Hamburg. Der zweite Teil des Berichts wurde vorgestellt – Walter Leal von der HAW Hamburg ist einer der Leitautoren. Er warnt eindringlich.
„Viele denken, wir hätten es im Griff. Das haben wir nicht“, sagt Walter Leal. Gemeint ist der Klimawandel – und damit kennt sich Leal aus wie wenige andere, obwohl er kein Klimaforscher ist. Leal ist Leiter des Forschungs- und Transferzentrums „Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement“ der HAW Hamburg.
Seit 2017 arbeitet er als einer von 200 Leitautoren am sechsten Weltklimabericht mit. Der neueste Teil besteht aus 18 Kapiteln. Eines davon kuratierte Leal, es widmet sich der Armut, den Existenzgrundlagen und der nachhaltigen Entwicklung. In zwei weiteren Kapiteln brachte er seine Expertise ein. Nun stellte er das Ergebnis der internationalen Zusammenarbeit vor – der neueste Teil des Weltklimaberichts. Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank kam zu diesem Anlass auf den HAW-Campus in Bergedorf.
Weltklimabericht: HAW Professor warnt vor Folgen des Klimawandels
Die Kernaussage des Berichts: „Der Klimawandel bedroht unseren Planeten und unsere Existenz.“ So fasst es der Gesundheitswissenschaftler Leal im Gespräch mit dem Abendblatt zusammen. Im Vergleich zu den fünf Vorgängerberichten sei das eine „ungewöhnlich deutliche Aussprache.“ Treffen könne man die aus einem einfachen Grund: Der technische Fortschritt bietet mehr Daten – und so mehr Grundlagen für Prognosen. Und die sind düster: Die globale Erwärmung um 1,1 Grad Celsius hat bereits einen erheblichen Schaden angerichtet. Gleichzeitig ist unsicher, ob die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad erreicht werden kann.
Um das zu schaffen, muss die Welt möglichst schnell klimaneutral werden: „Hierfür sind die Entscheidungen, die wir bis 2050 treffen, maßgeblich“, so Leal. Die sollten nicht nur richtig sein, sondern auch wirken: „Schaffen wir das nicht, wird es Mitte dieses Jahrhunderts richtig eng.“
Gewissheiten gehörten auf den Prüfstand, so Fegebank
Dem pflichtet Fegebank bei. Die Zweite Bürgermeisterin nennt den Kampf gegen den Klimawandel „eine der zentralen Menschheitsaufgaben unserer Zeit.“ Trotz des Ukraine-Kriegs dürfe dieser Kampf nicht vergessen werden. Fegebank äußerte sich auch zur deutschen Energieversorgung, die durch Putins Einmarsch an Brisanz gewann: Zwar sieht sie wenig Chancen für die Verlängerung von Atom- oder Kohlekraftwerken, doch „alle sicher geglaubten Gewissheiten stehen jetzt auf dem Prüfstand.“ Sie spricht sich für das Hochfahren der erneuerbaren Energien und die Nutzung von sogenanntem LNG aus.
Politisch wird auch der Wissenschaftler. Leal appelliert: „Es reicht nicht, dass wir den Klimawandel verstehen. Wir müssen handeln.“ Er hebt vor allem die Verantwortung der Industrienationen hervor: „Es ist paradox. Der Großteil des CO2-Ausstoßes kommt aus reichen Ländern. Darunter leiden die Armen am stärksten.“
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Kaum ein Ausweg aus klimabedingter Armut
Leal sieht beispielsweise für Afrika eine große Gefahr: „Wenn es so weitergeht, ist der Kontinent dem Klimawandel ausgeliefert.“ Dort drohe der Verlust von Lebensgrundlagen: „Beispielsweise wird es dort nicht mehr möglich sein, bestimmte Getreidearten anzubauen.“
Aus solch klimabedingter Armut gibt es laut dem Wissenschaftler kaum einen Ausweg. Menschen haben dann keine andere Möglichkeit, als ihre Heimat zu verlassen, mahnt er. Auch deswegen fordert er, dass die Versprechungen des Pariser Klimaabkommens eingehalten werden: Arme vom Klimawandel betroffene Länder sollten mehr Geld und Technologie erhalten. Nur so könnten sie sich an den Klimawandel anpassen. Die Anpassung – in der Wissenschaft „Klimaresilienz“ genannt – ist für den Forscher ein weiterer zentraler Punkt. Ob Landwirtschaft, Mobilität oder Bauen: Alles müsse darauf konzeptioniert werden, extremem Wetter zu trotzen.
Fegebank: Steigende Wasserpegel werden in Stadtplanung berücksichtigt
Denn das wird laut der Wissenschaft immer häufiger, auch in Europa, Deutschland und Hamburg: „Der Klimawandel ist ein globales Phänomen, aber er ist lokal zu spüren“, so Leal. Nach Beispielen muss er nicht lange suchen: „Denken Sie nur an die Stürme in den letzten Wochen. Die ganze HafenCity stand unter Wasser.“ Sogenannte „Jahrhundertfluten“, wie zuletzt im Ahrtal, würden durch den Klimawandel nicht nur einmal alle 100 Jahre auftreten.
Auch Katharina Fegebank ruft vergangene Unwetter in Erinnerung. Sie erinnert an den kürzlich begangenen 60. Jahrestag der großen Flut. Sie habe sich „in die DNA des kollektiven Gedächtnisses Hamburgs“ eingebrannt. Deswegen seien die Anpassungsmaßnahmen in der Stadt gut vorangetrieben worden. Für die Zukunft betont Fegebank, dass man steigende Wasserpegel und Starkregenereignisse in der Stadtplanung berücksichtige, die HafenCity sei ein Beispiel. Auch bei den Themen Energie-, Wärme- und Mobilitätswende habe man die Klimaanpassung im Blick.
Klimawandel: Auch Hamburg stehen drohende Hitzezeiten bevor
Laut Leal ist das für Großstädte von zentraler Bedeutung. Die Wissenschaftler prognostizieren ein weltweites Wachstum der Städte: „Dort leben mehr Menschen, als es eigentlich sollten.“ Denn wenn Städte mehr Platz brauchen, müssen sie auch klimaresilienter werden. Leal fordert deswegen, „den Klimawandel in jedem Bereich im Blick zu haben.“ Bei allen Entwicklungsprojekten müsse man an mögliche Wetterextreme denken.
Denn die könne man nicht planen. „Vielleicht bebauen wir heute ein trockenes Gebiet, das in zehn Jahren überflutet ist“, sagt er. Und obwohl für Hamburg die Nähe zum Wasser sicherlich das Problematischste sei, dürfe man drohende Hitzezeiten nicht ignorieren. Die stünden auch der Hansestadt bevor. Durch die Bebauung von Grünflächen wird es auch hier an warmen Tagen heißer. „Das macht das Leben in der Stadt auf Dauer sehr unbequem“, warnt der Wissenschaftler.