Hamburg. Experten warnen vor Sauerstoffmangel, niedrigen Pegeln und Fischsterben. Blaualgengefahr in Hamburgs Gewässern.

Die Wassertemperatur mutet schon mediterran an: 24,2 Grad hatte die Elbe in Hamburg am Montag an der Bunthäuser Spitze. Vor Palma de Mallorca im Mittelmeer waren es nur knapp vier Grad mehr. Was für Wassersportfreunde ein sommerliches Vergnügen verheißt, ist für Experten ein Alarmsignal. Denn sie schauen auf weitere Messdaten, die zeigen: Die Elbe schnappt nach Tagen der Trockenheit und anhaltender Hitzewelle nach Luft.

Die Sauerstoffkonzentration lag gestern am Südufer am Seemannshöft in Waltershof bei 2,8 Milligramm pro Liter. Vor Blankenese waren es 3,1, nach unter 3 am Freitag. „Ein Wert von 4 ist notwendig, damit die Fische überleben“, sagt Geschäftsstellenleiter Karl-Heinz Meyer vom Anglerverband Hamburg. Umweltbehörden-Sprecherin Renate Pinzke sagte: „Die Sauerstoffkonzentration in der Elbe ist weiterhin angespannt.“

Tideabhängig schwankten die Werte in Bunthaus zwischen 4 und 8 Milligramm pro Liter, in Seemannshöft zwischen 3 und 4. Der Behörde würden weiterhin Totfunde von Fischen gemeldet. Es sei aber kein Massensterben.

Elbe: Warum die Sauerstoffkonzentration so wichtig ist

Das war Ende Juni zu beobachten, als vermutlich Tausende tote Fische auch am idyllischen Anleger in Entenwerder vorbeitrieben. Kein schöner Anblick für die nach Sonne und Snacks Hungrigen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erklärte, aktuell gebe es nicht die dramatische Lage wie vor einigen Wochen. BUND-Sprecher Paul Schmidt sagte aber: „Das ganze System ist massiv geschädigt.“ Die Folgen dieses Zustandes der Elbe würden wir noch über Jahre merken.

An der Alster sieht der Sauerstoffgehalt zwar besser aus. Werte zwischen 7 und 8 Milligramm pro Liter am Oberlauf und 5 bis 8 an der Lombardsbrücke sind nach Auskunft der Umweltbehörde in Ordnung. Allerdings wurde von der Quelle der Alster in Henstedt-Ulzburg am Wochenende gemeldet, dass der Flusslauf auf mehreren Hundert Metern praktisch ausgetrocknet sei.

Hamburger Alster und Badeseen: Warnung vor Blaualgen

Die Behörde warnte vor geringer Sauerstoffkonzentration in Tarpenbek und Wandse. Blaualgen waren auch auf der Kollau zu beobachten. An zwei Badestellen des Öjendorfer Sees ist das Baden deshalb aktuell verboten, am Eichbaumsee ohnehin. Der See Hinterm Horn ist nach einer Blaualgen-Sperre wieder zugänglich. Generell warnt die Umweltbehörde vor Zerkarien, die ab einer Wassertemperatur von 20 Grad auftreten können.

An Hamburgs Lebensader dagegen sind vor allem Tiere und Pflanzen bedroht. Die Sauerstofflöcher seien für große Zander und Störe oft kein Problem, für Stinte jedoch sehr, sagte der Anglerverbands-Experte Meyer. Der BUND fordert angesichts der Entwicklung einen „Umbau der Elbe“. Rückdeichung und Flachwasserzonen könnten dabei helfen. Durch das permanente Ausbaggern werde „massiv“ organische Masse aufgewühlt. Im Holzhafen und in der HafenCity verschlicke die Elbe zusehends.

Elbe: Brücke bei Geesthacht gesperrt, Fähren fallen aus

Schaut man über die Hamburger Landesgrenzen hinaus elbaufwärts, sieht man vermehrt niedrige Pegelstände bis zu besorgniserregenden Austrocknungen. Anrainer, Urlauber und all die, die auf dem Fluss ihr Auskommen haben, passen sich langsam an die Lage an. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Elbe hat Binnenschiffe mit Gütern zum Teil über den Mittellandkanal geleitet oder gestoppt.

Der Pegelstand bei Dömitz war Ende Juli zu niedrig. Die Ausflugsschiffe mussten Umleitungen fahren. Auch aus Hitzacker wurden Probleme gemeldet. Manch Kapitän eines Sportbootes ist ebenfalls in Sorge, ob er überhaupt gefahrlos über die Elbe cruisen kann. Selbst bei Altengamme lief am Sonntag eine kleine Motoryacht auf einen Stack auf. Passiert ist den beiden Senioren an Bord außer einem Schock zwar nichts Gravierendes. Doch die Feuerwehr war im Großeinsatz, weil „Menschenleben in Gefahr“ befürchtet wurden. Erst mit der einsetzenden Flut konnte das blockierte Boot wieder freikommen.

Die beliebte Elbfähre von Darchau nach Neu Darchau wurde zwischenzeitlich eingestellt. Wegen der Brückensperrung in Geesthacht (geplant bis 24. August) ist eine Querung für Autofahrer und Lkw noch aufwendiger. Sie müssen sich im Verlauf des Flusses im Prinzip zwischen den Brücken in Lauenburg und Hamburg entscheiden. Pkw können natürlich noch die Zollenspieker Fähre nutzen.

Niedrigwasser: Hubschrauber können kein Löschwasser fassen

Bis vor Hamburg leidet der Strom auch darunter, dass der Wasserzufluss aus Sachsen und Sachsen-Anhalt wegen der Trockenheit so spärlich ist. In Magdeburg, wo die Schiffe der Weißen Flotte wegen des fast historischen Tiefstandes der Elbe Ende Juli (54 Zentimeter) nicht fuhren, konnte man trockenen Fußes fast die halbe Flußbreite durchwandern. Am Oberlauf bei Dresden konnten die Ausflugsschiffe dank des Wasserzulaufs aus Tschechien noch fahren. Allerdings lag der Pegelstand vor einer Woche bei etwa 1,30 Meter, vor 20 Jahren seien es noch rund zwei Meter gewesen, hieß es vom Landesamt für Umwelt.

In Sachsen war man froh, dass die tschechische Talsperre Orlik wegen Reparaturarbeiten ihr Wasser kontrolliert in die Elbe fließen ließ. Denn der Pegelstand war wegen der Trockenheit so niedrig, dass die zur Waldbrandbekämpfung eingesetzten Löschhubschrauber zunächst kein Wasser aus der Elbe aufnehmen konnten. Ein Beispiel dafür, wie schwierig die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen sind.