokolade zu essen oder Fernsehen zu schauen“, sagt die Autorin.

„Aber dann muss man versuchen, da rauszukommen. Da hilft am besten Ablenkung. Das Gehirn braucht diesen Entzug – also nicht dem Liebsten in den sozialen Medien folgen, auch wenn es verführerisch ist, und sich immer wieder alte Fotos oder Briefe anschauen.“ Auch nicht mit der Freundin das Ganze x-mal durchkauen. Sich mit einer neuen Affäre abzulenken, ist ebenso nur eine Übersprunghandlung – und wenig fair dem oder der Neuen gegenüber.

Beziehung muss reflektiert werden

Stattdessen sollte man, wenn der erste Schmerz abgeklungen ist, auf sich selbst schauen. Und sich fragen: Was ist da eigentlich passiert? Wie habe ich mich verhalten? Warum war ich mit diesem Menschen zusammen, warum ist es zur Trennung gekommen? Was hat mir dieser Partner gegeben, was wollte ich von ihm? „Da wird es interessant“, sagt Bremer-Olszewski.

Eine Rolle kann die frühe Prägung im Elternhaus spielen: Wie habe ich gelernt, was Liebe ist? Wer beispielsweise als Mädchen einen Vater hatte, der viel unterwegs war, der hat vielleicht gelernt: Liebe ist, wenn einer nicht oft da ist. Das könne sich auf die Partnerwahl auswirken. „Wenn ich weiß, dass ich an dieser Stelle ein Thema habe, dann kann ich versuchen gegenzusteuern. In die Selbstanalyse gehen.“

Ältere können von Erfahrungen profitieren

Um in diesem Prozess nicht stehen zu bleiben, hilft es, Tagebuch zu schreiben und immer mal wieder zurückzublättern, um abzugleichen, ob man weitergekommen ist. Wenn das gar nicht der Fall ist, dann sollte man mit jemandem sprechen, der einem weiterhilft.

Jüngere und ältere Menschen erleben Liebeskummer übrigens ähnlich, das ist wissenschaftlich bewiesen, aber ältere haben diesen Schmerz womöglich schon häufiger erlebt und können im Umgang damit aus ihrem Erfahrungsschatz schöpfen. Wenn man allerdings über Wochen und Monate deprimiert ist, sich zurückzieht und nicht mehr sprechen mag, dann muss man sich Hilfe holen, „da geht kein Weg dran vorbei“.

Selbstliebe ist der Schlüssel zur Heilung

Am besten könne man heilen, wenn man sich unabhängig mache und in die Selbstliebe komme, sagt die Autorin. „Natürlich hat man in einer Partnerschaft Wünsche und Bedürfnisse, aber je unabhängiger man ist, desto weniger hat der andere die Macht, einen zu verletzen“, sagt sie. „Also: Mach Dich selbst glücklich, dann kann Dir nicht so viel passieren.“

Das klingt leicht, aber wie macht man das? „Es ist eine Lebensaufgabe. In manchen Lebensphasen fällt einem das leichter, in anderen schwerer. Es hilft, wenn man die Dinge, die man selbst gern machen will, auch tut – und ein bisschen egoistisch ist. Dass man sich auch, wenn man in der Familie Verpflichtungen hat, immer mal wieder ein bisschen herauszieht und guckt: Was kann ich für mich heute tun?“ Also nicht immer schauen, wie ich sein muss, um anderen zu gefallen oder sogar vielleicht dem Ex, sondern mit sich selbst ins Reine kommen.

Ratgeber: „Durch Liebeskummer lernen wir fürs Leben“

So könne Liebeskummer dann auch ein Segen sein. „Weil man unheimlich viel dabei lernt, wenn man die ganzen Prozesse durchwandert und schaut, was das Ganze zerbrechen ließ.“ Wo sind die Anteile des Partners, wo die eigenen? Warum habe ich mich so verhalten? Gibt es da ein Muster – und wenn ja, warum? „Wenn man da weiterkommt, hilft das in allen Beziehungen, ein Leben lang. Wenn man früh anfängt, in die Analyse zu gehen, dann ist man von Liebeskummer zu Liebeskummer immer besser aufgestellt“, sagt Bremer-Olszewski, die auch ein Aufklärungsbuch geschrieben hat. Sie selbst hat ihren ersten Liebeskummer mit 23 Jahren erlebt, „das hat echt reingehauen“.

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Frauen erleben Liebeskummer übrigens nicht stärker als Männer. „Das ist sogar wissenschaftlich belegt.“ Helen Fischer, die die Hirnscans macht, hat das überprüft. Zahnschmerzen aktivieren denselben Punkt im Gehirn. „Nur bei Zahnschmerzen können wir zum Zahnarzt gehen, dann ist der Schmerz in drei Stunden gegessen, aber Liebeskummer dauert. Er ist aber eine wichtige Erfahrung, ein posttraumatisches Wachsen“, sagt die Hamburgerin. „Durch Liebeskummer lernen wir fürs Leben.“

„Love hurts. Warum Liebeskummer ein echter Scheiß und gleichzeitig ein Segen ist“, 14 Euro, Illustrationen von H. Wenzel, Carlsen Verlag