Hamburg. Wer sich eine Kot-Transplantation ersparen will, kann laut Matthias Riedl mit einigen Tricks den Darm stärken – und gesund halten.
In der westlichen Welt gibt es eine zunehmende Artenarmut. Jeder Vierte hat eine kritisch verarmte Darmflora“, sagt Ernährungs-Experte Dr. Matthias Riedl. Und darauf folge ein höheres Risiko, bestimmte Krankheiten zu bekommen. Die Darmflora ist seinen Angaben zufolge ein neues Forschungsfeld.
Der Darm als „Pforte in den Körper“ sei unglaublich wichtig für die Gesundheit, sagt der Leiter des Medicums Hamburg. „Das Darmmikrobiom besteht aus zahlreichen Mikroorganismen, die auf und im menschlichen Körper symbiotisch leben. Diese sind von uns abhängig und andersherum.“ Jedes Darmmikrobiom sei einzigartig und anders zusammengestellt, ähnlich wie ein Fingerabdruck.
Ernährungs-Doc: Fettsäuren stärken Darmwand
Die Besiedlung des Darms beginne mit der Geburt und entwickle sich vor allem in den ersten Lebensjahren. „Ein gesundes Darmmikrobiom wird durch seine hohe Vielfalt an Bakterienstämmen ausgezeichnet, die Gesundheit und die Zusammensetzung der Bakterienstämme variierten aber nach Lebensstil. Insgesamt sitzen 80 Prozent des Immunsystems im Darm“, sagt der Internist, Diabetologe und Ernährungsmediziner.
Eine stark besiedelte Darmwand mit guten Bakterien verhindere das Ansammeln von ungünstigen Bakterien. „Die guten Darmbakterien verarbeiten Ballaststoffe, die in den Dickdarm gelangen, kurzkettige Fettsäuren entstehen. Diese Fettsäuren stärken die Darmwand und -schleimhaut, wirken antientzündlich und regulieren das Hunger- und Sättigungsgefühl. Viele Darmbakterien produzieren Vitamine und Nährstoffe“, so Riedl.
Probiotika fördern gesundes Darmmikrobiom
Über die Darm-Hirn-Achse könne ein gesundes Darmmikrobiom auch die Stimmung positiv beeinflussen, sagt der Ernährungs-Doc, bestimmte Stämme könnten auch Blutzucker, Blutfette und das Gewicht normalisieren. Er rät zu Probiotika, die ein gesundes Darmmikrobiom fördern. Diese seien in fermentierten Lebensmitteln zu finden, beispielsweise in Sauermilchprodukten (Joghurt, Kefir, Buttermilch), aber auch in fermentiertem Gemüse (Kimchi, Sauerkraut, Tempeh) und in Getränken wie Kombucha.
„Präbiotika sind Ballaststoffe, die unverdaut im Dickdarm landen und dort von den guten Darmbakterien als Futter zersetzt werden. Sie stellen daraus Stoffe wie kurzkettige Fettsäuren her, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken“, sagt Riedl. Auch resistente Stärke (etwa in gekochten und anschließend abgekühlten Kartoffeln, Reis oder Nudeln enthalten) sei gut für das Darmmikrobiom. „Resistente Stärke kann nicht verdaut werden und landet unverdaut im Dickdarm, wo sie unseren guten Bakterien als Futter dient“, sagt der Mediziner.
Zucker und Alkohol schädlich für Darmmikrobiom
Auch Polyphenole, sekundäre Pflanzenstoffe, die das Wachstum gesundheitsförderlicher Bakterienstämme ankurbeln, förderten eine gesunde Darmflora. „Polyphenole sind in rot, blau oder violett gefärbten Gemüse- und Obstsorten sowie in grünem Tee enthalten“, sagt Riedl. Schädlich für das Darmmikrobiom seien dagegen Zucker, Alkohol und Fertigprodukte – besonders durch Zusatzstoffe wie Carrageen und zu viel Fleisch. Diese förderten das Wachstum gesundheitsschädlicher Bakterienkulturen.
Eine einseitige Ernährung ernähre auch weniger Bakterienstämme. Die Vielfalt der Bakterienkulturen werde vermindert und schade so dem Darmmikrobiom. Auch Medikamente und Stress beeinflussen laut Riedl das Darmmikrobiom stark: „Stress fördert sogar das Wachstum gesundheitsschädlicher Bakterien.“
Kot-Transplantation als Therapiemöglichkeit
Viele Krankheiten haben seinen Angaben zufolge ein unterschiedliches Mikrobiom. „Unklar ist noch, ob das eine Folge oder eine Ursache von beispielsweise Adipositas, Depression, Morbus Crohn oder Reizdarm sein kann.“ Eine Therapiemöglichkeit sei eine Verpflanzung von intakter Darmflora in den Darm der erkrankten Person, um diesen gesünder zu machen.
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Im Klartext: Dafür spendet ein gesunder Mensch Kot, der in den Darm der Patientin oder des Patienten übertragen wird. Das kann auf mehrere Arten passieren: Der Kot wird in Kapseln verschlossen geschluckt, er kommt verdünnt über einen Schlauch durch die Nase direkt bis in den Dünndarm, oder er wird über den After in den unteren Teil des Verdauungstrakts eingebracht.
Ernährungs-Doc: Auch Hunde halten sich gesund
Bei Hunden beobachtet man manchmal, das sie fremde Hundehaufen fressen. Nach Ansicht von Matthias Riedl erscheint das zwar vielen eklig, es sei aber nicht ungesund. Im Gegenteil. Allerdings gebe es appetitlichere Methoden, um seinen Darm gesund zu erhalten, findet auch er. Weitere Forschung sei jedenfalls nötig: „Erst fünf Prozent des Darmmikrobioms sind verstanden.“