Hamburg. Ausverkauft: Pulver gegen Durchfall ist dank Instagram und TikTok in der Party-Szene beliebt. Dr. Johannes Wimmer hat andere Rezepte.
Der Wirbel in den sozialen Medien wie Instagram und TikTok um vermeintliche Wundermittel für katergeplagte Partygänger hat zu einer Versorgungslücke an Durchfallmitteln für Kinder in Hamburg geführt. Sowohl Elotrans als auch Oralpädon sind derzeit in den Apotheken nicht oder bestenfalls aus Restbeständen erhältlich. Beide Mittel des Arzneimittelherstellers Stada enthalten Elektrolyte und eine Zuckerart, kommen im praktischen Beutelchen daher, zum Teil mit Tee- oder Zitronenaroma, und können bei einem Kater nach durchzechter Nacht helfen.
Gedacht sind sie jedoch für Durchfallerkrankungen, vor allem bei Kindern. Der Präsident der Apothekerkammer, Kai-Peter Siemsen, bestätigte dem Abendblatt den Engpass. Wie lange die beiden Arzneien nicht verfügbar sind, könne er nicht genau abschätzen. Möglicherweise dauere es Wochen. Die Lieferengpässe seien sicher nur ein temporäres Problem. Auch Siemsen hat von den Hilfe-Versprechen auf Instagram gehört. Er bestätigte eine „extrem hohe Nachfrage“ nach Elotrans. Das habe ein Ausweichen auf Oralpädon bewirkt, was mittlerweile ebenfalls nicht mehr lieferbar sei.
Elotrans auf Instagram und TikTok als Kater-Mittel beliebt
In Instagram-Posts findet zu Elotrans ein regelrechter Hype statt, der humoristische, aber eben auch irreführende Züge hat. In Beiträgen heißt es, das Mittel sei „die Lösung für alle, die, die Alkohol lieben, aber die Konsequenzen ablehnen“. Einmal heißt es: „Zwölf Halbe, drei Jäger und ‘ne Runde Weinpong – für Elotrans kein Problem.“ Ein Post zeigt Papst Franziskus in der Heiligen Messe, wie er statt der Hostie eine Packung Elotrans präsentiert, Unterschrift: „Ich am Morgen, nachdem ich mir mit den Jungs brutalst das Blechdach verbogen habe.“
Apotheker Siemsen denkt bei einem Kater nach Alkoholkonsum eher an das Hausmittel wie Salzstangen mit Cola und Rollmops. Für kleine Kinder mit Durchfall sei das aber ausdrücklich nicht zu empfehlen.
Alkoholaffine Partyfreunde unterliegen auch einem Irrtum, wenn sie meinen, ein Kater lasse sich schnell wegpharmazieren. Kopfschmerzen und Übelkeit halten sich oft hartnäckig, selbst wenn der Verlust an Elektrolyten ausgeglichen wird. Wer bei Bier bleibt, mag noch Glück haben. „Härtere“ Drinks wie die bei Jüngeren beliebten Wodka-Mischungen sorgen für verheerendere Nachwirkungen. Der Blutalkoholspiegel steigt schneller, wenn die Getränke warm sind, wenn sie Kohlensäure und Zucker enthalten und wenn der Magen leer ist.
Abgebaut wird der Alkohol im Körper in zwei Stufen, wobei Enzyme zum Einsatz kommen, Mineralstoffe und Wasser ausgeschwemmt werden. Der Schwindel bei einem Kater wird selten von vermeintlichen Wundermittelchen angehalten, sagen Experten. Sie ersetzen vorwiegend die verlorenen Mineralien.
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Kinderärzte: Das sollte man bei Durchfall tun
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte weist darauf hin, dass Durchfälle bei den Kleinen oft einhergehen mit Erkältungen, Mittelohrentzündungen oder anderen Infekten. Durchfall mit Fieber und Erbrechen ist oft ein Hinweis auf eine Magen-Darm-Infektion. Der Ausgleich des Wasserverlustes kann einem Kind auch dadurch erträglicher gemacht werden, dass es verdünnten schwarzen Tee oder Fenchel- und Kamillen-Tee bekommt. Bei anhaltendem Durchfall sollte eine Praxis aufgesucht werden.
Dr. Johannes Wimmer bei Youtube
Die zielgruppengerechten Anti-Kater-Tipps für die Internet-affine Generation gibt unter anderem der Hamburger Arzt Dr. Johannes Wimmer („Alkohol ist Nervengift für den Körper“) in einem Video bei Youtube für die Techniker Krankenkasse. Außer Wasser, Katerfrühstück mit Rollmops und Kamillentee sowie viel frischer Luft rät er zu Pfefferminzöl, das man sich auf die Schläfen reiben solle. Seinen Beitrag leitet er ein mit den Worten seiner Großmutter: „Wer feiert, kann auch arbeiten.“