Hamburg. Das 9-Euro-Ticket führt zu vollen Bahnen und Bussen in Hamburg. Verkehrssenator Anjes Tjarks hocherfreut über die Fahrgastzahlen.

Ob all die vielen Fahrgäste auch im September noch Busse und Bahnen nutzen werden, ist für Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende (Grüne) im Moment noch nicht entscheidend. Allein die Tatsache, dass jetzt endlich wieder genauso viele Menschen in Hamburg Bus und Bahn fahren wie im Rekordjahr 2019, also vor Beginn der Corona-Pandemie, stimmt den Grünen-Politiker fröhlich.

Der derzeitige Erfolg liege am 9-Euro-Monatsticket: „Wir machen einen großen Feldversuch. Die Bundesregierung investiert Extra-Geld in die Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs.“ Die allermeisten seien sich aber einig, dass man nicht dauerhaft 9-Euro-Tickets anbieten könne. „Aber wir werden die Diskussion darüber führen müssen, welche Konsequenzen Bund und Länder aus den Erfahrungen ziehen.“

HVV: Schub soll genutzt werden

Der Wunsch sei ganz klar, die Fahrgastzahlen dauerhaft deutlich zu steigern. „Es gilt nun, diesen Schub zu nutzen, um noch mehr Menschen von den zahlreichen komfortablen und nachhaltigen Mobilitätsangeboten des ÖPNV zu überzeugen.“ Die günstige Monatskarte war am 1. Juni 2022 bundesweit eingeführt worden und wird auch noch im Juli und August bundesweit angeboten.

16 Millionen 9-Euro-Tickets seien bundesweit verkauft worden, allein in Hamburg mehr als 800.000, sagte Tjarks am Donnerstag bei der Vorstellung der Jahreszahlen der Hochbahn AG. Dazu kommen noch 680.000 Abonnenten im Hamburger Verkehrsverbund, die ebenfalls von dem günstigen Preis profitieren. Begleitet wird das Angebot von einer großen Werbekampagne.

Hamburg erhält 143 Millionen Euro vom Bund

Tjarks sagte auf die Frage, ob er die Idee des 9-Euro-Tickets gut finde: ,Ja, weil der Bund das erste Mal explizit Geld für Menschen bereit stellt, die den Nahverkehr nutzen.“ Sonst profitierten eher Autofahrer durch Tankrabatte oder Zuschüsse für Elektroautos. Der Bund geht laut Tjarks von 2,5 Milliarden Euro für das Projekt an Kosten aus, davon erhalte Hamburg 143 Millionen Euro.

Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der Hochbahn, sagte, die Pandemie habe den ÖPNV in die größte Krise gestürzt. Auch er begrüße das günstige Monatsticket, denn ein Rabatt sei ein probates Mittel, um Kunden zu gewinnen, das Angebot sei in aller Munde: „Wann hat ganz Deutschland zuletzt über den ÖPNV diskutiert?“

Fahrgastzahlen beim X22 stiegen deutlich an

Senator Tjarks verwies darauf, dass im Hamburger Nahverkehr schon in den vergangenen Jahren eine große Angebotsoffensive gefahren wurde. So sei das Angebot bei U-Bahnen um 17 Prozent, bei Bussen um acht Prozent höher als im Jahr 2018. Damit sei das öffentliche Nahverkehrsangebot in der Corona-Krise so groß wie nie gewesen. Gleichzeitig hätten neue Angebote überzeugt, etwa die neu eingeführten Xpress-Busse.

„Beispielsweise stiegen die Fahrgastzahlen beim X22 um das 2,4-fache.“ Die Linie fährt seit fast zwei Jahren von Jenfeld über Barmbek und Eppendorf bis nach Stellingen – pro Tag nutzen etwa 8700 Fahrgäste die Tangentiale. Eine ähnlich positive Entwicklung weise auch die Linie X35 auf, die die vorherige Schnellbuslinie 35 ersetzte. Hier hätten sich die Fahrgastzahlen innerhalb von zwei Jahren auf aktuell 11.000 Fahrgäste pro Tag verdreifacht.

Hochbahn plant Switch-Punkte

Doch das bislang Erreichte reiche nicht, sagte der Senator und verwies auf den Rekordwert von 328 Millionen Euro an Investitionen im vergangenen Jahr. Knapp die Hälfte investierte die Hochbahn allein in ihre Bussen und Bahnen – 48 Millionen Euro in den Ausbau der emissionsfreien E-Bus-Flotte (derzeit 121 Fahrzeuge), 111 Millionen Euro in die U-Bahn-Flotte, die um 27 moderne DT5-Fahrzeuge erweitert wurde. „Wir müssen weiter in den ÖPNV investieren, um das Angebot, die Pünktlichkeit und die Sauberkeit weiter zu verbessern“, sagte Tjarks. Für das laufende Jahr seien noch höhere Investitionen geplant als 2021 – im Plan stünden 350 Millionen Euro.

Die Hochbahn plant zudem weitere sogenannte Switch-Punkte, wo Fahrgäste das Verkehrsmittel wechseln können – zusätzlich zu den bestehenden 90 sind etwa 100 weitere in Prüfung. Ein großer Investitionsposten war und ist seit Jahren auch der Ausbau der Barrierefreiheit, wofür im vergangenen Jahr 12 Millionen Euro ausgegeben wurden. Derzeit sind 95 Prozent der Stationen barrierefrei, bis 2024 sollen es alle sein – abgesehen von der Station Sternschanze. 2012 lag der Wert bei nur 40 Prozent.

HVV: Hochbahn erlitt Einbußen

Nach dem Corona-Einbruch 2020 hatte der Umsatz der Hochbahn erhebliche Einbußen erlitten. Von 534,3 Millionen im Jahr 2019 sank der Umsatz im Jahr 2020 um 14 Prozent auf 458,2 Millionen Euro und um weitere vier Prozent auf 438,9 Millionen Euro im Jahr 2021. Die Hochbahn erhielt in den vergangenen beiden Jahren mehr als 200 Millionen Euro aus dem Corona-Rettungsschirm. Und auch die Stadt Hamburg butterte kräftig dazu. Während die Stadt im Jahr 2019 „nur“ 68,8 Millionen Euro an Verlusten ausgleichen musste, lag dieser Betrag im ersten Pandemiejahr bei 113,4 Millionen Euro und 2021 bei 150,5 Millionen Euro.

Ein wichtiger Punkt sei längst die Nachhaltigkeit ihres Betriebs, sagte Hochbahn-Finanzvorstand Helmut König. In Meiendorf und auf der Veddel sollen emissionsfreie Betriebshöfe entstehen. Die Hochbahn nutze im Kampf gegen den Klimawandel zu 100 Prozent Ökostrom, habe bereits die höchste Quote von emissionsfreien Bussen deutschlandweit. Bis 2030 wolle man den Hamburgern komplett emissionsfreie Mobilität anbieten.