Hamburg. Hartmut Dudde wurde in den eigenen Reihen verehrt und von den Linken in Hamburg gehasst. Jetzt geht er in den Ruhestand.
Hartmut Dudde war wirklich ergriffen, als nach dem Einsatz am 1. Mai die beteiligten Polizisten der Bereitschaftspolizei, die vorher elf Stunden in den Stiefeln gestanden hatten, vor dem Polizeipräsidium unter seinem Fenster standen und applaudierten. Es war Applaus für eine außergewöhnliche Polizistenkarriere, die jetzt zu Ende geht. Hartmut Dudde geht in Pension. Die Leitung des Einsatzes am 1. Mai aus dem Führungsstab war sein letzter großer Einsatz.
Es gibt kaum einen Polizisten, der so viele Reaktionen – positive wie negative – hervorgerufen hat wie der gebürtige Karlsruher, der nach einer kurzen Zwischenstation nach der Flucht seiner Eltern aus der DDR in Braunschweig aufwuchs. Hartmut Dudde steht wie kein anderer Polizist der Hansestadt für die „Hamburger Linie“. Die ist recht einfach zu erklären: Nicht erlaubt ist, was nicht erlaubt ist. „Das muss man dann auch durchsetzen“, sagt Dudde über seine Philosophie. „Sonst bräuchten wir die Gesetze oder Auflagen ja nicht.“
Polizei Hamburg: Hartmut Dudde und die linke Szene
Vor allem die linke Szene, die immer wieder Grenzen überschreitet, hasst ihn dafür. Ähnliches gilt für den Teil der Politik, der dieser Szene nahsteht. Dudde ficht so etwas nicht an. „Wir brauchen als Polizei keinen Applaus. Den wollen wir auch gar nicht“, sagt er. Da ist er Realist mit Erfahrungswerten, ein Pragmatiker. Er erinnert sich an die Moschee, die durchsucht werden musste. Vorher gab es eine Diskussion, ob die Einsatzkräfte die Schuhe ausziehen und ob man Hunde mit hineinnehmen kann. Für Dudde war das kein Thema. Die Einsatzkleidung blieb komplett. Die Hunde kamen mit. „Es hat sich auch niemand beschwert“, sagt er.
Dudde weiß aber auch: „Der Autofahrer regt sich auf, wenn er von uns wegen eines Verstoßes angehalten wird, der Radfahrer, wenn er bei Rot gefahren ist, die linke Szene, wenn sie nicht marodierend durch die Stadt ziehen kann, die Partygänger, wenn wir in Corona-Zeiten als Spaßbremse wahrgenommen werden und die Maskenpflicht durchsetzen.“
Für alle polizeilichen Lagen hat er ein Konzept: das Gesetz. „Wenn man sich daran hält, ist es einfach“, sagt Dudde. „Es gilt für alle. Das ist doch cool, wenn es so läuft.“ Wenn es mal nicht lief, ließ er die Beamten einschreiten. „Hamburger Linie“ nennen Polizei und Politik diesen Ansatz, auf den neidvoll Polizeiführer aus einigen anderen Bundesländern schauen. Dabei sei er selbst gar nicht Erfinder der „Hamburger Linie“ gewesen. „Das haben vor mir Polizeiführer wie Kuno Lehmann oder Peter Born schon so gemacht.“ Das stimmt wohl – aber niemand hat diese Linie so offensiv vertreten und gelebt wie er.
Wie Hartmut Dudde zur Polizei kam
Zur Hamburger Polizei ist Hartmut Dudde 1984 als Seiteneinsteiger gekommen. Eigentlich wollte er Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt Brandschutz in Braunschweig studieren. „Aber weil ich in der Schule auch mal verlängert hatte und ich noch zur Bundeswehr gemusst hätte, war mir klar geworden, dass ich über 30 bin, wenn ich das erste Mal Geld verdiene“, sagt Dudde. Das bekam auch sein Fußballtrainer mit. „Der hat mich dann in den Arm genommen und gefragt, ob nicht die Polizei etwas für mich wäre“, so Dudde. Beworben hatte er sich in Hamburg und Berlin. Die Berliner wollten ihn nicht. „Das war der Glückstag meines Lebens“, sagt Dudde. Denn aus Hamburg gab es eine Zusage.
Damit fiel der Apfel weit vom Stamm. „Wir hatten niemand in der Familie, der bei der Polizei war. Meine Geschwister sind Akademiker, mein Bruder Professor, meine Schwester spricht sechs Sprachen. Alle sind international unterwegs.“ Am Anfang gab es wegen der Berufswahl von seinen Eltern einiges „Gequake“. Sie hätten auch ihn lieber als Akademiker gesehen. Keiner ahnte, dass er mal der Chef der Schutzpolizei der zweitgrößten Stadt Deutschlands wird.
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Klar war das nicht. Hartmut Dudde begann als Seiteneinsteiger im gehobenen Dienst: Praktikum in Harburg, Dienst an der Wache in Billstedt. Die Überraschung war groß. „Wenn man aus einem behüteten, gewaltfreien Braunschweiger Haushalt kommt, stößt man in Hamburg als junger Polizist auf Dinge, von denen man gar nicht dachte, dass sie möglich seien“, sagt Dudde. „Der Beruf des Polizisten ist ganz anders gewesen, als ich mir das als Kind vorgestellt habe. Aber ich habe gemerkt, dass er total spannend und auch erfüllend ist.“
Dudde war Gesamteinsatzleiter beim G-20-Gipfel
Es folgte ein Posten an der Wache in Altona. Weil er oft was „besser wusste“, gab ihm ein Kollege den Rat, sich doch selbst für den höheren Dienst zu bewerben. Es folgte die Ausbildung an der Hochschule der Polizei in Hiltrup (Nordrhein-Westfalen), danach verschiedene Verwendungen im höheren Dienst, darunter Leiter der Bereitschaftspolizei, 2017 Gesamteinsatzleiter beim G-20-Gipfel, seit 2018 Leiter der Schutzpolizei. „Ich habe in meiner Laufbahn nie an meiner Berufswahl gezweifelt, sondern so, wie ich ihn erlebt habe, ist es der geilste Beruf, den man machen kann“, sagt Dudde rückblickend.
Und jetzt? „Ich bin fest davon überzeugt, dass irgendwann jüngere Leute ranmüssen, weil es gut ist, wenn es mal einen Wechsel, etwas Neues gibt“, so Dudde. Für ihn wird es einen klaren Schnitt geben. „Ich werde zu bestimmten Treffen gehen, um alte Kollegen zu sehen. Insofern wird der Kontakt nicht abreißen“, sagt Dudde. „Was aber garantiert abreißt, ist die Beschäftigung mit dem Thema Innere Sicherheit. Ich werde mir auch keine Beschäftigung in einer artverwandten Branche suchen.“
Hartmut Dudde will nun Hausmann werden
Dudde will Hausmann werden. „Meine Partnerin arbeitet noch ein paar Jahre“, sagt er. „Ich werde den Haushalt führen und die Einkäufe machen. Außerdem koche ich gern.“ Bodenständige Gerichte sind seine Favoriten. „Ich kann auch gut einfach mal nur rumsitzen und allein sein, eine Fahrradtour an der Elbe machen und dann vier oder fünf Stunden vom Deich auf das Wasser schauen“, sagt Dudde über sich.
Was er mitnimmt, aus seinem Zimmer im Polizeipräsidium, in dem ein überdimensionaler Schlagstock, ein Helm der Hubschrauberstaffel und andere Erinnerungsstücke stehen? „Mein Erinnerungsschrank wird ganz klein“, sagt Dudde. Ein Funkgerät, das durch Farbbewurf bei der Demo kurz vor Weihnachten 2013 mit gelber Farbe besudelt wurde und ein selbst im Wendland ausgegrabener Krähenfuß sollen da rein. Sonst nichts. „Ich habe meine Erlebnisse im Kopf“, sagt Dudde. „Und es wird Gelegenheiten geben, in denen man in Ruhe ein Bierchen trinkt und einem eine Geschichte wieder einfällt, die man erlebt hat. Das reicht mir.“