Hamburg. Winzer Christian Stahl ist Experte für Gewächse aus Franken und betreibt als Koch auch ein Feinschmecker-Restaurant.

Bewahren Sie geöffnete Weinflaschen auch immer in der Tür ihres Kühlschranks auf? Das sollten sie nicht tun – rät zumindest der heutige Gast in unserer Reihe „Vier Flaschen“. „Durch das permanente Öffnen des Kühlschrankes werden die Flaschen durchgeschüttelt und verlieren so an Kohlensäure und Aroma“, sagt Christian Stahl, Chef des Winzerguts Stahl. Das liegt in Franken, ungefähr 35 Kilometer von Würzburg entfernt, und war lange ein kleines, auf Müller-Thurgau spezialisiertes Weingut.

Was sich geändert hat, seit Christian Stahl zusammen mit seiner Frau die Leitung des Betriebs übernommen hat: Die Anbaufläche ist von 2,5 auf rund 40 Hektar gewachsen, die Zahl der Parzellen von fünf auf 152. Müller-Thurgau gibt es immer noch, er wird zum Beispiel als „Hasennest“ verkauft, aber darüber hinaus viele andere Rebsorten, die Stahl zusammen mit Weinkenner Michael Kutej, Riesling-Liebhaber Lars Haider und Apfelsaftschorlentrinker Axel Leonhard testet. Zum ersten Mal sind Weine aus 2021 dabei, einem „wunderbaren Jahrgang“, die Weine seien sehr elegant geworden, und hätten im Schnitt 0,5 Prozent weniger Alkohol als im Vorjahr.

Wein im Winter auf der Terrasse oder dem Balkon lagern

Los geht es mit einer Scheurebe, einer immer noch unterschätzten und leicht mit dem deutlich beliebteren Sauvignon Blanc zu verwechselndem Wein, wobei dieser Wein von Stahl „überraschend salzig ist“, sagt Kutej, und natürlich frisch, schließlich ist er noch gar nicht so lange in der Flasche: „Der passt sehr gut zum Essen.“ So viel Kraft wie der Sauvignon Blanc in Flasche Nummer zwei hat die Scheurebe allerdings nicht. Der Wein hat die typische Aromatik, etwas Kiwi, etwas Stachelbeere, ein wenig grüne Paprika, schmeckt aber nicht so aromatisch, wie er riecht: „Das Fruchtige und das Vegetabile sind sehr ausgewogen“, sagt Haider, dem Sauvignon Blancs sonst schnell zu anstrengend werden. Auch Leonhard findet: „Es passiert was, der Wein tänzelt auf der Zunge, spannend“, sagt er, und will von Winzer Stahl wissen, wie er es eigentlich mit dem Alkoholkonsum hält.

Das Wein­paket zur 63. Folge des Vier-Flaschen-Podcasts
Das Wein­paket zur 63. Folge des Vier-Flaschen-Podcasts © Silkes Weinkeller | Silkes Weinkeller

„Ich rauche nicht, ich trinke keinen Alkohol, und ich esse kein Fleisch – aber ich lüge“, sagt der, und dann im Ernst: „Während der Arbeit auf dem Weingut ist Alkohol tabu.“ Wenn man sich viel mit Wein beschäftige, müsse man seine Grenzen kennen, sagt auch Kutej, der nie mehr als zwei offene Flaschen zu Hause im Kühlschrank (!) stehen hat. Stahl weist noch mal darauf hin, dass man den Wein gerade im Winter gut auf der Terrasse oder dem Balkon lagern könnte, und er hat noch einen Tipp, wie man eine gute von einer schlechten Flasche unterscheidet: „0,1 bis 0,2 Liter trinken, dann die Flasche fünf Tage stehen lassen. Schmeckt der Wein dann noch gut oder besser, kann er wirklich was.“ Die meisten Weine, so Kutej, seien leider dafür gemacht, dass sie wenige Stunden nachdem sie in den Verkauf kommen, auch umgehend getrunken werden sollten.

Mit dem Hasennest begann die Geschichte des Weinguts

Zur dritten Flasche, einem Müller-Thurgau, ebenfalls aus 2021, den man auf den ersten Blick aber nicht erkennen kann. Denn auf dem Etikett ist nur die Lage angegeben, das „Hasennest“ – 400 Meter hoch, mit einem steinigen Boden, durch den die Reben „erst nach acht, neun Jahren durchbrechen“, so Stahl. Er hat den Wein so genannt, wie er ihn genannt hat, „weil die Lage charakteristisch ist für den Inhalt“. Und weil mit dem Hasennest die Geschichte des Weinguts, das Stahl von seinen Eltern übernommen hat, 1984 begann. Der Müller-Thurgau habe bis heute grundsätzlich ein Imageproblem, „weil er sehr banal sein kann, wenn man ihn nicht kultiviert und reduziert“, so Stahl: „Man braucht viel Fingerspitzengefühl, um einen Müller-Thurgau zu entwickeln.“ Der aktuelle Wein riecht nach gelbem Apfel, und schmeckt nach Williamsbirne, „und man erkennt auch hier die besondere Stahl-Stilistik“, sagt Kutej.

Bleibt der mit 18,50 Euro und einem Alkoholgehalt von 13,5 Prozent sowohl teuerste als auch kräftigste Wein dieses Tests, ein Silvaner aus dem Jahr 2020. Der unterscheidet sich von den jüngeren Weißweinen schon durch die dunklere, goldgelbe Farbe „und ist mit Abstand der animierendste“, sagt Kutej, der neben Brioche auch Orangenschale schmeckt.

Christian Stahl betreibt als Koch auch ein Feinschmecker-Restaurant

Christian Stahl, der als Koch auch ein Feinschmecker-Restaurant betreibt, würde dazu einen Steinbutt in Salzkruste mit einem Ragout aus Kartoffeln, Artischocken und anderem Gemüse, Rosmarin-Butter und einem Löffel Kaviar empfehlen, „Kaviar geht immer, oder?“ Und wenn man den so wie Leonhard gerade nicht vorrätig hat? „Was hast du da?“, will Stahl wissen. „Pasta und Sojahack“, antwortet Leonhard. Und Stahl sagt: „Dann nimmst du erst mal das Sojahack und schmeißt es weg …“ Und dann, im Ernst: „Koche die Pasta, lasse etwas von dem gut gesalzenen Wasser im Topf, tu etwas Parmesan, Olivenöl und zwei Eigelb dazu, verrühre das Ganze und stell‘ es kurz auf die Herdplatte – du wirst es lieben.“

Die „Vier Flaschen“ können Sie sich auch unter www.abendblatt.de/podcast anhören oder auf dem YouTube-Kanal des Hamburger Abendblatts ansehen. Im Wechsel mit der bekannten, etwa 90 Minuten langen Folge gibt es alle zwei Wochen eine schnelle Variante: In maximal 9:59 Minuten testen Kutej, Haider und Leonhard eine Flasche Wein, die unter zehn Euro kosten muss und die dann am Ende mit Punkten von eins bis zehn bewertet wird.