Hamburg/Hannover. Stadt bittet gezielt Hotels um Hilfe und stößt auf große Resonanz. Jeden Tag erreichen 1000 Geflüchtete die Hansestadt.

Immer mehr Flüchtlinge aus der Ukraine suchen Zuflucht in Hamburg. Am Freitag war der Andrang am städtischen Ankunftszentrum in Rahlstedt laut Helfern noch stärker als am Vortag. Knapp 7000 Geflüchtete haben Hamburg bereits erreicht. Für ihre Unterbringung sucht der Senat jetzt eilig weitere Flächen – die bestehenden Unterkünfte reichen absehbar nicht mehr lange aus. Um die Stadt zu entlasten, sollen Flüchtlinge verstärkt auch auf andere Bundesländer verteilt werden.

Nach Angaben der Innenbehörde ist die bundesweit geplante Verteilung der Flüchtlinge nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel am Freitag noch nicht wie vorgesehen gestartet. „Es wäre gut, wenn dies nun zeitnah passiert“, sagte Sprecher Daniel Schaefer. Auf der anderen Seite erreichten weiterhin auch von privaten Initiativen gestartete Reisebusse mit vielen Geflüchteten die Hansestadt.

Hamburg hat 30.000 Unterkunftsplätze für Flüchtlinge

Diese könnten mit Blick auf die Belastung künftig in andere Bundesländer weiterverwiesen werden. Innensenator Andy Grote (SPD) hatte bereits davon gesprochen, dass er Respekt für private Initiativen habe, diese aber auch erhebliche Schwierigkeiten bedeuteten. Man müsse darauf achten, „dass wir uns nicht überfordern“.

Hamburg hält bislang rund 30.000 Unterkunftsplätze für Flüchtlinge vor. „Wir nehmen weiterhin Menschen auf“, betonte der Sprecher der Innenbehörde am Freitag. Teilweise können auch in den Unterkünften mit engerer Belegungen weitere Plätze geschaffen werden. Mit Hochdruck würden aber weitere Standorte gesucht. In einem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, sprach Hamburg Tourismus dafür im Auftrag der Stadt auch gezielt Hoteliers an.

Täglich erreichen etwa 1000 Geflüchtete aus der Ukraine die Hansestadt

„Der Krieg in der Ukraine geht uns alle an“ – mit diesen Worten beginnt eine Mail, die am Freitag von der Hamburg Tourismus GmbH (HHT) an die Hotellerie in der Hansestadt versendet wurde. Das Ziel: möglichst viele Unterkünfte für Flüchtlinge aus der Ukraine auch in Hotels zu organisieren – und das dringend. „Mit diesem Mailing möchten wir dazu einladen, einen kleinen Beitrag zu leisten. Jeder in seinem Maß. Vielleicht sogar mit einer Unterbringung? Sie wird gebraucht“, heißt es in dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt.

Es ist kein bloßer Appell, sondern eine offizielle Abfrage im Namen der Stadt und in Abstimmung mit dem Verband Dehoga. Die Zeit drängt. Täglich erreichen weiter etwa 1000 weitere Geflüchtete aus der Ukraine die Hansestadt. Würde dieses Niveau anhalten, kämen bis Ende April mehr Flüchtlinge nach Hamburg als in der Flüchtlingskrise 2015/2016. Durch die angekündigte Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel kommen auch auf die Nachbarländer im Norden mehr Geflüchtete zu – deshalb sollen auch in Niedersachsen Hotels als Unterkünfte dienen.

Die Empfänger der jüngsten Mail in Hamburg gelangen direkt über einen Button in eine Umfrage und können dort eintragen, wie viele Zimmer und für welchen Zeitraum sie zur Verfügung stellen können. In einem nächsten Schritt sollen die Kontingente dann in ein Buchungssystem eingepflegt werden, auf das ausgewählte Institutionen zugreifen können. Dabei soll es sich in erster Linie um „eine solidarische Unterstützung handeln“. Das heißt: dass die Hotels ihre Zimmer kostenlos für die Flüchtlinge aus der Ukraine zur Verfügung stellen. „Wir haben schon in den ersten Stunden eine gute Resonanz aus der Hotellerie gehabt“, sagte HHT-Sprecher Sascha Albertsen dem Abendblatt.

In Niedersachsen wurden 1400 Hotelbetten für Geflüchtete angeboten

Zu den Häusern, die mitmachen wollen, gehören unter anderen das Pierdrei Hotel in der HafenCity, das Radisson Blu Airport, die Superbude Paradise in Altona sowie die Hotels Hafen Hamburg und Empire Riverside auf St. Pauli. „Es ist für uns selbstverständlich, dass wir kostenlos Zimmer zur Verfügung stellen, um den Flüchtlingen aus der Ukraine eine erste Unterkunft in Hamburg anzubieten“, sagt Direktor Enrico Ungermann, der für die beiden letztgenannten Häuser verantwortlich ist.

Allerdings reichen offensichtlich einzelne Zimmerkontingente allein nicht aus. Auch das geht aus dem Schreiben an die Branche hervor. „Ebenso ist die Stadt auf der Suche nach geschlossenen Hotels und größeren Locations oder Gebäuden, die als Unterkünfte genutzt werden können“, heißt es in dem Schreiben, dem weiter zu entnehmen ist: „Die Stadt zahlt eine Kompensation, wenn ein Beherbergungsbetrieb komplett zur Verfügung gestellt wird oder wenn ein Beherbergungsbetrieb mindestens 30 Zimmer zur Verfügung stellt.“ Wie hoch diese im Einzelfall sein kann, ist noch unbekannt.

In Niedersachsen wurden der Landesregierung in der Region Hannover bereits 1400 Hotelbetten für Geflüchtete angeboten. Das geht aus einer Umfrage des Verbandes Dehoga hervor. Bis zum Freitagmittag signalisierten demnach 57 Hotels Bereitschaft, Zimmer für Schutzsuchende anzubieten. Den Angaben zufolge wollen sich sowohl kleinere Betriebe als auch größere Hotelketten beteiligen – etwa aus Garbsen, Burgdorf, Laatzen und Langenhagen. „Wir möchten und werden angesichts der schrecklichen Tragödie das tun, was in unserer Macht steht“, sagte Dehoga-Vorstandsmitglied Anja Leisegang. Rund 1700 Menschen aus der Ukraine sind seit Beginn des Krieges in Niedersachsen eingetroffen. Das teilte ein Sprecher des Innenministeriums am Freitag mit.

Auch „Goldgräberstimmung“ angesichts der Not

Neben den Hotels sind die Länder auch auf neue Flächen für weitere Flüchtlingsunterkünfte angewiesen. Der eingerichtete Krisenstab in Hamburg prüft dafür eine Reihe von Standorten – es seien auch bereits „zahlreiche Angebote“ von Immobilieneigentümern eingegangen, so ein Sprecher der Innenbehörde.

In der Verwaltung ist davon die Rede, dass aber nicht alle Offerten von Nächstenliebe getrieben sind. „Da sind teilweise dieselbe Art von Geschäftemachern in Goldgräberstimmung dabei, die auch 2015 Flächen angeboten haben“, heißt es. Auch wenn die Stadt viele Flächen kostenlos nutzen könnte, gibt es in der Praxis zudem weitere Hürden – etwa die Einhaltung des Brandschutzes.

Für die Betreuung der Geflüchteten in den Unterkünften wird erneut viel Personal gebraucht. Auch hier sei aber eine große Solidarität spürbar, heißt es. „Wir erleben viele Initiativbewerbungen – und genauso Angebote, als Freiwillige zu helfen“, sagte die Sprecherin Susanne Schwendtke von der städtischen Gesellschaft „Fördern & Wohnen“ am Freitag auf Anfrage.