Hamburg. Die Reise der Engelhardts nach Kanada dauert drei Tage. Nachdem sie endlich losgekommen waren, folgte die nächste Hiobsbotschaft.

Monique Engelhardt kommen die Tränen, wenn sie daran denkt, dass sie am 6. Juli 2022 den Rückflug vor sich hat. Denn die Anreise der 30 Jahre alten Hamburgerin mit ihrer Familie nach Kanada war eine Aneinanderreihung von Katastrophen, wie sie sagt. Und die Store-Managerin hat Angst, dass sich diese Odyssee bei der Rückreise wiederholt: Am Donnerstag, 16. Juni, war die fünfköpfige Familie am Flughafen in Fuhlsbüttel gestartet.

Ihre Reise dauerte ihren Angaben zufolge fast drei Tage, vier der fünf Koffer sind bis heute nicht angekommen. Auch der Kinderwagen für ihre einhalbjährige Tochter Mathilda ist bis heute verschollen. Wie diese Hamburger Familie erleben gerade viele Flugreisende auf ihren Reisen ähnliche Situationen – Flüge werden wegen Personalengpässen an den Sicherheitskontrollen verpasst, Koffer werden nicht transportiert, Flüge abgesagt. Bei Familie Engelhardt kam vieles zusammen.

Flughafen Hamburg: 5 Uhr morgens beginnt die Flug-Odyssee

Aber der Reihe nach: Die Großmutter (82) von Monique Engelhardts Mann Patrik traute sich die lange Reise nicht mehr allein zu, deshalb plante die Familie einen gemeinsamen Besuch bei Patriks Onkel in Regina in der kanadischen Provinz Saskatchewan. Auch Patriks Mutter (64) Margit ist mit von der Partie. „Weil seine Oma Probleme mit der Hüfte hat und herzkrank ist, haben wir im Reisebüro einen Handycap-Flug gebucht“, sagt Monique Engelhardt.

Sie seien vergangenen Donnerstag um 5 Uhr am Hamburger Flughafen gewesen, sagt die Hamburgerin. „Am Check-in-Schalter bei Eurowings waren nur drei Service-Mitarbeiter, obwohl die Schlange endlos lang war.“ Natürlich habe ihr Mann vorab versucht, die fünfköpfige Reisegruppe für den Flug LX4413 online einzuchecken, doch das sei nicht möglich gewesen. „Möglicherweise, weil wir bis Zürich mit Eurowings und von dort weiter nach Toronto und Regina mit Air Canada geflogen sind. Jeder hatte einen Koffer dabei und einen Rucksack oder Tasche als Handgepäck, außerdem hatten wir einen zweiteiligen Kinderwagen.“

Hamburg Airport: Kein Rollstuhl für Oma Ingetraud

Die Mitarbeiterin am Check-in-Schalter sei sehr unbeholfen gewesen, sagt Monique Engelhardt. „Sie hat ständig ihren Kollegen am Nachbarschalter fragen müssen.“ Auf mehrfaches Nachfragen, ob sie die Familie auch für den kompletten Flug mit allen Weiterflügen eingecheckt habe, habe die Mitarbeiterin versichert, dass das klappt. Es klappte nicht.

Der bestellte Rollstuhl für die Oma ihres Mannes stand in Hamburg nicht bereit. „Wir mussten quer durch den Flughafen, haben den Flug nach Zürich schließlich auch bekommen.“ Dort habe erneut kein Rollstuhl für Oma Ingetraud bereitgestanden – und auch vom Kinderwagen keine Spur. „Wir haben uns dann einen Rollstuhl, der da rumstand, geschnappt und die Oma reingesetzt“, sagt Monique Engelhardt.

Weiterflug wegen schlechten Wetters gecancelt

Ihre Tochter, die inzwischen etwa zwölf Kilo wiegt, hätten sie im Wechsel auf dem Arm zum Gate ihres Air-Canada-Fluges geschleppt, wo sie dann aber leider feststellen mussten, dass die Mitarbeiterin in Hamburg sie doch nicht durchgecheckt hatte. „Die Dame am Boarding Gate versuchte, unser Gepäck umzuleiten, und hat versichert, dass wir das in Regina bekommen werden.“ Außerdem habe sie ihnen ihre Bordkarten Zürich–Toronto und Toronto–Regina ausgehändigt. Nach dem achtstündigen Flug erhielten sie in Toronto die nächste Hiobsbotschaft, nachdem sie erneut durch die Sicherheitskontrolle mussten und mehrere Stunden lang die Zeit totgeschlagen hatten.

Der geplante Weiterflug wurde wegen schlechten Wetters gecancelt. Niemand habe ihnen eine Auskunft geben können, wann der nächste Flieger geht und wo ihr Gepäck sei. Lediglich eine Karte mit drei Servicenummern hätten sie in die Hand bekommen, „aber da ist niemand rangegangen. Spätabends erfuhren wir, dass wir anstatt am Donnerstag erst am Sonnabend früh von Toronto über Montreal nach Regina fliegen statt wie geplant ohne den Zwischenstopp in Montreal.“

Hohe Hotelrechnung und eine Nacht am Flughafen

Ihnen sei außerdem mitgeteilt worden, dass sämtliche Hotelzimmer ausgebucht seien. „Die Verwandtschaft meines Mannes hat sich schließlich gekümmert und doch noch ein Hotelzimmer für die Nacht von Donnerstag auf Freitag gefunden. Und obwohl da zwei große Betten drin standen und wir alle Platz gehabt hätten, durften wir wegen der Corona-Bestimmungen nicht in einem Zimmer wohnen.“

Schließlich hätten sie für 580 Kanadische Dollar zwei Zimmer gemietet, dazu kamen die beiden Taxifahrten für 120 Kanadische Dollar – umgerechnet rund 500 Euro. Doch auch am nächsten Tag konnten sie nicht ans Ziel fliegen, denn die Airline hatte sie erst für einen Flug am Sonnabend gebucht. Um nicht eine weitere Nacht hohe Hotelkosten anzuhäufen und weil der Flug ja am frühen Sonnabendmorgen starten sollte, hätten sie die nächste Nacht am Flughafen verbracht, sagt Monique Engelhardt – eine strapaziöse Angelegenheit sei das gewesen, für alle, vor allem für die betagte Großmutter.

Für ihre kleine Tochter hätte man ihnen nur einen Kindersitz gegeben, „den haben wir hingelegt, damit sie schlafen konnte.“ Warum sie nicht eine weitere Nacht im Hotel verbracht haben, obwohl sie das Geld wohl von der Airline zurückbekommen hätten? Das Ehepaar wartet nach eigenen Angaben immer noch auf die Rückerstattung von Extraausgaben bei einer Reise im Winter, als ihre Koffer auch verschollen waren und sie sich daraufhin eine neue Grundausstattung besorgen mussten. „Man muss ja immer in Vorleistung gehen“, sagt Monique Engelhardt.

Als sie schließlich am Sonnabendmittag endlich in Regina ankamen, waren fast drei Tage vergangen, sagt Engelhardt. Der Koffer ihrer Schwiegermutter sei inzwischen geliefert worden, auf die anderen sowie auf den Kinderwagen wartet die Familie immer noch. „Eine Nachbarin hat einen Kinderwagen, einen Kindersitz und Kinderkleidung vorbeigebracht“, sagt Monique Engelhardt.

Schwangere Frau fürchtet um ihr Baby

Und seither telefoniere ihr Mann, der als Controller arbeitet und sehr gut Englisch spreche, sich die Finger wund, um herauszufinden, wo ihr Gepäck geblieben sei. Das Reisebüro in Ottensen, wo sie die Reise gebucht hatten, habe ihnen bislang auch nicht weitergeholfen. „Ich habe Fotos von den vielen Koffern in Hamburg gesehen, die da herumstehen. Vielleicht sind unsere auch dabei“, fürchtet die junge Hamburgerin, die sich ebenso wie die anderen Familienmitglieder Kleidung leihen muss, weil sie nur haben, was sie auf dem Flug anhatten.

Nach Angaben einer Hamburger Flughafensprecherin ist die jeweilige Airline für den Check-in und das Passagierhandling zuständig. Die Airlines beschäftigten dann vor Ort sogenannte Abfertigungsagenten. Eurowings hat eine Abendblatt-Anfrage nicht beantwortet.

Die Rückreise ist für den 6. Juli geplant und steht vor allem Monique Engelhardt sehr bevor. Sie sagt: „Ich kann den Familienbesuch überhaupt nicht genießen.“ Und sie habe Angst, dass all der Stress ihrem Baby schade. Denn die junge Frau ist erneut schwanger.