Hamburg. Der Senator spricht von einem “eindrucksvollen Beleg“ für die Arbeit der Fahnder – die Linke nennt seine Personalpolitik ein “Unding“.

Es ist eine Bilanz mit Licht und Schatten. Trotz personeller Unterbesetzung hat die Hamburger Steuerfahndung in den Jahren 2018 bis 2021 insgesamt mehr als 300 Millionen Euro zusätzlich eingetrieben – damit war dies der mit Abstand „erfolgreichste“ Zeitraum im vergangenen Jahrzehnt. Zum Vergleich: 2010 bis 2013 waren 236 Millionen eingetrieben worden, 2014 bis 2017 sogar „nur“ 176 Millionen. Das geht aus den Antworten des Senats auf eine Große Anfrage der Linksfraktion in der Bürgerschaft hervor.

Demnach schwanken die Ergebnisse stark: Wurden 2018 mehr als 113 Millionen Euro zusätzlich eingetrieben, waren es 2019 nur noch 22 Millionen. 2020 erzielten die Fahnder dann wieder mehr als 100 Millionen Euro Mehreinnahmen, was vor allem an einem „dicken Fisch“ lag, der allein 85 Millionen Euro in die Kassen brachte. Angesichts von rund 85 Mitarbeitern bei der Steuerfahndung und durchschnittlich 75 Millionen Ertrag pro Jahr bewahrheitet sich aber grob die alte Faustformel, dass ein Fahnder rund eine Million pro Jahr eintreibt.

Steuerfahndung in Hamburg sehr erfolgreich – aber unterbesetzt

„Wir schauen sehr genau hin, gehen Hinweisen und Verdachtsfällen konsequent nach, das ist allein schon eine Frage der Steuergerechtigkeit“, sagte Finanz­senator Andreas Dressel (SPD) dem Abendblatt. „Die Bilanz der letzten Jahre, mit rund 300 Millionen Euro, sind dafür ein eindrucksvoller Beleg der erfolgreichen Arbeit unserer Steuerfahnderinnen und Steuerfahnder.“

Das führt allerdings zur Schattenseite: Denn das Ziel, die Steuerverwaltung personell aufzurüsten, wurde ausweislich der Zahlen nicht erreicht. Im Gegenteil: Die Zahl der Vollkräfte in der Steuerverwaltung ist seit 2011 von 3400 auf 3357 gesunken. Dabei gab es auch bei der Steuerfahndung einen leichten Rückgang (von 87,1 auf 85,8 Kräfte), bei der Betriebsprüfung dagegen einen Aufwuchs von 543 auf 634 Vollzeitmitarbeiter. Auch diese Abteilung holt ein „Mehrergebnis“ von rund 400 bis 700 Millionen Euro pro Jahr herein.

Bei der Steuerfahndung fehlt Personal

Dennoch liegt Hamburg weit unter dem, was der „nach bundeseinheitlichen Grundsätzen ermittelte Personalbedarf“ vorgibt, wie der Senat einräumt: So sollten in der Veranlagung eigentlich 1431 Vollzeitkräfte tätig sein, es sind aber nur knapp 1390 – 41 fehlen also. Bei den Betriebsprüfern fehlen sogar 191 Mitarbeiter, bei den Steuerfahndern 23, und in der Umsatzsteuer-Sonderprüfung weitere 30.

Allerdings sind in diesen Zahlen noch nicht die Anwärterinnen und Anwärter der Norddeutschen Akademie für Finanzen und Steuerrecht (NOA) enthalten. Deren Zahl war schon auf Initiative des damaligen Finanzsenators und heutigen Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) massiv gesteigert worden. Tatsächlich hat sich die Zahl der Einstellungen und Übernahmen laut den Senatsangaben verdreifacht: 2011 wurden nur 62 Nachwuchskräfte eingestellt, 2021 schon 186 – damit konnten erstmals seit Jahren wieder die Abgänge (168) mehr als kompensiert werden. Diese Ausbildungsoffensive setze man „auch unter für den Haushalt schwierigen Bedingungen weiter fort“, kündigte Dressel an.

Anzahl der Lohnsteuer-Außenprüfungen gesunken

Vorerst schlägt sich die personelle Unterbesetzung aber durchaus nieder: So sind im vergangenen Jahrzehnt sowohl die Anzahl der Lohnsteuer-Außenprüfungen (von 4006 pro Jahr auf 2679) als auch die Zahl der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen (von 1704 auf 1255), die Zahl der Umsatzsteuer-Nachschauen (von rund 2000 auf 686), die Zahl der Strafverfahren wegen Steuerstraftaten (von 1739 auf 781) und entsprechend auch die Zahl der Strafbefehle und Urteile wegen Steuerhinterziehung (von 226/77 auf 134/41) gesunken. Und das, obwohl Hamburg laut Senatsangaben so viele „Einkommensmillionäre“ (das sind Bürger mit mehr als 500.000 Euro – ehemals eine Million D-Mark – Jahreseinkommen) hat wie noch nie: 994.

Zum Teil war die geringere Anzahl an Prüfungen durch die Corona-Pandemie zu erklären, weil auch die Prüfer zeitweise keine Außentermine wahrnehmen konnten. Doch viele dieser Werte waren schon vorher rückläufig. So räumt die Finanz­behörde auf Nachfrage ein, „dass sich die Steuerverwaltung seit einigen Jahren in einem spürbaren, altersbedingten Personalumbruch befindet, der mit dem Verlust vorhandenen Know-hows und der Einarbeitung neuer Bediensteter einhergeht“. Zudem sei die Zuständigkeit für die Kraftfahrzeugsteuer auf den Zoll übergegangen und es habe "einen gewissen Personalabbau in den sogenannten Intendanzbereichen" gegeben, also dem Verwaltungsüberbau.

295 Millionen Euro aus Cum-ex-Geschäften zurückgefordert

David Stoop, haushaltspolitischer Sprecher der Linksfraktion, nennt das „ein Unding. Es fehlen fast 300 Vollzeitkräfte, die in Hamburg Steuern prüfen. Das erklärt dann auch, weshalb vor allem bei Großbetrieben und Einkommensmillionären viel zu häufig weggeschaut wird. Doch wenn Hamburg bei Superreichen und großen Konzernen die fälligen Steuern nicht einzieht, fehlen dem Staat am Ende Millionen, wenn nicht gar Milliarden Euro Steuereinnahmen.“

Aus der Anfrage geht zudem hervor, dass Hamburgs Finanzämter für die Jahre 2006 bis 2011 insgesamt 295 Millionen Euro aus Cum-ex-Geschäften zurückgefordert haben. Namen nennt der Senat dazu zwar nicht, aber da die Warburg-Bank (rund 170 Millionen) und die HSH Nordbank (rund 125 Millionen) eine entsprechende Zahlung eingeräumt hatten, dürfte es sich nicht um neue, sondern um diese bekannten Fälle handeln.

Steuerfahndung: 6116 Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung

Wie der Senat zudem mitteilt, hat das Hamburger Finanzamt für Prüfungsdienste und Straf­sachen eine „Ermittlungsgruppe Cum/Ex“ eingesetzt, die der Staatsanwaltschaft Köln zuarbeitet, bei der die strafrechtlichen Ermittlungen zusammenlaufen. Außerdem sei geplant, eine „Taskforce auf Ebene der Finanzbehörde“ einzurichten. Auch ein Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft arbeitet die Fälle auf.

In den Jahren 2010 bis 2021 sind insgesamt 6116 Selbstanzeigen eingegangen, darunter allein 3060, die Kapitalanlagen in der Schweiz, in Liechtenstein oder Luxemburg betreffen. Alles in allem wurden knapp 790 Millionen Euro nachgemeldet.