Hamburg. In Hamburg ersetzt ab Sonnabend die FFP2-Maskenpflicht den Impf- oder Genesenen-Nachweis. Die Reaktionen fallen gemischt aus.
Shoppen nur für Geimpfte und Genesene – damit ist auch in Hamburg in wenigen Tagen Schluss: Von Sonnabend an werde die 2G-Regel im Einzelhandel durch eine FFP2-Maskenpflicht ersetzt, teilte Senatssprecher Marcel Schweitzer am Dienstag auf der Landespressekonferenz mit. Nachdem die meisten Bundesländer diesen Schritt bereits gegangen sind, habe der Senat beschlossen, diesen nun mitzugehen.
In Hamburg gilt die 2G-Regel im Handel seit Anfang Dezember. Sie sollte einerseits Ungeimpfte vor einer – für sie deutlich gefährlicheren – Corona-Infektion schützen, andererseits den Druck auf diese Gruppe erhöhen, sich doch impfen zu lassen. Auf die Frage, ob die Rücknahme ein Entgegenkommen an Ungeimpfte sei, sagte Schweitzer, angesichts der hohen Impfquote in Hamburg – 80 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft, 53,1 Prozent geboostert – halte man den Schritt für vertretbar.
Corona: Hamburg strebt einheitliche Regeln an
Zudem strebe man möglichst einheitliche Regeln in Hamburg und dem Umland an. Niedersachsen hatte 2G im Handel schon länger gekippt, dann zog die Landesregierung in Kiel nach. Ganz einheitlich ist die Lage dennoch nicht: In Schleswig-Holstein können die Kunden in Geschäften wahlweise eine medizinische oder eine FFP2-Maske tragen, während Hamburg ausschließlich auf FFP2-Masken setzt. Und während die neue Regel in der Hansestadt erst am Sonnabend in Kraft tritt, greift sie in Schleswig-Holstein schon von heute an.
Den aus der Wirtschaft und Teilen der Opposition erhobenen Forderungen nach weiteren Lockerungen erteilte der Senatssprecher eine Abfuhr: „Alle anderen Reglungen bleiben zunächst bestehen.“ Hamburg halte sich an die Empfehlungen des Expertenrats der Bundesregierung, und diese laute, vorerst nichts zu ändern, so Schweitzer. Erst im Zuge der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 16. Februar werde der Senat über weitere Öffnungsschritte beraten.
Handelsverband Nord reagiert zurückhaltend auf die Entscheidung
Brigitte Nolte, Hamburger Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord, reagierte zurückhaltend auf die Entscheidung. „Es ist mal wieder ein Stück Erleichterung für die Händler. Wir erwarten, dass jetzt wieder mehr Kunden in die Geschäfte kommen“, sagte sie dem Abendblatt. Aus ihrer Sicht sei die Aufhebung der 2G-Pflicht allerdings weniger „eine Lockerung als die Korrektur einer falschen Maßnahme“.
Die Regelung habe nicht zur Pandemie-Bekämpfung beigetragen und rechtlich auf wackeligen Beinen gestanden, das hätten Gerichte erkannt. „Wir haben erwartet, dass Hamburg jetzt schnell nachzieht.“ Der Handel stehe weiterhin stark unter Druck. Geschäfte außerhalb des täglichen Bedarfs verzeichneten hohe Umsatzausfälle. Nolte: „Wir erwarten, dass das Minus durch den Wegfall von 2G von aktuell 30 Prozent auf 20 Prozent zurückgeht.“
Handelskammer begrüßt den Beschluss des Senats
Aus der Handelskammer hieß es, man begrüße den Beschluss des Senats: „Die zuvor herrschende Uneinheitlichkeit im Norden bedeutete starke Wettbewerbsnachteile für den Hamburger Einzelhandel“, so Hauptgeschäftsführer Malte Heyne. „Der Senat sollte im nächsten Schritt auch Beschränkungen wie die 2G-plus-Regelungen für Gastronomie, Kultur- und Sportbereich oder die Sperrstunde in der Gastronomie überprüfen.“
Als „überfällig“ bezeichnete der Landesvorsitzende der Hamburger FDP, Michael Kruse, die Abschaffung der 2G-Regel im Einzelhandel: „Dass es keine weiteren Öffnungsschritte gibt, ist fatal. Der Senat verschiebt erneut die Rückkehr zur Normalität in unserer Stadt.“ Das enttäusche nicht nur Gastronomen, Kulturszene und Event-Veranstalter, sondern auch immer mehr Bürger. Kruse forderte die Abschaffung der Sperrstunde ab 23 Uhr und mehr Freiraum für Großveranstaltungen.
Kritik an der Geschwindigkeit kommt von der AfD-Fraktion
„Überfällig“, aber nicht ausreichend nannte auch der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Krzysztof Walczak, den Schritt: „Noch immer hört man nichts vom Senat zur Abschaffung der Sperrstunde und zu 2G plus in Gastronomie, Kultur und vielen anderen Branchen.“ Der Senat müsse „den Übergang in eine endemische Situation anerkennen. Unser Gesundheitssystem ist in keiner Weise durch Omikron gefährdet, und daher entfällt jede Rechtfertigung für den Hamburger Knallhart-kurs“, so Walczak.
Inzidenz sinkt, aber der Senat traut der Lage noch nicht
Obwohl auch Experten wie der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, Walter Plassmann, der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit und der UKE-Professor Johannes Knobloch im Abendblatt geäußert hatten, dass aus ihrer Sicht das Schlimmste wohl überstanden sei, bewertet der Senat die Lage noch etwas anders. Es sei nicht sicher, ob die OmikronWelle gebrochen sei, sagte Senatssprecher Schweitzer. Abzuwarten bleibe, ob die steigenden Zahlen in anderen Landesteilen noch einmal in den Norden zurückschlagen. Die Inzidenz in Hamburg sei zwar stabil, aber auf hohem Niveau und die Lage in den Kliniken angespannt.
Am Dienstag kamen 5244 Neuinfektionen hinzu, 165 weniger als vor einer Woche. Daher ging die Inzidenz, die die Zahl der Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen angibt, leicht zurück: von 1867,9 auf 1859,1. Auf dem Höhepunkt der Omikron-Welle am 29. Januar hatte sie bei 2197 gelegen. Die Zahl der Covid-Patienten in den Hamburger Krankenhäusern stieg dagegen seit der letzten Erhebung am Freitag deutlich an: von 485 auf 511, darunter sind unverändert 75 Patienten, die intensivmedizinisch betreut werden müssen. Weitere Todesfälle gab es nicht.
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Deutliche Kritik übte der Senatssprecher am Verhalten des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der die Impfpflicht für Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitswesen in seinem Bundesland vorerst nicht einführen will – obwohl er diese selbst gefordert und mit beschlossen hatte. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und der gesamte rot-grüne Senat würden die Haltung Söders „ausdrücklich nicht teilen“, so Schweitzer. Hamburg sei auf die Einführung vorbereitet.