Hamburg. Bauunternehmen und Behörde verbreiten beim Treffen Pessimismus: Ziel, 10.000 neue Wohnungen im Jahr zu genehmigen, in Gefahr.

Lieferkettenprobleme, Rohstoff- und Fachkräftemangel, Entwicklung der Energiepreise – die Probleme der Baubranche bedrohen die Wohnungsbauziele des Senats. Um über die Zukunft des Wohnungsbaus in der Hansestadt zu beraten, kamen am Donnerstag Vertreter des Hamburger Bündnisses für das Wohnen in der Stadtentwicklungsbehörde zu einem Wohngipfel zusammen.

„Die aktuellen Entwicklungen in der Bauwirtschaft sind besorgniserregend“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD). „Dennoch bleibt die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum das gemeinsame Ziel im Bündnis für das Wohnen. Wo wir von Hamburg aus die Entwicklungen steuern können, tun wir das mit Nachdruck.“

Das sei insbesondere bei den Konditionen für den geförderten Wohnungsbau und der Planung neuer Stadtentwicklungsgebiete der Fall. „Wichtige Bausteine sind dabei die Förderung durch die Investitions- und Förderbank“, so Stapelfeldt. Derzeit würden Kompensationsleistungen für die weggefallene Bundesförderung für effiziente Gebäude geprüft.

Wohnen in Hamburg: „Wir brauchen Verlässlichkeit"

Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Dorothee Stapelfeldt.
Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Dorothee Stapelfeldt. © Marcelo Hernandez

„Wir stehen vor der Situation, dass wir mehr Wohnungsneubau brauchen und sich gleichzeitig die Probleme verdichten – bis hin zu den davongaloppierenden Preisen für Baumaterialien“, so Stapelfeldt. Daraus müssten Konsequenzen gezogen werden. „Wir brauchen Verlässlichkeit und Planungssicherheit im staatlichen Handeln für die Wohnungswirtschaft“, betonte sie.

Als wichtigste Maßnahme werde Hamburg die zusätzlichen Bundesmittel aus der Verwaltungsvereinbarung für den sozialen Wohnungsbau – den Anteil an der sogenannten „Klimamilliarde“ – vollständig für die Neubau-Förderung einsetzen. Zudem gebe es in Hamburg bereits eine „sehr gut ausgestattete Förderung für den Wohnungsneubau“. Im Hinblick auf die Baukostensteigerung des Jahres 2021 sei in diesem Jahr mit zwölf Prozent schon „eine erhebliche Anhebung“ dieser vorgenommen worden.

10.000 Wohnungen: Stadt wird wohl Ziel verfehlen

Doch auch wenn der Senat bereits versuche gegenzusteuern, gebe es Rahmenbedingungen, auf die von Hamburg aus wenig Einfluss genommen werden könne. Dazu gehörten neben den gestiegenen Baupreisen auch die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.

„Das Ziel von 10.000 Wohnungen pro Jahr werden wir wahrscheinlich nicht erreichen“, sagte Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). 2021 hat die Stadt Hamburg die selbst gesteckte 10.000er-Zielmarke mit 10.207 genehmigten Wohneinheiten noch übertroffen, im ersten Corona-Jahr hat es mit 10.007 Baugenehmigungen gerade so gereicht – nun scheint es kaum noch Hoffnung zu geben.

„Wir halten die Zielzahl von 10.000 genehmigten Wohneinheiten pro Jahr mittelfristig nach wie vor für richtig“, sagte Bauunternehmer Jan Petersen vom Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. „Aber in diesem und im nächsten Jahr werden wir diese Marke kaum erreichen. Wohnungsneubau ist nur noch unter stark erschwerten Rahmenbedingungen möglich.“

Krieg führte zu weiteren Preissteigerungen

Schon 2021 seien die Erzeugerpreise bei gewerblichen Produkten um durchschnittlich 24 Prozent gestiegen. „Jetzt haben die hohen Energiekosten sowie der Krieg in der Ukraine zu weiteren Preissteigerungen geführt und die Materialengpässe zum Teil dramatisch verschärft.“ Das beträfe insbesondere Stahl, Holz, Bitumen und erdölbasierte Produkte wie Kunst- und Dämmstoffe. Hinzu komme, dass wichtige Förderprogramme weggefallen sind und große Unsicherheit in Bezug auf neue Förderungen existiere. „Und das alles vor dem Hintergrund steigender Zinsen. In der Folge müssen wir – zumindest vorübergehend – mit deutlich sinkenden Fertigstellungszahlen rechnen.“

Das auf Bundesebene als Erfolgsmodell gelobte Hamburger Bündnis für das Wohnen wurde 2011 zwischen dem Senat, den Bezirken und Verbänden aus der Wohnungswirtschaft gebildet. 2016 wurde das Ziel von 6000 auf 10.000 Baugenehmigungen jährlich angehoben, ein Drittel davon geförderte Wohnungen. Laut Angaben der Behörde wurden seit 2011 insgesamt mehr als 116.400 Wohnungen genehmigt und rund 80.000 Wohnungen gebaut, 23.000 davon gefördert.

Wohnen in Hamburg: Steigende Kosten würden Mieten erhöhen

Doch gerade in diesem Sektor sind die Probleme groß. „Alle Beteiligten am Bau bezahlbarer Wohnungen – soziale Vermieter, Baustoffindustrie, Bauunternehmen, Handwerker und Architekten - stehen derzeit vor der fast unlösbaren Aufgabe, angesichts der exorbitanten Preissteigerungen bezahlbaren Wohnraum zu errichten“, so Breitner, der das Vorhaben als eine „Mission Impossible“ bezeichnete. „Soziale Vermieter können sich keine Unsicherheit bei der Kalkulierung der Baukosten leisten. Schließlich sind ihre Kalkulationen ohnehin bereits auf Kante genäht. Weiter steigende Baukosten würden eine weitere Erhöhung von Mieten nach sich ziehen – und das wollen wir nicht.“

Was die jetzigen Prognosen angeht, müsse man sich für dieses Jahr „weniger Sorgen machen als für die darauffolgenden Jahre“, sagte Stapelfeldt. „Wir können das jetzt nicht voraussehen, aber sollten in der Wohnungswirtschaft mehr Bauherren aus unterschiedlichen Gründen zögern, dann muss man damit umgehen, aber das ändert nichts an der gemeinsamen Zielsetzung.“