Hamburg. Prof. Dr. Bein, Leiter der Intensivmedizin der Asklepios Klinik St. Georg, über aktuelle Lage und Vorurteile gegenüber Organspenden.
Rund 9000 Patienten warten in Deutschland derzeit auf ein Spenderorgan; die meisten von ihnen benötigen dringend eine Niere, andere hoffen zeitnah auf ein Herz oder eine Leber. Doch nur jeder Zehnte darf damit rechnen, tatsächlich eine Organspende zu erhalten.
„Man darf nicht vergessen, dass nur 15 Prozent der Bundesbürger einen Organspendeausweis besitzen“, sagt Professor Dr. Berthold Bein. Er selbst habe auch erst seit zwei Jahren einen, gibt der Leiter der Intensivmedizin von der Asklepios Klinik St. Georg offen zu. „Die Entscheidung ist mir doch nicht so leicht gefallen wie gedacht. Wer sich mit Organspende beschäftigt, der beschäftigt sich zwangsläufig mit dem eigenen Tod. Und wer tut das schon gern? Wir sind alle Weltmeister im Verdrängen“, sagt der habilitierte Mediziner.
Organspende: Prof. Dr. Bein räumt mit Vorurteilen auf
Auf der Intensivstation sei immer das oberste Ziel, Leben zu retten. „Wir kämpfen um jeden Patienten!“, sagt der Chefarzt. Deshalb sei die immer noch weit verbreitete Sorge, dass man als Organspender womöglich vorschnell für tot erklärt werde, auch völlig unbegründet. „Die Kollegen, die den Tod eines Patienten feststellen, haben rein gar nichts mit einer möglichen Organentnahme oder Transplantation zu tun. Da gibt es also keine Vorteile oder Interessenkonflikte.“ Grundsätzlich kommen auch Patienten als Spender infrage, die keinen Organspendeausweis besitzen.
„Wir sprechen immer mit den nächsten Angehörigen. Falls sie den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen kennen und auch kommunizieren möchten, ist eine Organspende möglich.“ Diese Entscheidung sei für die Verwandten aber natürlich schwierig. „Sie trauern, haben gerade einen lieben Menschen verloren. Da wollen wir auf gar keinen Fall in irgendeiner Weise Druck aufbauen und tun es auch nicht.“
Organspende: Jeder kommt in Frage
Dennoch ist Zeit ein „kritischer Faktor“: „Natürlich gilt bei der Organentnahme: je eher, desto besser“, sagt der Mediziner, der zuvor am UKE und auch am Uniklinikum Kiel gearbeitet hat. Die Verteilung von Spenderorganen werde durch Eurotransplant organisiert und von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) koordiniert. „Konkret läuft das so ab, dass wir der DSO beispielsweise melden, dass ein Patient als Organspender infrage kommt. Dann kommt schnellstmöglich ein Ärzteteam aus Berlin, Frankfurt, München angeflogen, eben aus der Stadt, in der ein Patient auf die passende Spende wartet, und entnimmt das Organ. Mit dem Flugzeug geht es dann zurück in die jeweilige Klinik.“ Man werde über Geschlecht und Alter des Empfängers informiert, erhalte in der Regel aber keinen Namen.
Kommt denn jeder als Spender infrage? „Natürlich gibt es Ausnahmen, aber es ist zum Beispiel selten jemand zu alt“, erklärt der Intensivmediziner, der mit einer Kollegin verheiratet ist und vier Kinder hat. Es gelte das Prinzip „old for old“. Im Klartext: „Wenn ein über 60-Jähriger schon lange an der Dialyse ist, dann kann ihm die Niere eines verstorbenen 70-Jährigen ein paar Jahre lang durchaus sehr helfen. Denn die Lebenserwartung war ja in etwa gleich.“
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Organspender: Patienten mit Covid-19 bisher von der Spende ausgeschlossen
Professor Dr. Berthold Bein, der ursprünglich Orthopäde werden wollte („aber eigentlich nur, weil mein Nachname sich so gut auf dem Praxisschild gemacht hätte“), hofft auf mehr Organspendebereitschaft. Denn die Pandemie hat die ohnehin schon angespannte Lage noch weiter verschärft: „Im ersten Quartal 2022 haben wir 25 Prozent weniger Spenderorgane in Deutschland verzeichnet als im selben Quartal des Vorjahres.“
Die Gründe? „Die Personaldecke ist dünn, und eine Entnahme und Transplantation ist eine komplexe und zeitintensive Geschichte.“ Hinzu komme, dass Patienten, die mit Covid-19 verstorben seien, bisher als Spender ausgeschlossen würden. „Das ändert sich glücklicherweise jetzt. Jene, die mit und nicht an Corona verstorben sind, kommen nach entsprechender Abklärung als Spender infrage, sofern sie das selbst formuliert haben oder eben die Angehörigen von dem Wunsch wissen.“