Hamburg. Engagement ist „überwältigend“. Hamburger schicken Konvois in Richtung Ukraine und sammeln Spenden. Die Aktionen.

Florian Böcher und seine Kollegen vom Tattoo-Studio Kodiak in den Zeisehallen wollten etwas tun und ein paar Hilfsgüter in die Ukraine schicken. Sie starteten einen Spendenaufruf – und nur kurze Zeit später war ihr Laden voll mit Kleidung, Decken, Windeln, Medikamenten und Müsliriegeln. „Wir wussten erst gar nicht, wohin mit diesen Mengen und haben versucht, mit Organisationen abzustimmen, was wo gebraucht wird“, erzählt Inhaber Böcher. Doch weil die Zeit drängt, organisierte das Team einen Transporter, der am Mittwoch bereits vollbepackt auf dem Weg in Richtung ukrainische Grenze war. Weitere sollen folgen.

Es ist ein Phänomen dieser Tage: Wer in Hamburg eine Hilfsaktion für die Menschen in der Ukraine startet, wird überrannt. Wo eigentlich nur ein paar Pakete gepackt werden sollen, müssen plötzlich ganze Lager eingerichtet werden. Und aus einer spontanen Idee wird plötzlich ein ehrenamtlicher Vollzeitjob.

Krieg gegen Ukraine: Überwältigende Hilfsbereitschaft in Hamburg

So wie bei dem Hamburger Koch Matthias Gfrörer und dem Geschäftsführer des Guts Wulksfelde, Hauke Rüsbüldt. Beide waren in den vergangenen Tagen ununterbrochen am Telefon, um einen Hilfskonvoi auf die Beine zu stellen: „Ich habe eine Auszubildende, die aus der Ukraine stammt. Sie hat mich angesprochen, ob wir nicht etwas tun können“, sagt Gfrörer. „Schnell war klar, wenn wir was machen, dann mit Hand und Fuß.“

Am Montagmorgen sollen nun drei Lkw in Richtung polnisch-ukrainische Grenze in der Region Lemberg starten, darunter einer mit 8000 Flaschen Hafermilch und 10.000 Flaschen Apfelsaft, Eistee und Aprikosensaft eines Biosaft-Herstellers sowie einer eines Biokostherstellers mit Trockennahrung und Getreide. Dazu haben Gfrörer und Rüsbült einen 30-Tonner organisiert, der jetzt befüllt werden soll, unter anderem mit Schlafsäcken und warmer Kleidung, die ein Sportgeschäft stellt. Hinzu kommen Medikamente aus dem UKE. Auch Apotheken aus dem benachbarten Alstertal unterstützen die Aktion.

Dirk Wullkopf plant schon den nächsten Hilfskonvoi in die Ukraine

Verteilt werden sollen die Güter mit Hilfe eines befreundeten Rotary-Clubs in Polen. Rüsbült ist selbst Mitglied im Rotary Club Hamburg-Walddörfer, der die Planung unterstützt. Wer helfen möchte, kann heute, morgen oder am Sonnabend zwischen 9 und 10 sowie 16 und 18 Uhr Sachspenden auf dem Gut abgegeben (was gebraucht wird, steht auf der Internetseite gut-wulksfelde.de).

Auch Dirk Wullkopf, der mit dem Großflottbeker Tennis-, Hockey- und Golfclub erst am Sonntagabend einen Aufruf startete und bereits einen Hilfskonvoi nach Polen organisiert hat, plant gerade die nächste große Hilfslieferung. „Wir werden am Sonnabend mit zehn bis 15 vollbepackten Wagen nach Polen fahren und haben auch vor, wieder Flüchtlinge mit zurückzunehmen“, so Wullkopf. Hierfür sei man mit zentralen Stellen vor Ort in der Abstimmung. Weitere Lieferungen sowie die Zusammenarbeit mit Unternehmen sind geplant, ebenso wie die Gründung einer Hilfsorganisation mit Sportvereinen aus ganz Deutschland.

Ukrainische Flüchtlinge dürfen umsonst Bus und Bahn fahren

Die Stadt ist „überwältigt“ von dem Engagement der Hamburger, auch wenn es noch nicht für alle Hilfsangebote einen konkreten Bedarf gebe, wie die Innenbehörde mitteilt. Das gilt vor allem für die Unterstützung von Geflüchteten, die in Hamburg angekommen sind.

„Die Organisation von Sachspenden in die Ukraine und auch in die Geflüchtetenunterkünfte hier vor Ort ist aktuell weitestgehend noch in Planung“, heißt es zudem aus der Sozialbehörde, die auf bereits bestehende Initiativen wie den Norddeutsch-Ukrainischen Hilfsstab, das Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen oder Hanseatic Help verweist. Der HVV kündigte aber bereits an, dass Geflüchtete aus der Ukraine in Hamburg und Umgebung ab sofort mit allen Bussen, Bahnen und Fähren im öffentlichen Nahverkehr kostenfrei fahren können. Dafür reiche ein ukrainischer Pass oder ein Personaldokument.

Babykleidung und Spielsachen sollen Flüchtlingen zu Gute kommen

Angesichts der vielen privaten Initiativen betont die Sozialbehörde, dass alle in Hamburg ankommenden Flüchtlinge – auch die, die privat eine Unterbringung finden – sich im Ankunftszentrum in Rahlstedt (Bargkoppelweg 66a) melden müssen. Dort würden sie auch erfahren, welche finanzielle Unterstützung ihnen zusteht oder woher sie Kleidung oder andere benötigte Dinge bekommen können.

Die 23 Jahre alte Ukrainerin Nadia Ovechkina, die mit ihrem acht Monate alten Baby nach Hamburg geflüchtet war und über die das Abendblatt bereits berichtete, hat einen dringend benötigten Kinderwagen bereits gestern Mittag bekommen – ebenfalls schnell per privatem Aufruf der Gastronomin Sophia Behr vom eisundsalzig in Langenhorn. In ihrem Lokal lagern nun zahlreiche gespendete Spielsachen und Babykleidung, die weiteren Flüchtlingen zu Gute kommen sollen.