Hamburg. Linksfraktion legt Studie zum Vergleich der Systeme vor: Neue U-Bahn sei zu teuer und komme zu spät. Erste Reaktionen.
Die Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft hat eine eigene Studie zum Bau der U5 vorgelegt und deren Planung mit der alternativen Einführung einer Stadtbahn verglichen. Die 52 Seiten umfassende Untersuchung, die Linken-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann mit den Autoren Dieter Döge und Jens Ode am Donnerstag im Rathaus präsentierte, kommt zu einem klaren Ergebnis: Ein Stadtbahnnetz mit fünf Linien wäre dem Bau einer neuen U-Bahn-Linie deutlich überlegen – und zwar aus mehreren Gründen.
Die von der SPD verhinderte Stadtbahn wäre in Hamburg demnach günstiger, schneller fertig, würde das Klima stärker schonen, den Bedarf besser abdecken und für weniger Behinderungen während des Baus sorgen.
U5 in Hamburg würde an Zielen wie Uni vorbeifahren
Laut der Analyse würde die U5 in der bisherigen Planung weitgehend am Bedarf der aktuellen Fahrgäste oder noch zu gewinnender Zielgruppen vorbeifahren. Das zeige eine Analyse des bisherigen Nutzungsverhaltens bei den Bussen.
Beispiel: Es gebe die meisten Umstiege auf der stark genutzten Buslinie 5 am Dammtor-Bahnhof oder an der Universität. Die U5 aber würde „weiträumig an diesen Zielen vorbeifahren“. Ganze Abschnitte der Buslinie 5 würden durch den geplanten Schwenk der U5 zum UKE gar nicht erreicht.
HVV: U5 in Hamburg – welche Strecke ergibt Sinn?
Auch würde die Großwohnsiedlung Steilshoop, die endlich einen Schienenanschluss bekommen soll, mit einer U-Bahnhaltestelle schlecht bedient, so die Kritik. Heute gebe es auf der 1,8 Kilometer langen Strecke vom Borchertring zur Gründgensstraße (West) sieben Bushaltestellen. Eine einzige U5-Haltestelle bedeute für die Menschen in Steilshoop entweder Fußwege von bis zu einem Kilometer Länge oder einen zusätzlichen Umstieg vom Bus auf die Bahn.
Dabei sei die U5 keinesfalls alternativlos, so Sudmann mit Blick auf die Untersuchung. So lasse sich „in erheblich kürzer Zeit und für einen Bruchteil der Kosten sich ein Straßenbahnnetz herstellen, das dort verläuft, wo es Bedarf und Potenziale gibt und das barrierefrei und leicht zugänglich ist“. Die Reisezeiten von Tür zu Tür seien bei der U-Bahn nicht automatisch kürzer als bei der Stadtbahn. Das liege auch daran, dass die Wege zu den U-Bahnen oft weiter seien und man dazu noch tief in den Untergrund hinab müsse.
Haltestellen der U5 tief unter der Erde?
„Der etwas höheren Fahrgeschwindigkeit der U5 stehen wegen der langen Abstände der in großer Tiefe liegenden Haltestellen längere Fußwege oder zusätzliche Zu- und Abbringerverkehre mit dem Bus gegenüber, die sich in der den Fahrgast interessierenden Gesamtfahrzeit von Haus zu Haus negativ auswirken“, heißt es im Fazit der Studie. „Dadurch ist die ebenerdig, leicht und hindernisfrei auf meist kürzeren Wegen zu erreichende Straßenbahn – dazu noch mit einem Bruchteil der Kosten bei Bau und Betrieb – der U5 überlegen.“
Das zeige auch der in der Untersuchung vorgenommene direkte Vergleich mit einem Stadtbahnnetz mit fünf Linien. „Die fünf Tramlinien sorgen mit ihren 109 Haltestellen für flächendeckende Erschließungen weit über den Rahmen der geplanten U5 hinaus“, schreiben die Autoren der Studie. „Doch selbst der U5-Einzugsbereich wird um fast das Dreifache aufgeweitet und statt der lediglich 23 geplanten U5-Haltestellen ermöglichen 66 Tramhaltestellen mit durchweg kürzeren Fußwegen höchst attraktive Fahrzeiten.
Studie: Diese Vorteile hätte eine Stadtbahn in Hamburg
Da mit Ausnahme der Endhaltestelle St. Georgs Kirchhof und der Haltestelle Heidi-Kabel-Platz (Hauptbahnhof) die aufgeführten Tramhaltestellen heute von Busverkehren bedient werden, können mit dem Straßenbahnbetrieb diese Busverkehre aufgegeben und ein gewaltiges Einsparpotenzial freigesetzt werden.“
Auch für den Klimaschutz wäre eine Stadtbahn demnach deutlich besser – vor allem, weil sie früher fertig wäre. „Die Klimaziele erfordern bis 2030 einen massiven Ausbau des ÖPNV. Bis dahin soll jedoch bestenfalls das verkehrlich nur sehr eingeschränkt wirksame erste Teilstück der U5 bis City Nord fertiggestellt sein“, heißt es in der Studie. „Ein Straßenbahnnetz kann in wenigen Jahren realisiert werden.“ Zu Unterstützung ihrer Aussagen verweisen die Autoren der Untersuchung auf einen gewichtigen Kronzeugen: die Hamburger Hochbahn und ihre frühere, dann aber eingestellte Stadtbahn-Planung.
Bau der Straßenbahn mit weniger Sperrungen verbunden
„Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Verträglichkeit der Baumaßnahmen mit dem Stadtleben“, heißt es in der Untersuchung. „Während der U-Bahnbau jahrelange, massive Verkehrseinschränkungen erforderlich macht, ist der Gleisbau für Straßenbahnen eher mit dem Ausbau von Bushaltestellen vergleichbar.“ Es könne abschnittsweise gebaut werden und die betroffenen Straßenabschnitte müssten nur für einige Wochen oder wenige Monate gesperrt werden.
„Gerne übersehen werden auch die großen Abraummengen, die beim U-Bahnbau nur auf der Straße abtransportiert werden können“, so die Studienautoren. „Allein für die Abfuhr des Abraums von nur einem Kilometer Tunnel sind rund 6000 CO2-intensive Lastwagenfahrten durch die Stadt notwendig.“
U5 – Stadtbahn: Studie ein Angebot, nochmal über das Thema zu sprechen
Linkenpolitikerin Sudmann und die Autoren der Studie betonten, dass sie keinesfalls Gegner einer U-Bahn seien. Sie kritisierten aber, dass die Hamburger SPD, zuletzt auch Bürgermeister Peter Tschentscher, das System Stadtbahn grundsätzlich ablehnten. Tschentscher hatte kürzlich gesagt, Stadtbahnen seien altmodische Stahlungeheuer und zerschnitten Straßenräume.
Studienautor Ode empfahl dem Bürgermeister, doch einmal mit seinem Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) zu reden. Der kenne sich als ehemaliger Siemens-Manager gut mit den hochmodernen heute eingesetzten Stadtbahnen aus. Gerade für Senioren oder Menschen mit Handicap sei es viel einfacher, mit einer modernen Stadtbahn zu fahren, als lange Wege zu U-Bahn-Stationen in Kauf zu nehmen und dort, womöglich mit Rollator oder Rollstuhl, erst einmal tief in den Untergrund herabsteigen oder -fahren zu müssen.
Steuerzahlerbund: Studie wirft neues Licht auf geplante U5
Petra Ackmann, die Landesvorsitzende des Bundes der Steuerzahler Hamburg, sagte nach der Vorstellung der Studie, dass diese "ein neues Licht" auf die geplante U5 werfe. "Sollten die Zahlen stimmen, ist der Hamburger Senat gut beraten, sorgsam abzuwägen, ob das Konzept der Stadtbahn nicht deutlich besser ist als die bisherige U5-Planung, so Ackmann.
Für den Steuerzahlerbund sei neben dem finanziellen Aspekt die Effizienz entscheidend. "Kostspielige Luftschlösser nützen niemanden, sie belasten nur den Steuerzahler. Doch es wird schon gebaut", sagte Ackmann. "Darum wünschen wir uns, dass frei von ideologischen Ansätzen nachgedacht wird, ob es sinnvolle Ergänzungen zum U-Bahn-Netz gibt.“
Sudmann sagte, sie sehe die Studie vor allem als Angebot an die anderen Bürgerschaftsfraktionen, noch einmal über das Thema ins Gespräch zu kommen. Dafür habe sie die Untersuchung nun an alle Abgeordneten verteilt. Da der Bau der U5-Ost bereits begonnen hat, dürfte es vor allem darum gehen, die Stadtbahn als möglicherweise ergänzendes System einzuführen. Das würde allerdings voraussetzen, dass die Hamburger SPD ihre strikte und grundsätzliche Ablehnung von Stadtbahnen aufgeben müsste.
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U5 in Hamburg: Was Kritiker und Kläger sagen
Aus dem Kreis der Kritiker und Kläger gegen die U5, für die es bereits auf dem Abschnitt Ost Bauarbeiten gibt, heißt es: "Welche Argumente, Zahlen und Fakten müssen noch auf den Tisch, damit Bürgermeister und Senat begreifen, dass die U5 total überdimensioniert ist?"
Wie berichtet, hatte ein Trio aus zwei berechnungserfahrenen Ingenieuren und einem Volkswirt eine eigene Untersuchung zu den Klimafolgen des Baus angefertigt – mit den öffentlich zugänglichen Zahlen und einem Tool aus dem Bundesbauministerium. Hier kommen Sie zu dieser Arbeit
HVV-Zahlen zeigen: Stationen der U5 entsprechen nicht Bedürfnissen der Kunden
Für die Kritiker sagte Thomas Philipp: "Die Studie beweist mit den eigenen Zahlen der Hochbahn (HVV Fahrgasterhebung 2019), dass die Trassenführung und die Positionierung der Haltestellen der U5 an den Bedürfnissen der gegenwärtigen Kunden der Hochbahn und des ÖPNV komplett vorbeigeht und dass die 270.000 täglichen Fahrgäste viel zu hoch angesetzt sind."
Günter Betz ergänzte, es sei nicht verwunderlich, dass "jetzt abzusehen ist, dass mit der U5 in erster Linie mehrheitlich leere Sitzplätze und freie Stehplätze zwischen Bramfeld und den Arenen hin- und herbewegt werden". Das geschehe zudem auf einem "Umweg" durch die ohnehin gut mit Bahnen erschlossene Innenstadt.
Betz ergänzte mit Blick auf die auch von den Linken vorgeschlagene Stadtbahn: "Warum spendiert nicht jemand aus dem Umfeld des Bürgermeisters diesem ein 9-Euro-Ticket, damit er sich einmal erlauben kann, die Trams in vielen Städten Deutschlands, zum Beispiel in Berlin, Frankfurt am Main, München, Würzburg, Ingolstadt, Nürnberg, Dresden. Darmstadt, Karlsruhe, Stuttgart, oder auch im angrenzenden Ausland, wie in Basel, Bern, Zürich, Innsbruck, Straßburg zu benutzen, um sich ein Bild von deren Leistungsfähigkeit zu machen?"