Hamburg. Petition soll verhindern, dass für breitere Radwege an der Karlshöhe alte Eichen und Buchen fallen. Diese Gegenvorschläge gibt es.

Viele Anwohner – und auch Fahrradfahrer – sind empört: In Bramfeld könnten 58 Bäume gefällt werden, um einen 3,6 Kilometer langen Radweg anzulegen. Der soll breiter werden als der alte, aber nicht mehr wie dieser hinter einem baumbewachsenen Grünstreifen verlaufen, sondern, durch einen Kantstein getrennt, neben der Fahrbahn.

Die Maßnahme ist ein Teil der geplanten Instandsetzung von Farmsener Weg, Karlshöhe und August-Krogmann-Weg. Man wolle „sicherere und der Nachfrage gerecht werdende Radverkehrsanlagen“ schaffen, schrieb Ende 2021 der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) in einem Erläuterungsbericht.

Neuer Radweg in Hamburg: Alte Buchen und Eichen bedroht

Alleine auf einem 200 Meter langen Streckenabschnitt entlang der Karlshöhe, zwischen den Straßen Grootmoor und Carsten-Reimers-Ring, sind 15 jahrzehntealte Buchen und Eichen bedroht. Sie wachsen dort in einer Art Knick, der Geh- und Radweg von der Fahrbahn trennt. Dieser „Wall“ soll 2,25 Meter breiten Radfahrstreifen weichen, die rechts und links der Fahrbahn angelegt werden sollen.

Das wollen Anwohner aus der Siedlergemeinschaft Carlshöhe e. V. und zahlreiche Nachbarn mit der Petition „Gefahr für 100 Jahre alte Bäume an der Karlshöhe“ verhindern. Sie wurde innerhalb eines Monats mehr als 6000-mal unterzeichnet.

"In Hamburg werden zu viele Bäume gefällt"

„Es wurden und werden in Hamburg zu viele Bäume gefällt. Zudem hat sich in vergleichbaren Straßenausbauplanungen gezeigt, dass voreilige Entscheidungen getroffen und Planungsalternativen nicht ausreichend geprüft wurden“, sagt Anke Kitel, erste Vorsitzende der 1951 gegründeten Siedlergemeinschaft und Mitinitiatorin der Petition.

Das Schaffen normgerechter Querschnitte für Verkehrsflächen sollte immer auch mit dem Erhalt wichtiger Grünbestände und den örtlichen Gegebenheiten abgewogen werden. „Die Bäume prägen den Straßenraum der Karlshöhe schon seit Jahrzehnten und leisten einen wichtigen ökologischen Beitrag“, sagt sie. Zudem fühlten sich Radfahrer auf dem dahinter verlaufenden Radweg vor dem Autoverkehr sicher. Obwohl dieser unmittelbar neben dem Gehweg verlaufe, gebe es keine nennenswerten Konflikte mit Fußgängern.

Behörde rechtfertigt Fällung der Bäume

Laut Behörde verhindern Wall und Bäume die Sicht der Autofahrer auf die Radfahrer. Zudem wären diese wegen eines dreiprozentigen Gefälles oft mit erhöhter Geschwindigkeit unterwegs, sodass es an Einmündungen und Zufahrten zu gefährlichen Situationen komme. Die Anwohner lassen das nicht gelten.

An der Kreuzung Grootmoor wäre der Wall bereits abgetragen worden. Dort hätten Autofahrer trotz der vorhandenen Bäume Radfahrer und Fußgänger gut im Blick. Zahlen zu Unfällen habe die Behörde nie vorgelegt, Verkehrszählungen stammten von 2012 und 2016 und beträfen lediglich den Autoverkehr. „Deshalb kann man auch gar nicht klären, wie hoch der Bedarf nach breiteren Radwegen hier tatsächlich ist“, so Anke Kitel.

Siedlergemeinschaft lieferte eigene Vorschläge

Ohne Resonanz blieben bislang die Vorschläge, die die Siedlergemeinschaft der Behörde zur Verbesserung der Radwegesituation unterbreitet hat. „Dabei haben wir uns auch an dem Ausbau der Rolfinckstraße orientiert“, sagt Ernst Tonn, der die Petition initiiert hat und seit 1967 eine der 243 Siedlerstellen (in der Regel Doppelhäuser) bewohnt. „Dort hat man alle Bäume und den Erdwall erhalten – und der Weg dahinter, der an manchen Stellen nur zwei Meter breit ist, wird von Fußgängern und Radfahrern gemeinsam genutzt.“

An der Karlshöhe betrage der Abstand zwischen Erdwall und Grundstücksgrenzen 2,60 Meter, sei damit sogar zehn Zentimeter breiter als in der Rolfinckstraße und könne durch geringfügige Veränderungen des Erdwalls um mindestens 50 Zentimeter verbreitert werden. Der Wall biete Fußgängern und Radfahrern erheblich mehr Schutz als ein Radfahrstreifen unmittelbar an der viel befahrenen Straße.

Fällung an Karlshöhe "völlig unsinnig"

Zumal damit zu rechnen sei, dass diese im Zuge des Ausbaus der U 5 noch stärker frequentiert werde. „Die vorhandenen Radwege sind überwiegend in gutem Zustand und vor wenigen Jahren instand gesetzt worden“, sagt Ernst Tonn. Es sei aus Sicht der Anwohner ausreichend, an einigen weiteren Stellen den Wall abzutragen und Rad- und Fußweg zu markieren.

„Für Velorouten hat der rot-grüne Senat ja auch schon an anderen Stellen viele Bäume gefällt. Aber gerade hier an der Karlshöhe ist das völlig unsinnig“, sagt Birgit Wolff, Vorsitzende der FDP-Fraktion Wandsbek. Aktuellen Prüfungen zufolge würden Rad- und Fußweg hinter dem Knick selten und ohne gegenseitige Belästigungen genutzt. „Das Argument, der Radweg müsse sicherer werden, ist in keiner Weise ein Grund für das Fällen der Bäume“, vermutet sie.

Karlshöhe als Ausweichroute?

Eher sei es so, dass die Karlshöhe offenbar als Ausweichroute benötigt werde, wenn während des U-5-Baus die Bramfelder Chaussee gesperrt werde. „Es mag natürlich niemand aus der Behörde zugeben, dass ein temporärer Bedarf für Autoverkehr Grund für die Fällung alter, gesunder Bäume ist – die durch mickrige Neupflanzungen nicht ansatzweise klimanützlich ersetzt werden können.“

Die Verkehrsbehörde rudert auf Abendblatt-Nachfrage zurück. Die Planungen des neuen Radwegs an der Karlshöhe basierten auf einer Einschätzung des LSBG und des zuständigen Polizeikommissariats aus dem Jahr 2018, der zufolge die Kreuzung Karlshöhe/Grootmoor eine Unfallhäufungsstelle sei. „Die Verkehrssicherheit stand hier an oberster Stelle“, so Sprecher Dennis Krämer. „Insbesondere von rechts abbiegenden Autos waren Radfahrende und Fußgänger/-innen hinter den Bäumen und dem bewachsenen Wall nur unzureichend sichtbar.“

Radweg statt Bäume in Hamburg: Behörde überprüft Pläne

Laut Polizei habe sich die Verkehrssituation mittlerweile jedoch verändert. Der Knoten Karlshöhe/Grootmoor sei keine Unfallhäufungsstelle mehr. „Vor dem Hintergrund der neuen Einschätzung der Polizei besteht jetzt die Möglichkeit, eine neue Abwägung vorzunehmen, bei der der Baumschutz stärker in den Vordergrund rückt“, betont Krämer. Der LSBG könne die ursprünglichen Pläne für die Karlshöhe und weitere Abschnitte nun überarbeiten, um möglichst viele der alten Bäume zu erhalten.