Hamburg. Nach wochenlangem Warten auf Gepäck wird ein Hamburger selbst tätig. Zuvor wühlte er sich tagelang durch gestrandete Koffer.
Wunderschön waren die Eindrücke auf der italienischen Mittelmeerinsel Capri, doch beim Rückflug von Neapel nach Hamburg landeten der Musik- und Literaturwissenschaftler Jochen Brachmann mit seinem Partner mitten in der Realität europäischer Flughäfen: Flug annulliert, Piste gesperrt, Koffer weg. Eine Woche lang suchte der 63-jährige nach den beiden XXL-Koffern, in einem steckten ausgerechnet seine Hörgeräte.
„Was ich unternommen habe, hat es bislang noch nicht gegeben, und ich werde in meinem gesamten Freundes- und Bekanntenkreis und bei Social Media als Koffer-Held des Tages gefeiert“, sagt Brachmann über das Chaos. In dieser Woche will er wieder auf Reisen gehen – allerdings nur mit Handgepäck.
Flughafen Hamburg: Absurdes Koffer-Chaos
Am 22. Juni wollte das Paar mit Eurowings von Neapel nach Hamburg zurückliegen. Doch der Flug wurde gestrichen, wie so viele in diesen Wochen. Denn beim Flug- und Bodenpersonal herrscht akuter Personalmangel, weil viele Mitarbeiter sich während der Pandemie und der Krise der Luftfahrtbranche andere Jobs gesucht hatten. Also buchten die beiden Hamburger einen neuen Flug, diesmal mit Lufthansa, Business Class, für insgesamt knapp 2000 Euro, mit Zwischenstopp in München.
Auf dem bayerischen Flughafen erreichte die Reisenden allerdings die Nachricht, dass aufgrund von Reparaturarbeiten auf dem Pistenkreuz der Start- und Landebahnen in Hamburg vorübergehend keine Landungen möglich waren. „Sollten wir jetzt mit der Bahn zurückfahren?“, fragten sich die beiden. „Dann wären wir nachts um 1.30 Uhr in Hamburg.“ Das aber wollten sie nicht, also buchten sie um auf Eurowings, mussten das Terminal wechseln und sich durch Menschenmassen ihren Weg bahnen. Im guten Glauben, dass die Koffer ihnen auf anderen Wegen folgen. Verspätet landeten die zwei Urlauber auf dem Hamburger Flughafen.
Dann erlebten sie, wie so viele Passagiere in diesen Tagen, das Chaos mit dem Gepäck: Koffer nicht da. Am Gepäckermittlungsschalter meldeten sie ihren Verlust. In den Folgetagen fuhren die beiden Männer jeden Tag zum Hamburger Flughafen, um inmitten Tausender herrenloser Koffer nach ihren 32-Kilogramm-Gepäckstück zu suchen. Vergeblich.
Koffer-Odyssee mit Happy End für Hamburger
„Nachdem wir die Koffer nach einer Woche immer noch nicht hatten, obwohl wir jeden Tag zum Flughafen fuhren, um dort an die zwei Stunden zwischen Tausenden Koffern unsere eigenen zu suchen, bin ich am vergangenen Dienstag nachts um drei Uhr aufgestanden, habe um sechs Uhr die erste Maschine nach München genommen und dort mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln den Münchner Flughafen nach unseren Koffern umkrempeln lassen“, berichtet Brachmann.
Erst versuchte er es bei der Lufthansa, wo der freundliche Supervisor Martin Reimann sich seiner Sache annahm. „Sie müssen aber Geduld haben.“ Nach drei Stunden Suche kam er zurück und sagte: „Ich kann nichts für sie tun.“
Jochen Brachmann gab nicht auf und begab sich nun zu Eurowings. Eine Mitarbeiterin war nicht gerade begeistert, denn sie müsse nun im „Keller rumsteigen“. Nach mehr als zwei Stunden rief sie den Wartenden an: „Hier ist Eurowings. Wir haben ihre beiden Koffer.“ Daraufhin bekam der Hamburger, wie er gesteht, einen „kleinen Heulanfall“.
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Hamburger zieht Konsequenzen aus Kofferchaos
Nun aber mussten die beiden Gepäckstücke noch nach Hamburg gelangen, ohne abermals verloren zu gehen. Brachmann kaufte sich ein Lufthansa-Ticket. Und der Münchner LH-Supervisor Martin Reimann kümmerte sich persönlich darum, dass die Koffer tatsächlich an Bord des Fliegers gelangten. Am 28. Juni landete der Musikwissenschaftler samt Koffern wieder in Hamburg. „Meine Hörgeräte“, das lernt er daraus, „werde ich künftig nur noch im Handgepäck transportieren.“
Indes rechnet die Reisebranche mit dem Beginn der Ferien mit weiteren, erheblichen Beeinträchtigungen im Flugverkehr und beim Transport der Gepäckstücke. In den beiden ersten Ferienwochen erwartet Hamburg Airport jeweils rund 300.000 Passagiere – das entspricht über 70 Prozent im Vergleich zu 2019. An den stärksten Tagen sind es rund 50.000 Fluggäste.
„Ich bedaure sehr, dass die Flugreise derzeit nicht immer den gewohnten Ansprüchen an Qualität und Schnelligkeit entspricht. Alle Partner im Luftverkehr arbeiten mit Hochdruck daran, dass der Service für die Passagiere wieder zu alter Stärke zurückkehrt“, sagt Michael Eggenschwiler, Vorsitzender der Geschäftsführung am Hamburg Airport.