Hamburg. Eltern verletzen ihre Kinder unbewusst, der Alltag triggert zusätzlich. Coach Christine Funke weiß, wie die Kommunikation funktioniert.
„Ich doch nicht!“, das dachte sich Christine Funke vor mehr 20 Jahren, als sie begann, sich mit Marshall Rosenberg und seinem Konzept der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) auseinander- zusetzen.„Ich doch nicht!“, formulierte ich still, als ich von „Gewalt in der Sprache“ las. Verletzungen durch Redewendungen, Formulierungen?
Im Familienpodcast erklärt Funke, wie verbreitet es ist, destruktive Ausdrucksformen zu verwenden. Gerade in der Begleitung von Kindern. Sie ist Kommunikationstrainerin (www.gewaltfrei-kommunizieren.hamburg), Coach und Yogalehrerin. Sie erzählt mit sehr vielen Beispielen – die die meisten gut kennen werden, da es sich um Alltagssituationen mit Kindern handelt –, wie Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Kindern und Eltern funktioniert.
Familie: Unsere Sprache ist von Wertungen geprägt
Grundlage für den amerikanischen Psychologen Rosenberg war die Frage, „Warum werden Menschen gewalttätig? Physisch und psychisch, so negativ, destruktiv.“ Er hat festgestellt, dass es in unserer Sprache viel um Urteile, Wertungen, Forderungen geht. „Wenn, dann“-Ausdrücke, Vergleiche à la „Lisa kann das schon viel besser als du!“, „Immer machst du das so.“ Niedermachen, selbstverurteilen, diese Dinge bewusster zu merken und zu einer zugewandten und liebevollen Haltung zu finden.
„Alles sind kleine Verletzungen, die man immer wieder hört, dann denkt so ein kleiner Mensch, er würde nicht gehört, sei nichts wert. Und das wollen wir ja gar nicht, wir möchten ja, dass unsere Kinder selbstbewusste Menschen werden,“ sagt Funke. Gut/schlecht, richtig/falsch, das System von Bewertungen rutsche gerade im Stress in unsere Sprache. Im Mittelpunkt der gewaltfreien Kommunikation steht, das Kind oder auch den anderen Erwachsenen und sich selbst zu fragen, „was fühle ich?“ und „was brauche ich, was brauchst du?“ statt „so ist das“ und „so sollst du sein“.
„Kinder wollen ein Gegenüber haben"
„Ich begebe mich weg vom Beurteilen und schon wissen, was Sache ist, hin zur Ebene, wie der andere Mensch sich fühlt und was er braucht.“ Das sei eine Haltung, durch Fragenstellen signalisiert man echtes Interesse. „Kinder wollen ein Gegenüber haben, sie testen keine Grenzen“, sagt Funke, selbst Mutter eines zehnjährigen Jungen. „Sie wollen sehen, wer wir wirklich sind.“ Durch den Dialog auf Augenhöhe, Lösungsvorschläge gemeinsam finden, das bereite Kinder auch darauf vor, was später von ihnen erwartet wird. Eigenständig Probleme zu lösen, frei zu denken.
Ein Experiment zeigt, wie unterschiedlich wir mit unseren Mitmenschen kommunizieren: Zwei Gruppen wird eine unaufgeräumte Diele gezeigt, der einen Gruppe wird gesagt, das eigene Kind sei der Verursacher des Chaos, bei der anderen Gruppe wird angegeben, es sei der Nachbar gewesen. Das Ergebnis der Reaktionen der Versuchsteilnehmer ist nicht leicht zu verstehen. Denn: Die eigenen Kinder wurden sprachlich sehr viel harscher angegangen als der Nachbar. Warum also sprechen wir mit unseren Kindern, die uns das Liebste sind, teilweise unfreundlicher als mit Menschen, die uns nicht einmal emotional nahestehen?
Familie: "Respekt fluscht uns im Stress weg"
„Den Respekt, den wir zu Fremden oder gerade Erwachsenen im Gegensatz zu Kindern haben, das ist der, der uns im Stress so wegflutscht“, sagt Funke. „Unsere Kinder sind uns näher, nach außen hin wollen wir Haltung bewahren, auch, wenn es in uns grummelt.“ Auch könnte die Auffassung, die tief in uns drin ist, dass Kinder irgendwohin erzogen werden müssten, Grund für diese Reaktionen sein. Die Annahme, dass mit dem Harschen, Urteilenden etwas Gutes erzielt werden könnte. „Uns ist auch nicht bewusst, wie sehr es unsere Kinder verletzt, diese Augenhöhe zu verlieren.“
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Im Podcast erläutert Funke Schritt für Schritt an mehreren Beispielen, wie wertschätzende und respektvolle Kommunikation mit den eigenen Kindern ablaufen kann. Auch in ihren Elternseminaren „Empathische Kommunikation mit Kindern“ bespricht sie viele Fälle und hilft Eltern damit, aus ewig gleichen Konflikten auszusteigen.