Hamburg. Dass die Adler Group 1300 Wohnungen auf dem ehemaligen Brauereigelände baut, glaubt kaum noch jemand. Nun gibt es neue Bewerber.

Es wäre der Durchbruch, um ein Hamburger Drama endlich zu beenden. Seit 2016 ist das Holsten-Quartier zwischen Haubach- und Harkortstraße zum Spielball der Spekulanten geworden, die bunten Bilder eines belebten Quartiers blieben bis heute Luftschlösser. Mehrmals wechselte der Besitzer, doch abgesehen von einigen Abbrucharbeiten wuchsen nur das Unkraut und die Bewertungen in den Bilanzen. Auf die 1300 Wohnungen warten die Hamburger bis heute.

Das 8,6 Hektar große Grundstück, für das die Brauerei Holsten 2016 rund 150 Millionen Euro erlöst hatte, steht inzwischen mit 364 Millionen Euro in der Bilanz. Eigner des Filetgrundstücks ist die Adler Group über ihre Tochter Consus Real Estate. Nun wollen die Saga und Quantum das Areal übernehmen. Das bestätigten die Unternehmen dem Abendblatt.

Immobilien Hamburg: Saga und Quantum wollen Adler Group im Holsten-Quartier ablösen

„Seit über zehn Jahren arbeiten wir erfolgreich zusammen“, sagt Thomas Krebs, Vorstandschef der Saga. „Wir bringen die Erfahrung mit, vertrauen uns – und ergänzen uns kongenial.“ Während die Saga stark im geförderten Wohnungsbau sei, engagiere sich Quantum seit Jahren im frei finanzierten Wohnungs- sowie im Gewerbebau. Schon 2016 boten Quantum und die Saga für das Quartier, bekamen aber keinen Zuschlag. „Wir kennen das Holsten-Quartier und sind mit der Materie vertraut“, sagt Krebs. Drei Dinge seien nötig, das wichtige Stadtentwicklungsprojekt endlich umzusetzen: „Man muss eine vernünftige Reputation mitbringen, in der Stadt verankert und finanziell schlagkräftig sein. Wir können das stemmen.“

In der Vergangenheit hatte sich die Hamburger Politik zunehmend für einen Investorenwechsel starkgemacht. Altonas Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg (Grüne) hatte vor Kurzem die Notbremse gezogen, nachdem der Investor die geforderte Finanzierungszusage schuldig geblieben war. Alle Arbeiten am Bebauungsplan wurden Anfang Juni ausgesetzt.

Seit Langem fordert die Initiative „Knallt am dollsten“ eine Rekommunalisierung der Fläche: „Die Bebauung des Geländes gehört in die Hände eines Konsortiums aus Genossenschaften, kommunalen Wohnungsbauunternehmen und selbstverwalteten Projekten im Sinne einer neuen Wohngemeinnützigkeit“, heißt es dort.

Holsten-Quartier liegt seit 2019 brach – nun wollen Saga und Quantum einsteigen

„Es ist ein Trauerspiel, dass die Fläche nicht schon längst bebaut ist. Das Beste wäre, wenn die Stadt das Holsten-Gelände kaufen würde“, hatte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf im Mai erklärt. Der bei der Finanzbehörde angesiedelte Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) bat die Consus um Gespräche über einen möglichen Erwerb der Fläche. „Hier gibt es keinen neuen Sachstand“, hieß es am Montag in der Behörde.

Nun kommen die stadteigene Saga und der private Projektentwickler Quantum ins Spiel. „Wir sind ein bestens eingespieltes Team und mit allen Facetten vertraut, die dieses komplexe Projekt verlangt“, sagt Frank Gerhard Schmidt, Gründer von Quantum. „Als Hamburger Unternehmen liegt uns dieses Stadtentwicklungsprojekt besonders am Herzen.“

Schon 2002, als es um das Bavaria-Gelände ging, habe sein Unternehmen auch über das Holsten-Areal verhandelt. Bei dem Bavaria-Quartier auf St. Pauli kam Quantum zum Zuge, die Holsten-Brauerei verblieb in Altona. Erst 2019 zog die Traditionsbrauerei nach Hausbruch. Seitdem liegt das Gelände in Altona brach.

Saga und Quantum wollen nicht um jeden Preis einsteigen

Krebs betont, dass das Konsortium nicht um jeden Preis einsteigen will: „Der Einstand muss realistisch sein – und wir werden über die Rahmenbedingungen offen und ehrlich reden müssen, was angesichts explodierender Baukosten noch realisierbar ist.“

2021 hatten Bezirk und Consus einen Bebauungsplan verhandelt. Dabei hatte der Bezirk dem Investor noch 100 preisgedämpfte Wohnungen ab 12,90 Euro Miete abgerungen. Entstehen sollen die Wohnungen auf insgesamt 107.400 Quadratmetern im Drittelmix, also ein Drittel Eigentum, ein Drittel Miet- und ein Drittel geförderte Wohnungen. Geplant sind auch ein Hotel mit 170 Zimmern sowie 43.600 Quadratmeter Gewerbe, ein Großteil Büros, aber auch Handwerkerhöfe.

Holsten-Quartier: Bezirk stellt hohe Anforderungen an Bebauung

Der Bezirk hat hohe Anforderungen an die letzte große Brache der Stadt. Das Holsten-Areal soll nach Worten von Bergs „urban, grün und autoarm“ sein, mit einer Fortführung des Parks aus der Neuen Mitte, viel Fassadenbegrünung und Dachgärten. Sie sprach im Abendblatt von einem „ökologischen Vorzeigequartier“. Auf der Website der Adler-Group liest sich das etwas anders: Zwei Zahlen prangen dort: 1200 Wohnungen, 1014 Stellplätze.

Inzwischen sollen mehrere Konsortien Angebote gemacht haben. Bekannt ist, dass ein Hamburger seinen Hut in den Ring warf – der Investor Dieter Becken. Er versprach im Abendblatt, 650 öffentlich geförderte Wohnungen zu bauen, weitere 30 Prozent mietpreisgedämpft und 20 Prozent bezahlbare Eigentumswohnungen. „Wenn wir das Grundstück kaufen, dann müssen wir Schulter an Schulter mit der Stadt arbeiten und brauchen umgehend das Baurecht“, so Becken.

Adler Group ist in finanziellen Schwierigkeiten

An Adler glaubt in Hamburg kaum noch ein Politiker. Der Konzern befindet sich in schwerer See: Die Aktie der Adler Group, die Anfang 2021 noch bei knapp 30 Euro notierte, ist 4,40 Euro wert; das Papier der Tochter Consus fiel von mehr als sieben Euro auf 18 Cent. Mitte Mai schockte die Consus ihre Anleger mit einer Verlustanzeige. „Auf Basis der derzeitigen Berechnungen wäre das Eigenkapital der Gesellschaft zum 31.12.2021 aufgrund der Abschreibungen und der sich daraus ergebenen Verlustübernahmen auf Basis bestehender Ergebnisabführungsverträge negativ“, vermeldete der Eigner des Altonaer Grundstücks. Hintergrund seien „gestiegene Baukosten und eine deutliche Reduzierung des erwarteten Projektentwicklungsvolumens“.

Zusätzlich unter Druck geriet das Unternehmen Adler mit Steuersitz in Luxemburg in der vergangenen Woche: Da wurde bekannt, dass die Europäische Zentralbank ihre Adler-Anleihen abgestoßen hat. Das betreffende Papier erfülle nicht mehr die Zulassungskriterien des Sicherheitenrahmens des Eurosystems, erklärte ein Notenbanksprecher. Ein ungewöhnlicher Vorgang.

Immobilien Hamburg: Holsten-Quartier wäre schönes „Geschenk“ zum 100. Geburtstag der Saga

Für die Saga wäre das Holsten-Areal ein schönes Geschenk zum 100. Geburtstag. Die „Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona“ hat ihre Ursprünge im Stadtteil und ist heute mit 137.000 Wohnungen das zweitgrößte Unternehmen der Branche bundesweit. Quantum ist ein inhabergeführter Immobilienentwickler mit Sitz in Hamburg, der seit 1999 über eine Million Quadratmeter Gesamtfläche entwickelt hat. Mit dem Neubau „Wohnen am Suttnerpark“ oder dem Stadtpark-Quartier haben die Saga und Quantum bereits zusammen Hunderte Wohnungen gebaut.

In den Sternen steht, ob und wann das Holsten-Areal den Besitzer wechselt. Ursprünglich sollten die Arbeiten 2018 beginnen und 2020 die ersten Bewohner einziehen. Bis vor Kurzem sprach Adler vom Baubeginn 2022 und der Fertigstellung 2026. Inzwischen steht auf der Website: „Fertigstellung ca. 2027“.

Das könnte noch zu optimistisch sein. Quantum-Vorstand Schmidt schätzt, dass es zwei bis drei Jahre dauern werde, bevor nach einem möglichen Vertragsabschluss gebaut werden kann.