Hamburg. ÖPNV und Radfahren sollen seniorengerechter gestaltet werden, um den Umstieg vom Auto zu erleichtern. Das sind die Pläne.
Seniorengerechte Haltestellen, mehr Bänke an Fahrradwegen, Coachings für Online-Angebote: Die rot-grünen Regierungsfraktionen wollen ältere Menschen bei der Ausgestaltung der Mobilitätswende stärker einbeziehen und künftig passgenaue Angebote für sie bereitstellen. „Wir wollen, dass die Bedürfnisse von Senior:innen im Radverkehr, im Bahn- und Busverkehr, im Fußverkehr und an den Verbindungspunkten all dieser Verkehrsmittel in den Mittelpunkt gerückt werden“, heißt es in einem entsprechenden Antrag, den die Fraktionen in die Bürgerschaft einbringen wollen.
Ältere Menschen in Hamburg seien mobil wie nie. „Ein Grund dafür sind die steigenden Möglichkeiten der Lebensgestaltungen und die heterogene Zusammensetzung der Menschen über 65 Jahre. Erwerbstätige im letzten Abschnitt ihrer Laufbahn fallen ebenso darunter wie Personen kurz nach dem Renteneintritt oder aber vermehrt sehr betagte Menschen über 80 oder gar 90 Jahren“, so die Regierungsfraktionen. Der Anteil von Menschen über 65 Jahren liege in Hamburg bei knapp 20 Prozent der Bevölkerung. Damit seien sie eine Gruppe, „die für eine gelingende Mobilitätswende stärker in den Blick genommen werden sollte als bisher“.
„Ältere Menschen sind in Hamburg so mobil wie nie zuvor. Da sie häufig ein Auto besitzen, ist es besonders wichtig, sie bei der Mobilitätswende umfassend und aktiv mitzunehmen“, sagt Rosa Domm, Sprecherin für Mobilitätswende der Grünen-Fraktion.
Barrierefreie Haltestellen und Fahrzeuge für die Mobilitätswende
Dafür sollen unter anderem Haltestellen, Umsteigepunkte und Fahrzeuge barrierefrei umgebaut werden. Auch die „gefühlte Sicherheit“ soll sowohl bei Um- als auch bei Neubauten von Verkehrsanlagen ein „übergeordnetes Ziel“ sein. Dies sei auch im Sinne einer „inklusiven Mobilitätswende“ wichtig, weil die Veränderungen häufig auch vielen anderen Gruppen der Gesellschaft zugutekämen.
So zum Beispiel Eltern mit Kinderwagen und/oder kleinen Kindern, Schwangeren, Menschen mit Einkäufen oder anderweitig mobilitätseingeschränkte Menschen sowie Menschen ohne Zugang zu Smartphone-Apps. Dies beinhalte laut Rot-Grün nicht nur sichere Fuß- und Radwege sowie barrierefreie Fahrzeuge, Haltestellen und Umsteigemöglichkeiten von einem Verkehrsmittel zum nächsten, „sondern auch den Zugang zu On-Demand-Verkehren und hvv switch“.
Seniorengerechter Radverkehr mit geschützten Radwegen
Insbesondere bei mobilitätsübergreifenden Plattformen sei es zudem notwendig, auch Zugangsmöglichkeiten ohne Internet und Smartphone mitzudenken. „Denn nur gut 50 Prozent der Altersgruppe über 70 Jahre nutzt laut Statista ein Smartphone, sodass viele ältere Menschen von diesen Möglichkeiten der neuen Mobilität ausgeschlossen werden – auch das ist eine Frage von Barrierefreiheit.“ Angepasste Ampelphasen an Straßenquerungen von Umsteigepunkten sowie ein „ausreichender Winterdienst bei Schnee und Glätte“ sollen für weitere Erleichterungen sorgen. Beim ÖPNV soll die Infrastruktur über „die Umsetzung des Hamburg-Takts – verkürzte, barrierefrei ausgestaltete und angemessen komfortable Verweil- und Umsteigezeiten auf ÖPNV-Anlagen“ verbessert werden.
Daneben soll auch der seniorengerechte Fahrradverkehr gestärkt werden. „Damit auch das Radfahren für Senior*innen komfortabel ist, bauen wir geschützte Radwege und stellen an Velorouten vermehrt Bänke auf. So wird das Radfahren auch für mobilitätseingeschränkte Personen immer inklusiver“, so Grünen-Politikerin Domm, und weiter: „Mobilität ist Gewohnheitssache — und diese Gewohnheiten verändern wir mit direkter Ansprache.“ Beim Neu- und Ausbau von Radwegen soll der Schwerpunkt daher darauf liegen, dass sie von der Fahrbahn abgetrennt gebaut werden.
Ein komfortables Mobilitätsangebot für Senioren auch bei Ausflügen ins Umland
Zudem soll in Zusammenarbeit mit den Bezirken bei Neuplanungen geprüft werden, „ob ausreichend wettergeschützte Erholungs- und Sitzgelegenheiten mit Arm- und Rücklehnen an Fahrradrouten in Grün- und Landschaftsbereichen sowie an urbanen Velorouten geschaffen werden können“. Ein weitere Punkt ist, dass Beschilderungen von Velorouten gut lesbar angebracht werden. Um Zugangsmöglichkeiten auszuweiten, soll zudem geprüft werden, inwiefern der Zugang zu „On-Demand-Verkehren und hvv switch ohne Nutzung eines Smartphones gestaltet werden kann“.
„Auch im Alter wollen die Hamburger:innen nicht nur in den Quartieren gut und sicher unterwegs sein, sondern auch Ausflüge ins Umland und Fahrten in die Innenstadt unternehmen“, sagt Clarissa Herbst, Abgeordnete der SPD-Fraktion. Die heutige Generation Ü60 sei in einer Zeit aufgewachsen, in der das Auto „das Maß aller Dinge war“. Daher brauche es insbesondere für ältere Menschen „ein komfortables Mobilitätsangebot“, um auf Fahrten mit dem eigenen Pkw zu verzichten.
Weiterbildungsangebote für die Nutzung der online- und appbasierten HVV-Angebote
„Wichtig ist uns dabei, auf die Lebenswirklichkeiten von Senior:innen Rücksicht zu nehmen. Das bedeutet ganz konkret: Wege zu finden, wie Menschen auch ohne Smartphone an modernen Verkehrsangeboten teilhaben können.“
Die Regierungsfraktionen weisen überdies auf die Bedeutung von Weiterbildungsangeboten für Seniorinnen und Senioren hin – zum einen für die Nutzung der online- und appbasierten HVV-Angebote, zum anderen für die intensivere Bewerbung der bestehenden Formate. „Die Trainings- und Informationsangebote zur Nutzung des ÖPNV gibt es bereits, aber sie müssen noch bekannter gemacht werden“, so Herbst.
- S3 nach Harburg: Was der Brückenschaden für Pendler bedeutet
- Keine Trendwende: Zahl der Autos in der Stadt steigt wieder
- S3 fährt bald noch häufiger nach Pinneberg
Rollator-Training des hvv und Fahrradkurse der Polizei Hamburg
Als Beispiele nennt Rot-Grün „das Ticketautomatentraining“, das „Rollator-Training“ des hvv oder Fahrradkurse der Polizei Hamburg für die ältere Generation. „Diese Angebote, unter Mitarbeit von Senior:innenvertretungen wie etwa dem Landesseniorenbeirat, an zentraler Stelle zu bündeln und zu prüfen, inwiefern sie ausgebaut und sinnvoll erweitert werden können – um zum Beispiel Coachings zur Nutzung der Online-Angebote und Apps –, würde den Zugang für Senior:innen zur neuen Mobilität erleichtern.“
„Alle diese Punkte geht unser Maßnahmenpaket an und ermöglicht so mehr Teilhabe und mehr Mobilität für Hamburgs Senior:innen“, betont die SPD-Abgeordnete Herbst. Über den Fortschritt der Maßnahmen soll der Senat der Bürgerschaft bis zum 31.12.2022 berichten.