Hamburg. Speziallabore für Forschung zu Dunkler Materie und Gravitationswellen geplant. Die Stadt sucht nun Architekten für das HAFUN.
Dass ein Titel keinen dauerhaften Erfolg garantiert, hatte schon Dieter Lenzen deutlich gemacht. „Entspannt zurücklehnen können wir uns nicht“, sagte der frühere Präsident der Uni Hamburg, kurz nachdem seine Hochschule im Juli 2019 den Exzellenzstatus erhalten hatte.
Die Physiker hatten ein Jahr zuvor gleich Fördergeld für zwei große Verbundprojekte (Exzellenzcluster) ergattert. Dieses hohe Niveau zu halten ist jedoch eine Herausforderung für den Fachbereich: Etliche Forschende arbeiten noch in Gebäuden aus den 1960er-Jahren. „Insbesondere fehlt es uns an Laborräumen für hochpräzise, erschütterungsfreie und elektromagnetisch abgeschirmte Experimente“, sagt Peter Schleper, Co-Sprecher des Exzellenzclusters „Quantum Universe“.
Universität Hamburg: Architekten für HAFUN gesucht
Was den Physikprofessor allerdings zuversichtlich stimmt: Es stehen erhebliche Fortschritte in Aussicht. Vor Kurzem unterzeichneten die Wissenschaftsbehörde und die städtische Sprinkenhof GmbH eine Absichtserklärung für den Bau des Hamburg Fundamental Interactions Laboratory – kurz HAFUN. Das in der Science City Bahrenfeld geplante neue Forschungsgebäude mit 6200 Quadratmetern Hauptnutzfläche soll modernste Messanlagen bieten, die bei der Forschung etwa zu Dunkler Materie und Einsteins Gravitationswellen helfen.
Bis zum 11. Juli läuft die Bewerbungsfrist für Architekten. Bis Ende 2022 sollen Entwürfe für das Gebäude erstellt werden, das mindestens einen dreistelligen Millionenbetrag kosten dürfte. Mittelfristig wird die Hansestadt sich wohl um eine Bundesförderung bewerben, die ein Viertel der Kosten abdecken könnte.
Lehre "möglichst nah an den Experimenten"
Mit dem neuen Forschungsgebäude für die Uni gewinnt das Konzept für die Science City weiter an Kontur. Anfang 2019 hatten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) den Entwicklungsplan für das 125 Hektar große Areal im Hamburger Westen vorgestellt, wo Wissenschaft, Wirtschaft und Wohnen verzahnt werden sollen. Aus wissenschaftlicher Sicht stand lange hauptsächlich das außeruniversitäre Forschungszentrum Desy für Bahrenfeld. Künftig sollen dort aber auch fast die gesamte Physik, die Chemie sowie Teile der Biologie der Universität Hamburg angesiedelt werden.
Das HAFUN stehe für den ersten großen Schritt der Hochschule in die Science City hinein, sagt Peter Schleper. Die Labore seien nicht nur für Spitzenforscher gedacht. „Möglichst nah an den Experimenten wollen wir Lehre anbieten“, so der Physikprofessor. „Ich glaube, dass wir dann auch für Studierende und junge Wissenschaftler eine einmalige Forschungslandschaft erzeugen können.“
Neubau soll unterirdisches Labor beinhalten
Eine Besonderheit des Neubaus soll ein unterirdisches Labor für die Forschung zu Gravitationswellen werden. Das sind winzige, sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitende Verzerrungen der Raumzeit, die etwa durch verschmelzende schwarze Löcher und bei Sternexplosionen entstehen — und die vielleicht sogar Erkenntnisse über die Frühzeit des Universums kurz nach dem Urknall ermöglichen. Im Jahr 2015 gelang der erste Nachweis von Gravitationswellen – 100 Jahre nachdem Albert Einstein als Konsequenz aus seiner Allgemeinen Relativitätstheorie solche Signale vorhergesagt hatte.
Bis zu diesem Nachweis galt, dass Forscher Signale aus dem Universum nur im Spektrum elektromagnetischer Strahlung empfangen konnten, also etwa in Form von sichtbarem Licht, Infrarotlicht, Mikro- und Radiowellen. Allerdings bestehen schätzungsweise nur etwa fünf Prozent des Universums aus Materie, wie wir sie kennen, und von dieser Materie strahlt nur ein kleiner Teil. Indem Forscher nun zusätzlich Gravitationswellen registrieren und analysieren, können sie den bislang dunklen Teil des Universum hören – eine neue Ära der Astronomie soll beginnen.
HAFUN-Labor soll auf Spezialfundamenten stehen
Physiker der Universität Hamburg wollen einen Teil der Technik für das geplante Einstein-Teleskop entwickeln, ein riesiger Detektor, der erheblich empfindlicher für die äußerst schwachen Signale von Gravitationswellen sein soll als die heutigen Messanlagen. Er soll aus drei jeweils zehn Kilometer langen Tunneln im Untergrund bestehen, die zusammen ein Dreieck bilden. Durchlaufen Gravitationswellen die Messanlage, sollten sie die Strecken minimal stauchen und dehnen, was sich mit Lasern erfassen lässt. Als Standorte sind Sardinien, der Grenzbereich zwischen Belgien, Deutschland und den Niederlanden sowie die Lausitz im Gespräch.
Um Komponenten für das Einstein-Teleskop zu testen, brauchen die Hamburger Forschenden eine möglichst erschütterungsfreie Anlage. Das unterirdische HAFUN-Labor soll deshalb auf Spezialfundamenten stehen, die entkoppelt vom Gebäude sind. Außerdem sollen Detektoren im Gebäude und ringsherum Schwingungen messen, die etwa durch Lkw und Züge in der Nähe erzeugt werden und die trotz der Entkoppelung bis zur Messanlage durchdringen könnten. Motoren sollen den Messtisch dann so steuern, dass er erschütterungsfrei bleibt – „aktive Kompensation“ nennen die Physiker das.
Teilchenphysik wird weiterer Schwerpunkt
Um eines der größten Rätsel der Physik wird es in einer zehn Meter hohen Halle gehen, die zu den weiteren Besonderheiten des HAFUN zählt. Dort soll das Experiment BRASS stehen. Der gerade von einem Team um Physikprofessor Dieter Horns aufgebaute Prototyp besteht unter anderem aus einer etwa drei Meter hohen silbernen Antenne, die an eine überdimensionierte Satellitenschüssel erinnert. Das „Endprodukt“ wird etwa acht Meter hoch sein. BRASS soll hypothetische Teilchen nachweisen, die womöglich Dunkle Materie bilden – jene mysteriöse unsichtbare Substanz, die Galaxien zusammenhält und schätzungsweise rund 27 Prozent des Universums ausmacht.
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Einen weiteren Schwerpunkt im Neubau HAFUN wird die Teilchenphysik bilden. Etliche Physiker der Uni beteiligen sich an Experimenten in dem 27 Kilometer langen Large Hadron Collider, dem größten Teilchenbeschleuniger der Welt am Forschungszentrum CERN in Genf. Dort war 2012 das Higgs-Boson nachgewiesen worden. Es bildet das zentrale Element des Standardmodells der Teilchenphysik. Demnach umgibt uns ein unsichtbares Feld: Jedes Teilchen, das hindurch fliegt, wird langsamer und hat somit eine Masse. Peter Schleper und viele weitere Forschende wollen sich nun eingehender mit dem Higgs-Boson beschäftigen.
Universität Hamburg: HAFUN könnte Forschung ausbauen
Insgesamt sollen im HAFUN neun Arbeitsgruppen der Physik arbeiten. Durch diese Zusammenführung ließen sich Synergien optimal nutzen, sagt der neue Uni-Chef Hauke Heekeren. Vielleicht gelingt es dann nicht nur, das hohe Niveau zu halten – sondern zu schaffen, was sich Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank wünscht: die exzellente Forschung der Physiker sogar „auszubauen“.