Hamburg. Der Ermittlungsführer sagte am Freitag im Berufungsprozess als Zeuge aus – der Angeklagte hüllte sich in Schweigen.
Vielleicht haben die Diebe schlicht unglaubliches Glück gehabt. Die Garage eines Luxushotels, die offen stand, Überwachungskameras, die kaputt waren. Und dann gelangten die Täter auch noch durch wundersame Weise an den Originalschlüssel eines kostbaren Porsche, der der Musik-Legende Udo Lindenberg gehörte. Kann es so viele erstaunliche Zufälle geben? Oder war es nicht viel eher ein professioneller Coup von gewieften Kriminellen, die Hilfe von Insidern hatten?
Es gibt viele Rätsel um das Verschwinden von Lindenbergs Porsche 911 R, von dem es in dieser Ausführung überhaupt nur drei Exemplare in Deutschland geben soll. Zwar ist das gute Stück, nachdem Diebe es am 22. Juni 2020 aus der Garage von Lindenbergs Dauer-Domizil, dem Hotel Atlantic, entwendeten, längst wieder zurück bei seinem rechtmäßigen Besitzer. Eine 85-Jährige hatte die Edelkarosse drei Tage nach der Tat in einer Tiefgarage in Ahrensburg entdeckt und ihre Beobachtung der Polizei gemeldet, die den Wagen dann sicherstellte.
Doch wer für Diebstahl zulasten des Panik Rockers mit verantwortlich ist, ist auch knapp zwei Jahre nach der Tat nicht geklärt. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war es Dominik A., ein Mann, der schon durch etliche andere Straftaten aufgefallen ist und sich jetzt wegen des Diebstahls des auf 600.000 Euro geschätzten Boliden vor Gericht verantworten muss.
Berufungsprozess um Diebstahl von Lindenberg-Porsche: Angeklagter schweigt
Es ist die zweite Auflage im Prozess gegen den 26-Jährigen. In der ersten Instanz beim Amtsgericht war Dominik A. zwar wegen mehrerer Autodiebstähle zu zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Doch in Bezug auf den Lindenberg-Porsche hatte das Gericht auf Freispruch erkannt. Es sei wohl eher wahrscheinlich, so der Vorsitzende damals, dass es sich bei den Tätern um „Insider“ handele, also solche Leute, „die Kenntnisse von den Abläufen im Hotel hatten“. Gegen den Freispruch von Dominik A. ging die Staatsanwaltschaft in Berufung, sodass der Fall jetzt vor dem Landgericht verhandelt wird.
Selbst sagt der Angeklagte, ein schmaler Mann mit dunklen Locken, zum Prozessauftakt nichts. Der Verteidiger erklärt für seinen Mandanten, dieser habe lediglich im Auftrag eines Bekannten neue Autokennzeichen besorgt. Dabei habe Dominik A. nicht gewusst, dass die Nummernschilder für einen Diebstahl verwendet werden sollten.
Dass der 26-Jährige zumindest eines der Kennzeichen berührt hat, scheint gesichert. Denn dort war ein Fingerabdruck festgestellt worden, der dem Hamburger zugeordnet werden konnte. Außerdem wurden DNA-Spuren an einer Steckerverbindung im Wageninneren gesichert, die offenbar in mehreren Merkmalen zu dem Angeklagten passten.
Diebe verwendeten Originalschlüssel
Allerdings hatte ein Sachverständiger in der ersten Instanz ausgeführt, dass die Qualität der Spur sehr schwach gewesen sei. Und die Aussage eines vielfach wegen Betrügereien vorbestraften Mitgefangenen, der Dominik A. erheblich belastet hatte, war vom Amtsgericht als wenig glaubwürdig eingeschätzt worden.
Nun muss sich ein anderes Gericht ein Bild von den Zeugenaussagen, Indizien und Spuren machen. Ein Kriminalbeamter schildert am Freitag, die Überwachungskameras im Hotel Atlantic hätten seinerzeit auf ihn „einen in die Jahre gekommenen Eindruck“ gemacht. Die Polizei habe zunächst gefragt, ob der entwendete Porsche geortet werden könne. Dies sei aber verneint worden, weil es sich um ein Modell handele, das in Kennerkreisen „Puristen-Porsche“ genannt wird, ein auf Racing ausgelegtes Exemplar ohne Tracking-Technik.
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Einen Original-Schlüssel habe Lindenberg in seiner Suite verwahrt. Von einem zweiten habe der prominente Musiker geglaubt, dass er im Hotelsafe liege. Doch dabei habe es sich um ganz andere Schlüssel gehandelt, die zu einem Porsche Panamera gehörten, der in einem Museum stehe. Tatsächlich hätten die Diebe bei ihrer Tat einen Originalschlüssel verwendet.
Der Tiefgaragenplatz, auf dem der Wagen schließlich entdeckt wurde, habe einem Mann gehört, der eine Kfz-Werkstatt betrieben habe. Dieser Mann sei damals Verdächtiger in mehreren Strafverfahren gewesen, unter anderem wegen Vortäuschens von Verkehrsunfällen. Nach der Tat habe sich ein anonymer Anrufer bei der Polizei gemeldet und gesagt, dass der Porsche durch Ahrensburg gefahren sei und er den Fahrer kenne. Aus Angst vor dessen Familie müsse er aber anonym bleiben. Der Prozess wird fortgesetzt.