Hamburg. Die Hambuger SPD würdigt ihren früheren Landesvorsitzenden. Er gehörte zu den Verfolgten und Inhaftierten im Nationalsozialismus.

Karl Meitmann, SPD-Landesvorsitzender in Hamburg, hielt im Jahr 1930 vor seinen Genossen eine geradezu prophetische Rede. Er ahnte, was hinter der Fratze der Nationalsozialisten steckte: „Die Nazis sind eine reale Wirklichkeit, die wir nicht übersehen dürfen“, rief er den Hamburger SPD-Funktionären zu. Die Nazis „wollen eine Exekutive sein, die, wenn es sein muss, durch Ströme von Blut ihre Macht aufrichtet und erhält. (...) Die Nationalsozialisten werden nicht nach Berlin marschieren, sie werden Stück für Stück den Boden ebnen, um die Herrschaft zu erringen.“

Meitmanns Mahnungen sollten bittere und blutige Realität werden, und man möchte hoffen, dass es heutzutage Politiker von ähnlichem prophetischen Format gibt, die wissen, was die Stunde geschlagen hat.

NS-Regime: Meitmann wurde verfolgt und inhaftiert

Die Hamburger Sozialdemokraten und der Arbeitskreis ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten (AvS) jedenfalls würdigten ihren früheren, weit blickenden Landesvorsitzenden Karl Meitmann (1891–1971) am Freitag mit der Einweihung eines Stolpersteins an der Kurt-Schumacher-Allee 10. Denn der gebürtige Schleswig-Holsteiner zählte zu den Verfolgten und Inhaftierten des NS-Regimes.

Karl Meitmann, ehemaliger Landesvorsitzender der SPD und Bürgerschaftsabgeordneter.
Karl Meitmann, ehemaliger Landesvorsitzender der SPD und Bürgerschaftsabgeordneter. © Firma Dührkoop, Hamburg

Karl Meitmann wurde am 20. März 1891 in einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus in Kiel geboren. Sein Vater leitete als Geschäftsführer den Kieler Genossenschaftsbetrieb „Vereinsbäckerei“. Der Parteiaufstieg begann Mitte der 1920er-Jahre, als er den Posten des Parteisekretärs im SPD-Bezirksverband Schleswig-Holstein übernahm. 1928 wurde Meitmann zum Vorsitzenden der SPD-Landesorganisation und 1931 zum Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft gewählt.

Meitmann verbrannte Dokumente in Waschküche

Mit der sogenannten Machtübernahme und der Gleichschaltung begann der Druck der NS-Diktatur auf die demokratischen Kräfte in der Bürgerschaft. Und es geschah, was Meitmann vorausgesagt hatte. Am 24. März vor 89 Jahren steckten ihn die Nationalsozialisten erstmals ins Gefängnis, zusammen mit dem Reichstagsabgeordneten Gustav Dahrendorf.

Historiker weisen darauf hin, dass damit zum ersten Mal demokratisch gewählte Abgeordnete unter Bruch der parlamentarischen Immunität festgenommen wurden. Meitmann „musste Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen, und da die Aufbewahrung von Parteiunterlagen sowohl in den Räumen der Partei als auch im eigenen Haus zu gefährlich war, verbrannte er in seiner Waschküche am Maienweg 281 zahlreiche Dokumente, darunter einmalige Originale aus der Parteigeschichte von unersetzlichem Wert“, heißt es auf der Website der SPD-Geschichtswerkstatt mit Verweis auf den Hamburger Historiker Holger Martens.

Meitmann im KZ Hamburg-Fuhlsbüttel misshandelt

Insgesamt saß der Sozialdemokrat fünf Monate im KZ Hamburg-Fuhlsbüttel, wo er schwer misshandelt wurde. Sein Rechtsanwalt, der ehemalige Bürgerschaftspräsident Herbert Rusche­weyh, erreichte Ende Oktober 1933 seine Freilassung mit der Auflage, Hamburg innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Der SPD-Politiker fand im Brandenburgischen eine neue Existenz als Lohnbuchhalter in den „Anhaltinischen Kohlenwerken“. Später zog er nach Berlin, wo er NS-Diktatur und Kriegsende physisch unbeschädigt überlebte.

Im Mai 1945 kehrte Meitmann zunächst in seine Heimatstadt Kiel zurück, nahm aber bereits im Juni 1945 seine politische Tätigkeit in Hamburg wieder auf. Er wurde SPD-Landesvorsitzender, Mitglied des Bundesvorstandes, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und schließlich Bundestagsabgeordneter. Sein Mandat endete im Jahr 1961. Die letzten Lebensjahre vor seinem Tod zehn Jahre später verbrachte er mit seiner Familie in Mönkeberg an der Kieler Förde. Sein Grab befindet sich auf dem Ohlsdorfer Friedhof.

Stolperstein in der Nähe der SPD-Zentrale

Der Stolperstein in der Nähe der Hamburger SPD-Zentrale erinnert nunmehr an sein Leben – und sein Vermächtnis, sich nationalsozialistischen und menschenverachtenden Ideologien mit aller parlamentarischer Kraft entgegenzustellen. Zur Einweihung am Freitag hatten sich unter anderem Hamburgs SPD-Landesvorsitzende Melanie Leonhard und der Bundesvorsitzende des Arbeitskreises ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten, Wolfgang Kopitzsch, angesagt.

Ebenfalls am Freitag begann die Jahrestagung dieser Organisation. An diesem Sonnabend hält dort der Historiker Holger Martens einen Vortrag zum Thema „100 Stolpersteine für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten“.

NS-Regime: Mehr als 6000 Stolpersteine in Hamburg

Bislang sind in Hamburg mehr als 6000 Stolpersteine verlegt worden, bundesweit sind es mehr als 75.000. Initiator war der Künstler Gunter Demnig. Auf der Oberseite stehen auf einer Messingtafel die Namen der vor Ort ehemals lebenden jüdischen und anderer Bürger, die Opfer der NS-Willkür wurden – ein Zeichen des Nicht-Vergessens.