Hamburg. Hamburger Dragqueen startet mit dem Dehoga die #Seitewechseln Kampagne – mit provokanten Slogans. Auch in Hotels fehlt Personal.

#Seitewechseln – mit dieser Kampagne wollen Dragqueen Olivia Jones, die fünf Lokale und Bars auf St. Pauli betreibt, und ihre Mitstreiter um Mitarbeiter für die Gastronomie werben. Am Dienstag wurde der Startschuss für die Aktion gegeben und die Plakatmotive auf der Großen Freiheit in der Olivia Jones Bar vorgestellt.

Die Sprüche sind durchaus provokant. „Hör auf zu saufen, fang an zu dealen“ – wobei es hier um den Verkauf von Getränken geht – auf diesem Motiv sind Olivia Jones und ihr Chefkoberer Fabian Zahrt zu sehen. Dragqueen Vanity Trash stand Modell für den Slogan „Hilf Muddi beim Abfüllen“. Ein weiterer Spruch ist „Hände hoch, du wirst gebraucht.“

Personalmangel ein bundesweites Problem

Wie ernst die Situation ist, machte Olivia Jones deutlich. „Die Slogans und Motive werden sicherlich bundesweit für Gesprächsstoff sorgen. Und genau darum geht es uns, Aufmerksamkeit auf diese neue Herausforderung zu lenken, mit der jetzt viele Gastronom/-innen nicht nur auf St. Pauli zur Wiederöffnung zu kämpfen haben.“ Es sei leider ein bundesweites Problem, bei dem die Olivia-Jones-Familie helfen möchte.

Auch der Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) Hamburg beteiligt sich an der #Seitewechseln Kampagne, unter dehoga-hamburg.de erhalten Gastronomen und Hoteliers nähere Informationen und können die Motive auch für ihre Social-Media-Kanäle herunterladen.

In Hamburg werden 6000 Mitarbeiter gesucht

„Allein in Hamburg werden um die 6000 Mitarbeiter für die Gastronomie und Hotellerie gesucht. Durch Corona ist noch einmal viel Personal in andere Branchen abgewandert“, sagte Dehoga-Präsident Michael Conrad dem Abendblatt. Gerade deshalb sei eine Aktion wie #Seitewechseln eine sehr sinnvolle Initiative. Conrad sagte weiter. „Jeder kann seine Eckkneipe oder sein Stammlokal unterstützen und jetzt die Tresenseiten wechseln. Das kann man auch als Nebenjob auf 450-Euro-Basis machen.“

Auch die Interessengemeinschaft St. Pauli ist mit an Bord. „Ohne Gastronomie ist St. Pauli nicht denkbar, und ohne Personal ist Gastronomie nicht möglich, deshalb unterstützen wir die Kampagne von Olivia Jones und ihrem Team“, sagte Vorstandsmitglied Lars Schütze. Und Julia Staron, Quartiersmanagerin vom BID (Business Improvement District) Reeperbahn ergänzte.

Auch in Hotels fehlt Personal

„Gerade die vielen authentischen und Inhaber/-innen geführten Läden, die St. Paulis gastronomische Vielfalt ausmachen, haben immer noch schwer zu kämpfen. Wir begrüßen die Kampagne und das Engagement deshalb sehr.“ Die Kiezexpertin glaubt an den Erfolg von #Seitewechseln. „Die Identifizierung der Gäste mit ihren Lieblings­läden ist aber ebenso groß, und so könnte durch die ungewöhnliche Recruiting-Kampagne ein echter Win-Win für alle entstehen.“

Eines haben die Gastrobetriebe und Hotels in Hamburg gemeinsam, alle brauchen Personal. Allein auf dem Jobportal Hotelcareer waren gestern 1381 freie Stellen zu finden. Auch die Fünfsternehotellerie braucht Verstärkung. „Wir suchen Servicemitarbeiter und Köche für unsere Restaurants und für Veranstaltungen sowie Empfangsmitarbeiter. Hamburg wird auch in diesem Jahr wieder ein gefragtes Städtereiseziel sein, deshalb bereiten wir uns jetzt schon auf eine starke Nachfrage vor“, sagte Franco Esposito, Geschäftsführender Direktor vom Grandhotel Atlantic an der Außenalster.

Grand Elysée Hotel sucht Personal

Auch André Vedovelli, Vorstand vom Grand Elysée Hotel an der Rothenbaumchaussee, benötigt noch neues Personal: „Wir suchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Service, die Küche und den Veranstaltungsverkauf. Die vakanten Stellen annoncieren wir über unsere Homepage und die sozialen Medien. Darüber hinaus kooperieren wir mit Headhuntern. Unsere Auszeichnungen als Arbeitgeber und Ausbildungs­betrieb sind sehr hilfreich, um geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu gewinnen.“

Für Anfang April plant Enrico Ungermann die Wiedereröffnung vom Restaurant Waterkant im Empire Riverside Hotel auf St. Pauli. „In den vergangenen Monaten haben wir ein neues Team für Service und Küche rekrutiert. Aber wir können in diesen Bereichen immer noch Mitarbeiter gebrauchen“, sagte Ungermann, der als Direktor für das Empire Riverside und das benachbarte Hotel Hafen Hamburg verantwortlich ist.

„Wir bezahlen überdurchschnittlich"

Und der Branchenexperte weiß, dass aufgrund der vielen freien Stellen in Gastronomie und Hotellerie die Mitarbeiter mit Benefits gelockt werden müssen. „Wir bezahlen überdurchschnittlich, und im Waterkant werden wir nur fünf Tage pro Woche geöffnet haben. Das heißt, wer bei uns arbeitet, hat verlässlich zwei Tage frei in der Woche.“

Und es stehen auch einige Neueröffnungen in der Hansestadt an, für die Personal gebraucht wird. Am Alten Wall in der Innenstadt eröffnet am 7. April das Cotidiano. Auf der Internetseite der Restaurantkette, die bereits Standorte in München, Stuttgart, Regensburg und Kiel hat, werden noch Mitarbeiter für die Küche und den Service gesucht, in Teil- oder Vollzeit.

Personalmangel: Viele Restaurants eröffnen trotzdem

Am 2. April eröffnet im ehemaligen Sternerestaurant Trüffelschwein am Mühlenkamp in Winterhude das Stammtisch Restaurant. Und Ende des Jahres soll die Fläche der einstigen Nobelbrasserie Die Bank an den Hohen Bleichen wieder bespielt werden. Wie berichtet, zieht dort die französische Big Mamma Group mit einem Trattoriakonzept ein. Mit der Rekrutierung von Mitarbeitern dürfte bald gestartet werden.