Hamburg. 21-Jähriger soll am 20. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 vorgehabt haben, mit einem Sprengsatz viele Menschen zu töten.

Die Kaufgesuche, die da jemand im Darknet formulierte, waren sehr speziell — und für die amerikanischen Behörden ausgesprochen alarmierend. Der Interessent bemühte sich um Splittergranaten, Sprengzünder und Plastiksprengstoff, also alles Material, mit dem maximale Zerstörung erreicht und eine Vielzahl von Menschen getötet werden kann. Die US-Behörden kontaktierten das Bundeskriminalamt. Auch dort nahm man die Informationen sehr ernst und setzte alles dran, den mutmaßlich hochgefährlichen Menschen zu identifizieren.

Die Ermittlungen führten zu einem gebürtigen Hamburger, von dem ein Vertreter der Bundesanwaltschaft jetzt sagt, man halte ihn für einen „schwer radikalisierten jungen Mann, der im letzten Jahr zu allem bereit war“. Dieser 21-Jährige habe nach ihren Erkenntnissen das Ziel verfolgt, zum 20. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 eine „erhebliche Anzahl seiner Meinung nach Ungläubiger zu verletzen, wenn nicht gar zu töten“. Es sollte offenbar ein Terrorakt nach dem Vorbild des Attentats vom Boston-Marathon am 15. April 2013 werden. Seinerzeit wurden durch einen Sprengstoffanschlag drei Menschen ermordet und 264 verletzt.

Prozess Hamburg: Terroranschlag geplant – Angeklagter schweigt

Mahmut C. (Name geändert) ist der Mann, der Böses geplant haben soll. Der Deutschmarokkaner muss sich jetzt vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht verantworten. Ihm werden die Vorbereitung einer radikal-islamistisch motivierten staatsgefährdenden Gewalttat sowie Verstöße gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Waffengesetz vorgeworfen. Für den Anschlag hat Mahmut C. der Anklage zufolge das Material für den Bau eines Sprengsatzes beschafft und versucht, eine Schusswaffe mit Munition und eine Handgranate zu erwerben.

Der 21-Jährige, der am Donnerstag aus dem Untersuchungsgefängnis in den Saal 237 des Strafjustizgebäudes geführt wird, hat optisch nichts von einem zornigen oder gar gewaltbereiten Mann. Der Ausdruck in seinem leicht runden, von einer Spur von Bartflaum gerahmten Gesicht wirkt aufgeschlossen. Einmal lacht er kurz auf. Er hat eine normale Statur, und seine Antworten auf die Fragen nach seinen Personalien klingen deutlich und selbstbewusst. Nach diesen Formalien hüllt Mahmut C. sich in Schweigen.

Prozess Hamburg: Verteidiger beantragt Öffentlichkeit auszuschließen

Ihm wäre es wohl am liebsten, wenn nichts über ihn aus dem Prozess bekannt würde. Sein Verteidiger beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen, unter anderem, weil Mahmut C. zur mutmaßlichen Tatzeit noch Heranwachsender war und auf „religiöse Anschauungen eingegangen“ werde. Dies sei eine erhebliche Verletzung der Privatsphäre des Angeklagten.

Doch der Staatsschutzsenat lässt die Öffentlichkeit weiter zu. Damit folgt das Gericht der Auffassung der Bundesanwaltschaft. Diese hat argumentiert, der Entwicklungsstand des damals 20-Jährigen habe dem eines Erwachsenen entsprochen, unter anderem habe er einen Job bei einem Personaldienstleistungs-Unternehmen gesucht. Zudem sei er in der Lage gewesen, sich Materialen für den Bau eines Sprengsatzes zu bestellen und „dabei höchst konspirativ vorzugehen“.

Angeklagter radikalisierte sich im Sinne der islamistischen „Al-Qaida“

In dem Verfahren geht die Bundesanwaltschaft davon aus, dass Mahmut C., der die ersten zwölf Jahre seines Lebens in Hamburg aufwuchs und dann in Marokko lebte, sich im Sinne der islamistischen „Al-Qaida“ radikalisierte. Als er 2020 nach Deutschland zurückkam, habe er sich ideologisch dem bewaffneten Dschihad nahe gefühlt. Anfang 2021 habe er aus einer radikalislamistischen Einstellung heraus geplant, einen öffentlichkeitswirksamen Anschlag verüben. Für einen Sprengsatz habe er unter anderem 2,5 Kilo explosives Material sowie Päckchen mit Hunderten Metallschrauben beschafft, die als Splitter dienen sollten.

Außerdem, so die Anklage, wollte Mahmut C. bei dem Anschlag eine Schnellfeuerwaffe und eine Handgranate einsetzen. Beides versuchte er demnach im Darknet zu besorgen. Doch der vermeintliche Waffenhändler, mit dem er sich schließlich einigte, war ein verdeckter Ermittler.

Prozess Hamburg: Angeklagte „ein islamistischer Einzeltäter“

Als der damals 20-Jährige am 26. August vergangenen Jahres zum Treffpunkt auf einem McDonald’s-Parkplatz an der Kieler Straße kam, um die georderten Waffen in Empfang zu nehmen, wurde er von einem Sondereinsatzkommando festgenommen. Laut Bundesanwaltschaft fand man auf dem Mobiltelefon von Mahmut C. unter anderem islamistische Propaganda und Reden des früheren Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden.

Nach Überzeugung der Ermittler ist der Angeklagte „ein islamistischer Einzeltäter“, sagt Bundesanwalt Simon Henrichs. Es gebe keine konkreten Hinweise über Mitwisser oder Hintermänner. Hamburgs Innensenator Andy Grote hatte nach der Festnahme von Mahmut C. gesagt, dieser stehe für eine neue Generation von Dschihadisten: die „Erben von 9/11“. Der Vater des Angeklagten sei selber in die Islamisten-Szene eingebunden gewesen sein, sagen Ermittler. In dem bis zum 25. August angesetzten Prozess sollen nun die Hintergründe sowie Einzelheiten zu der angeklagten Tat ergründet werden.

Person wollte im Darknet Waffen und Sprengstoff kaufen

Als erster Zeuge tritt ein Beamter des Bundeskriminalamtes auf, der schildert, das BKA habe am 29. Juni 2021 einen Hinweis von der US-amerikanischen ICE, einer Polizei- und Zollbehörde des Ministeriums für Innere Sicherheit, erhalten. Demnach erkundigte sich eine Person im Darknet, wo er Waffen und Sprengstoff erwerben könne. Man habe diesem Interessenten mitgeteilt, man müsse sich wegen seiner Wünsche erst umhören.

Bei den Waffen habe er sich zunächst für zwei Schusswaffen der Marke Glock interessiert, dann aber „etwas Kompakteres und Handlicheres“ vorgeschlagen. Geeignet habe man sich auf eine Makarov und 50 Schuss Munition sowie eine Handgranate. Die Identität des Darknet-Nutzers habe man nicht herausfinden können. Wer mutmaßlich hinter dem Deal steckt, ergab sich erst, als Mahmut C. festgenommen wurde.