Hamburg. Die Zahl der Alkohol-Unfälle steigt. Viele Fahrer wissen zudem nicht, was sie riskieren, wenn sie angetrunken Roller fahren.
Sie sind wendig, sie sind schnell, und sie sind bei vielen beliebt, um kurze Wege zurückzulegen: E-Scooter sind aus dem Stadtbild kaum noch wegzudenken. Sie galten als willkommener Baustein „für den letzten Kilometer“ von der S-Bahn oder der Bushaltestelle nach Hause. Doch Experten aus Justiz und Medizin warnen vor den Gefahren — insbesondere, wenn der E-Scooter-Fahrer Alkohol getrunken hat.
Bereits bei 0,3 Promille erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit, dass es zu schweren Unfällen kommt, beträchtlich. „Die Leute fahren damit teilweise von der Kneipe nach Hause“, sagt Ewald Brandt, Hamburg-Vorsitzender beim „Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr“ (BADS). „Alkoholdelikte sind beim Scooter-Fahren ein besonderes Problem.“
Verkehr Hamburg: E-Scooter sehr beliebt
Bei der Einführung der E-Scooter im Jahr 2019 sei „viel Euphorie im Spiel gewesen“, so Brandt. „Und weniger der Blick, dass es sich um ein besonderes Verkehrsmittel handelt, bei dem wir uns mit den Gefahren auseinandersetzen müssen.“ In Hamburg seien im Jahr 2020 etwa 2,14 Millionen Fahrten mit E-Scootern erfasst worden, erklärt Brandt. Dieser Wert sei im vergangenen Jahr auf circa 7,5 Millionen Nutzungen angestiegen.
„Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass sich die Nutzungszahlen weiter erhöhen“, sagt der Hamburger BADS-Vorsitzende. Er wolle das „auch gar nicht kritisieren“. Nur müssten die Verkehrsplanungen darauf eingestellt sein. „Ausreichend Verkehrswege und Parkflächen müssen eingerichtet werden. Auch die Polizei wird sich bei ihren Kontrollmaßnahmen des Problems von Verkehrsverstößen stärker annehmen müssen.“
Nutzer können Führerschein fürs Auto verlieren
Jurist Brandt, der bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2019 Leiter der Staatsanwaltschaft Hamburg war, bemängelt, dass vielen Nutzern unbekannt sei, dass es sich bei E-Scootern um Kraftfahrzeuge handelt. Schon mit 0,3 Promille könne man sich unter Umständen strafbar machen. Ab 0,5 Promille begeht der Nutzer eine Ordnungswidrigkeit. Dies habe laut Bußgeldkatalog bereits bei Erstbegehung ein Bußgeld von 500 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat zur Folge.
„Viele Nutzer von E-Scootern wissen nicht, dass man sogar seinen Führerschein fürs Auto verlieren kann“, erklärt Brandt. Weil bereits ab 0,3 bis 0,5 Promille der Gleichgewichtssinn beeinträchtigt sei, entstünden viele Unfälle beispielsweise durch Kantsteinberührung. Die Einführung einer Helmpflicht sei „zu empfehlen“, so Brandt. „Sie wird zu einem spürbaren Rückgang der in der Vergangenheit vermehrt festgestellten gefährlichen Verletzungen führen.“
„Es gibt auch erste Todesfälle“
Prof. Klaus Püschel, Wissenschaftlicher Berater des BADS und Rechtsmediziner, fordert ausdrücklich eine Helmpflicht für E-Scooter-Fahrer. Dass es eine solche bisher nicht gebe und ebenso wenig sonstige verpflichtende Schutzeinrichtungen wie Schutzwesten, „führt zu erheblichen Verletzungen“, betont Püschel. „Es gibt auch erste Todesfälle.“ Es werde „total unterschätzt, dass E-Scooter eine erhebliche Geschicklichkeit erfordern“. Außerdem führe die „nicht geringe Geschwindigkeit“ von immerhin 20 km/h dazu, dass E-Scooter-Fahrer häufig in Unfälle verwickelt seien.
Alkoholkonsum sei deshalb so gefährlich, „weil E-Scooter durch die besonders kleinen Reifen leicht aus der Spur geraten können. Kleine Lenkfehler führen schon zu Stürzen. Im Grunde ist es erschreckend, wie die Nutzung von E-Scootern verharmlost wird“, kritisiert der Rechtsmediziner. Darüber hinaus seien E-Scooter, die einfach irgendwo abgestellt werden, immer noch ein großes Ärgernis als Hindernisse für gehbehinderte Menschen, ebenso wie für Sehbehinderte und für ältere Fußgänger.
Fahrten unter Alkohol besonders oft in der Nacht
Für E-Scooter-Fahrer fordert Püschel „am besten 0,0 Promille, jedenfalls eine Grenze noch unterhalb von 0,3 Promille“. Man solle zudem überlegen, ob der Gebrauch von E-Scootern auf bestimmte Zeiten eingrenzt werden müsse, weil Studien zeigten, dass insbesondere in den Abend- und Nachtstunden alkoholisiert gefahren wird. „Andere Großstädte haben das schon gemacht.“ Zudem hält Püschel es für sinnvoll, einen „kleinen Führerschein“ vorzuschreiben, für den eine Schulung an E-Scootern verpflichtend sein soll.
Eine Hamburger Studie hat explizit den Zusammenhang zwischen dem Einfluss von Alkohol und der Unfallgefahr sowie den daraus resultierenden Verletzungen untersucht. Dabei ergab sich, dass keine der Frauen und Männer, die mit dem E-Scooter verunglückten und sich dabei verletzten, einen Helm trug. Sowohl die Unfälle als auch die Fahrten unter Alkohol ereigneten sich gehäuft an Wochenenden und in den Abend- und Nachtstunden.
Fahrer hatten meistens Gesichts- und Kopfverletzungen
Für ihre Untersuchungen hatten die Autoren der Studie, unter anderem der Direktor des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin, Prof. Benjamin Ondruschka, sein Amtsvorgänger Prof. Püschel sowie Rechtsmedizinerin Dr. Antonia Fitzek, Daten aus der Notfallambulanz des UKE sowie die Ergebnisse aus Blutproben von E-Scooter-Fahrern analysiert. Demnach wiesen von den 342 E-Scooter-Fahrern, die unter Alkohol-Einfluss unterwegs waren, 266 Personen über 1,1 Promille auf.
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Von den 253 E-Scooter-Fahrern, die wegen Verletzungen das UKE aufsuchten, hatten die meisten Gesichts- und Kopfverletzungen beziehungsweise Weichteilverletzungen an Armen und Beinen. 18 Personen erlitten ein Schädel-Hirn-Trauma. Eine weitere Untersuchung bei 145 E-Scooter-Fahrern, die als Patienten in die Asklepios-Klinik St. Georg beziehungsweise die Schön Klinik in Hamburg Eilbek kamen, zeigt, dass sich 50,3 Prozent der Unfälle zwischen 18 Uhr abends und 6 Uhr morgens ereigneten. In beiden Hamburger Studien wird angeregt, über ein nächtliches Fahrverbot zu diskutieren.
Verkehr Hamburg: Alkohol-Verstöße landen vor Gericht
Unterdessen kommen Verfahren in Bezug auf Alkohol-Verstöße auf E-Scootern auch immer wieder zu den Hamburger Amtsgerichten. Dort stellten solche Fälle aber „kein Massenphänomen dar“, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Meist fallen die Fahrerinnen und Fahrer auf, weil sie Schlangenlinien fahren, den E-Scooter mit zwei Personen benutzen oder stürzen. Bei der Kontrolle ergibt sich dann: Die Fahrer sind alkoholisiert.