Hamburg. Ein umgestürzter Baum zertrümmerte die historisch wertvolle Grabstätte der Familie Patow. Jetzt können Hamburger abstimmen.

Um 1900 gehörte Otto Patow zur Hamburger High Society. Der wohlhabende Weingroßhändler war als Mitglied der Bürgerschaft und der Finanzdeputation angesehen und einflussreich. Doch der gebürtige Hamburger interessierte sich nicht nur für Zahlen und Spirituosen. Wie Finanzstaatsrat Leo Lippmann in seinen Lebenserinnerungen festhält, setzte sich Patow viel energischer als seine Kollegen dafür ein, Gelder auch für kulturelle Belange zu verwenden.

Sein jahrelanger Kampf für ein angemessenes Stadtmuseum war schließlich von Erfolg gekrönt: Patow erlebte den Bau des Museums für Hamburgische Geschichte, das in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag begeht, noch mit – Höhepunkt eines langen Lebens als Hamburger Patriot. Sogar ein Buch hat Otto Patow hinterlassen.

Friedhof Ohlsdorf: Patow fand in Ohlsdorf letzte Ruhe

Es hat den unprätentiösen Titel „Aus dem Leben eines Alltagsmenschen. Eine Sonntagsarbeit“ und erschien 1920. Der Verfasser beschreibt darin große und kleine Begebenheiten aus dem Hamburg der damaligen Zeit. Ausführliche Ortsbeschreibungen und amüsante Porträts wechseln sich mit Anekdoten aus dem täglichen Einerlei, Familienklatsch und politischen Betrachtungen ab.

Untergegangene Pracht: So stilvoll sah das Grabmal der Familie Patow vor der Zerstörung aus. An der höchsten Stelle war eine geflügelte Sanduhr zu    sehen.
Untergegangene Pracht: So stilvoll sah das Grabmal der Familie Patow vor der Zerstörung aus. An der höchsten Stelle war eine geflügelte Sanduhr zu sehen. © Michael Wassenberg

Alles in allem ist es die Bilanz eines Daseins in Zufriedenheit – und eine liebenswerte Reminiszenz an Hamburg. Nachdem Otto Patow 1932 im Alter von 85 Jahren gestorben war, fand er seine letzte Ruhe in einem besonders schönen, stilvollen Grab auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Fotos zeigen eine große Anlage mit halbkreisförmigem angeordneten Säulen und vielen Grabplatten.

Grabanlage sieht aus wie ein Abbruchhaus nach einer Bagger-Attacke

Doch das ist Vergangenheit. Der Besuch an Patows Grab: ein Schock. Von dem stilvollen Ensemble ist nur noch ein Trümmerhaufen übrig, der langsam von Unkraut überwuchert wird. Die sorgfältig angelegte und über Jahre gepflegte Grabanlage sieht aus wie ein Abbruchhaus nach einer Bagger-Attacke. Pilaster und Platten liegen verstreut umher, die Grundstruktur ist kaum noch auszumachen. Es war ein umstürzender Baum, der das Grabmal so zugerichtet hat.

Beim Aufprall wurden die Bauteile auseinandergerissen und in alle Himmelsrichtungen geschleudert. Namensplatten liegen zum Teil meterweit von ihrem ursprünglichen Platz entfernt, einige Inschriften sind zersprungen und nicht mehr zu entziffern. Die Mitglieder mehrerer Familienzweige wurden im Laufe der Jahrzehnte hier bestattet – neben Patow sind auch die Namen Courvosoir, Lindwede, Koelicke und Walter vertreten.

Patow-Grabmal gilt offiziell als aufgegeben

Die Frage ist nun, wie es mit der Anlage weitergehen soll. Es gibt zwei Möglichkeiten. „Entweder das Grab wird instand gesetzt, oder es bleibt, wie es ist, und wird zum Denkmal der Vergänglichkeit“, sagt Lutz Rehkopf, Pressesprecher und Mitglied im Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof. Die Frage sei im Förderkreis ausgiebig diskutiert worden, und beide Optionen finden Befürworter und Gegner.

Der Förderkreis lässt schon seit Jahren aus Spendenmitteln Grabmale restaurieren, und auf diese Weise wurden neben zahlreichen kleineren Einzelgräbern beispielsweise die Grabmale des Dirigenten Hans von Bülow und des Mäzens Siegfried Wedells erhalten und bewahrt. Er kann tätig werden, wenn keine Angehörigen mehr vorhanden sind, die für den Grabunterhalt aufkommen. Bei dem Patow-Grabmal gibt es seit 2014 keinen Kontakt mehr mit Nutzungsberechtigten, damit gilt das Grab offiziell als aufgegeben.

Friedhof Ohlsdorf: Hamburger können abstimmen

Was viele Friedhofbesucherinnen und -besucher nicht wissen: Alte Grabmale dürfen nicht aus Friedhofsgebühren bezahlt werden. Diese sind zweckgebunden und werden beispielsweise für die Pflege der Grünanlage und die Instandhaltung der Wege aufgewendet. Der Förderkreis hatte aber offiziell die Berechtigung, Spendengelder einzuwerben und zum Beispiel für Restaurierungen aufzuwenden. Ihm liegt bereits ein Kostenvoranschlag für eine denkmalgerechte Instandsetzung des Patow-Grabs vor: Rund 8500 Euro müssten dafür aufgebracht werden.

Doch bevor die Instandsetzung in die Wege geleitet wird, möchte der Förderkreis ein Meinungsbild erstellen. Alle interessierten Hamburgerinnen und Hamburger können schriftlich oder per Mail mitteilen, ob sie für die Wiederherstellung der schönen Grabanlage sind oder ob an ihrem jetzigen Zustand nichts geändert wird und sie dem Lauf der Zeit überlassen bleibt. Abstimmung bitte per Mail an info@fof-ohlsdorf.de oder auf dem Postweg: Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof e.V, Fuhlsbüttler Straße 756, 22337 Hamburg. Sollte sich eine Mehrheit die Instandsetzung wünschen, wird im Herbst mit einer Spendenaktion dafür geworben. Das Abendblatt wird weiter darüber berichten.