Hamburg. Spitzenforscher unterzeichnet Vertrag im Rathaus. Der 58-Jährige wird Burkhard Göke ablösen. Termin für Amtsantritt steht fest.

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) bekommt bald einen neuen Ärztlichen Direktor und Vorstandsvorsitzenden: Der Neurologe Christian Gerloff (58) soll zum 1. Januar 2023 Nachfolger des Internisten Burkhard Göke (66) werden, der das UKE seit 2015 führt. Die Entscheidung über die Top-Personalie fiel in der jüngsten Sitzung des Kuratoriums der Klinik unter dem Vorsitz von Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne).

Am Dienstagmittag unterzeichnete Gerloff im Rathaus seinen Vertrag. Der Professor ist derzeit Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie am UKE und stellvertretender Ärztlicher Direktor des Krankenhauses. Er gilt als Experte für die Schlaganfallbehandlung. Als Forscher beschäftigt er sich seit drei Jahrzehnten insbesondere mit der Anpassungsfähigkeit (Plastizität) und Vernetzung des Gehirns, außerdem etwa mit der Parkinson-Krankheit und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Medizin.

Neuer UKE-Chef für seine Lehre mehrfach ausgezeichnet

Der Vater zweier Kinder ist auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und Mitglied in diversen Fachgesellschaften; er kann auf mehr als 450 wissenschaftliche Publikationen verweisen, darunter Studien, die in renommierten Fachjournalen wie „Lancet“ und dem „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurden. Für seine Lehre wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Teacher-of-the-year-Preis der Stadt Hamburg.

Der Vertrag des amtierenden Ärztlichen Direktors Prof. Burkhard Göke läuft zum Jahresende aus. Aus persönlichen Gründen habe er nicht verlängern wollen, heißt es aus der Wissenschaftsbehörde. Göke ist Experte für Diabetes. Die jüngsten Erkenntnisse auf diesem Gebiet der Öffentlichkeit zu vermitteln war dem UKE-Chef so wichtig, dass er dazu einen Vortrag für jedermann im Rahmen der UKE-Gesundheitsakademie hielt.

Designierter UKE-Chef wird Digitalisierung vorantreiben

Um einen Nachfolger für Göke zu finden, hatte sich die Findungskommission unter der Leitung von Fegebank von einem Personalberatungsunternehmen unterstützen lassen. In einem „hochkompetitiven Wettbewerb“ habe sich schließlich mit Christian Gerloff ein Hamburger Kandidat durchgesetzt, so der Senat.

Katharina Fegebank würdigte Gerloff als „ausgewiesenen Kenner des UKE und exzellenten Wissenschaftler mit langjährigen Erfahrungen im Management eines Universitätsklinikums“. Der Neurologe bringe „eine klare Vision“ sowie „Konzeptions- und Umsetzungsstärke“ mit und verfüge über ein „herausragendes Renommee in der Wissenschaftsgemeinschaft“, sagte die Senatorin. Gerloff könne den Weg der strukturellen und baulichen Weiterentwicklung des UKE effektiv fortführen, aber auch wichtige strategische Projekte mit eigenen Ideen umsetzen, insbesondere in puncto Digitalisierung. So soll am UKE etwa bis 2025 ein neues klinisches Arbeitsplatzsystem eingeführt werden, das unter anderem eine elektronische Patientenakte beinhaltet.

UKE: Gerloff will Menschen für medizinische Berufen begeistern

Gerloff erklärte, das UKE entwickele sich rasant. „Das hat mich in den vergangenen Jahren geprägt und begeistert“, sagte er und nannte Beispiele für Veränderungen: „Frühe Digitalisierung. Weg vom Kleinstaatendenken, hin zu einem großen interprofessionellen und interdisziplinären Team.“ Nun sei das Universitätsklinikum in einer Phase, in der „baulich wie digital neue Ufer zu erreichen sind“. Das reize ihn, zusammen mit der großen Herausforderung, Menschen für die medizinischen Berufe am UKE zu begeistern – bekanntlich herrscht insbesondere in der Pflege ein Mangel an Fachkräften.

Gerloff stammt aus Bayern. Nach Abitur und Wehrdienst absolvierte er als Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes von 1984 bis 1991 ein Studium der Humanmedizin in Freiburg und Wien. Es folgte die Facharztweiterbildung an der Klinik für Neurologie am Uniklinikum Tübingen, wobei Gerloff in dieser Zeit auch als Postdoc an den National Institutes of Health in Bethesda (USA) arbeitete, unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Von 2000 bis 2006 war er Oberarzt in Tübingen. Seit 2006 arbeitet Gerloff als Professor am UKE.

Dort entsteht viel Neues, was den Anspruch des UKE untermauern soll, eine Spitzeneinrichtung für Patienten und für die Forschung zu sein. Dazu zählt etwa der 70 Millionen Euro teure Neubau der Martini-Klinik. Das Prostatakrebszentrum, dessen Eröffnung für 2023 geplant ist, wird eine Nutzfläche von 10.000 Quadratmetern bieten – das alte Gebäude verfügt über 6400 Quadratmeter.

45 Millionen für Center zur Forschung an Autoimmunerkrankungen

Ebenfalls im kommenden Jahr soll der Neubau des rund 200 Millionen Euro teuren Universitären Herz- und Gefäßzen­trums (UHZ) eröffnet werden. Es wird über 388 Betten verfügen – das alte, 2005 eröffnete UHZ bietet 280 Betten. In dem Neubau werden neun Operationssäle bereitstehen, zwei mehr als bisher. Vier davon – zwei mehr als bisher – werden als sogenannte Hybrid-OP-Säle eingerichtet, in denen Kardiologen, Herzchirurgen, Kinderherzmediziner und Gefäßspezialisten die Patienten mit einer Kombination aus Operation und Kathetereingriff (dünner Schlauch als Hilfsmittel) behandeln.

Im September 2021 legten Katharina Fegebank und Burkhard Göke den Grundstein für das voraussichtlich rund 45 Millionen Euro teure Hamburg Center for Translational Immunology (HCTI). Dort soll es um die Erforschung von Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose und chronisch-entzündliche Erkrankungen etwa der Leber, der Nieren und des Darms gehen. Das HCTI soll den einen Teil eines zweiteiligen Gebäudekomplexes bilden, in dem auch die Infektionsexperten des UKE arbeiten sollen, sodass Studien zu Entzündungen, Infektionen und Immunität bald unter einem Dach vorangetrieben werden könnten.

Gerloff muss überlastetes Personal auffangen

All das muss personell gestemmt werden. Probleme gab es zuletzt in der Versorgung. Ende 2021 und Anfang 2022 hatten Pflegende der Zentralen Notaufnahme und der Intensivstationen des UKE mehrfach über „ständige Überlastung“ geklagt und in Briefen an UKE-Pflegedirektor und Vorstandsmitglied Joachim Prölß Abhilfe gefordert. Im Dezember machten einige zeitweise ihre Ankündigung wahr, nicht mehr aus ihrem Dienstfrei einzuspringen und zusätzliche Schichten zu übernehmen, um Engpässe zu überbrücken.