Hamburg. Durch einen Abendblatt-Bericht wurde der Vermieter auf die Not aufmerksam. Jetzt zogen die Blals in eine ganz besondere Wohnung.

Dass die Heizung ausgerechnet kurz vor dem Einzug den Geist aufgegeben hat, könnte andere Menschen vielleicht irritieren, doch Bianka und Bader Blal nahmen es gelassen. Was viel mehr zählt als eine ausgekühlte Wohnung, ist, dass die Familie nun endlich wieder ein eigenes Zuhause hat. Am Klingelschild klebt seit ein paar Tagen ihr Name. Endlich.

Dazu hat das Hamburger Abendblatt ein Stück weit beigetragen. In der Ausgabe vor Heiligabend hatten wir berichtet, dass die fünfköpfige Familie seit Monaten gemeinsam in einem Hostelzimmer nahe dem Berliner Tor lebt, weil sie einfach keine bezahlbare Wohnung finden konnte. Die Grundschullehrerin von Jamal, dem sieben Jahre alten Sohn, hatte sich an das Abendblatt gewandt und auf die Misere ihres Schülers aufmerksam gemacht.

Wohnen in Hamburg: Familie Blal findet endlich eine Bleibe

Diesen Artikel lasen auch Markus Menke und Michael Wagener vom Hamburger Konservatorium. Der Leiter der Akademie und Musikschule und sein Stellvertreter hatten beide dieselbe Idee, und sie waren sich schnell einig, denn in der Zweigstelle des Konservatoriums, im Haus Flachsland in Barmbek-Süd, wurde gerade eine Wohnung frei. „Das Hausmeisterpaar hier ist in Rente gegangen und wollte zurück nach Griechenland“, sagt Wagener. Die beiden neuen Mitarbeiterinnen hätten keinen Bedarf an der Wohnung, sie seien versorgt. „Wir sind froh, wenn das Haus bewohnt ist, wenn hier auch abends Licht brennt“, sagt Wagener. In dem Gebäudekomplex befinden sich neben dem Hamburger Puppentheater auch noch Probenräume für Musikstudentinnen und -studenten.

Das 1908 gegründete Hamburger Konservatorium habe 11.000 Musikschüler, 250 Studierende und 300 Mitarbeiter, sagt Wagener, der Stellvertretender Musikschulleiter und Mitglied des Vorstands ist. Neben dem Musikunterricht sei seit 2015 das Projekt „Kultur macht stark“ ein weiteres Standbein des Vereins, der von der Kulturbehörde unterstützt wird. Laut Wagener gibt es wöchentliche Angebote in Schulen, Kindergärten, aber auch in Flüchtlingsunterkünften und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, außerdem Ferienangebote.

Mit knapp 60 Quadratmetern ist die Wohnung in Barmbek-Süd zwar für fünf Personen nicht gerade großzügig bemessen, „aber für uns ist es wie ein Schloss“, sagt Bianka Blal. Einige Möbel haben sie gegen Abstand von den Vormietern übernommen, weil diese sie nicht mit an ihren Alterssitz in Griechenland nehmen wollten. Ein guter Deal für beide Seiten, sagt Bader Blal. Und spätabends dreht Bianka Blal eine Runde durch das Haus, um zu sehen, ob alle Musikschüler auch wirklich gegangen sind und alle Fenster geschlossen sind.

Die Pandemie brachte Familie Blal zurück nach Hamburg

Mit dem Umzug hat sich die monatelange verzweifelte Suche der Familie nach einer bezahlbaren Wohnung zum Guten gewendet. Bader und Bianka Blal lebten mit ihren Kindern Jamal (7), Lina (10) und Ranya (17) zu fünft in einem Hostelzimmer nahe dem Berliner Tor. In dem kleinen Zimmer hatten sie alle ihre Habseligkeiten notdürftig untergebracht. Es gab ein Doppelbett, ein Etagenbett und ein Einzelbett, dazu noch einen Kühlschrank, den ihnen der Vermieter freundlicherweise in das Zimmer gestellt hatte.

Die Corona-Pandemie hatte das Leben der Familie völlig auf den Kopf gestellt. 2016 war das Paar mit seinen Kindern nach Marokko umgesiedelt. Der 45-jährige Familienvater hatte sich nach dem Tod seines Bruders entschieden, seinen Vater im Familienbetrieb, einem Marmorhandel, in der marokkanischen Hauptstadt Rabat zu unterstützen. „Wir haben da für uns eine Chance gesehen“, sagt Bianka Blal, die mit 18 Jahren aus Wismar nach Hamburg kam.

Die Kinder hätten in Rabat die internationale britische Schule besucht, sie selbst betrieb eine Kinderboutique, erzählt die 43-Jährige. Dann kam die Pandemie. „Wir bekamen keinen Marmor mehr geliefert, viele Aufträge wurden gecancelt. Wir hatten plötzlich Schulden“, sagt Bianka Blal. Im März 2021 war ihr Mann, der seit vielen Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft hat, zurück nach Hamburg gegangen. „Ich habe den Kontakt zur alten Firma immer gehalten“, sagt Bader Blal. Er konnte zurück in seinen alten Job bei einem Tee- und Kaffeehandel. Doch die Wohnungssuche für sich und seine Familie war niederschmetternd, weil erfolglos.

Amt für Wohnungsnotfälle riet der Familie von der Wohnung ab

Anfang September kehrte seine Frau mit den Kindern ebenfalls wieder zurück nach Hamburg, doch eine Wohnung fanden sie weiterhin nicht. Sie hätten zwar einen Dringlichkeitsschein bekommen und eine Liste mit Adressen von Genossenschaften und der Saga, aber alle Anfragen seien ergebnislos geblieben. „Bei Dreizimmerwohnungen heißt es, mit fünf Personen seien sie überbelegt und Vierzimmerwohnungen gibt es selten“, sagt Bianka Blal. „1200 Euro warm können wir bezahlen“, sagt sie, doch sie fanden keine Bleibe. Und so lebten sie nun mehr als vier Monate im Hostel auf engstem Raum – mit Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsbad. Das Amt für Wohnungsnotfälle hatte einen Teil der Kosten übernommen.

Als er nun bei dem Amt vorstellig wurde, um von der Aussicht auf die Drei-Zimmer-Wohnung zu berichten, habe man ihm geraten, den Vertrag nicht zu unterschreiben, sagt Bader Blal. Das Amt sei nicht einverstanden gewesen, weil die Wohnung zu klein sei für eine fünfköpfige Familie. „Wir fühlten uns schon fast entmündigt. Es ging dabei um einen Zuschuss für Möbelanschaffungen. Wir haben uns entschieden, darauf zu verzichten“, sagt seine Frau. „Wir hatten uns nur an das Amt gewandt, weil wir im Herbst so verzweifelt waren.“ Nun seien sie wieder selbstständig, „und das Amt hat ein Problem weniger“, sagt das Paar.

Das Hamburger Konservatorium zieht 2024 nach Bahrenfeld

Dass der Mietvertrag befristet ist und 2024 endet, bekümmert das Paar nicht. Denn nun hätten sie ja ein Dach über dem Kopf und mehr Zeit zu suchen. Die Zeit des Konservatoriums im Haus Flachsland endet 2024. „Wir werden hier unsere Zelte im Frühjahr 2024 abbrechen, denn wir bauen in den Kolbenhöfen in Bahrenfeld neu“, sagt Wagener. Bis dahin soll in dem Ottenser Bauprojekt ein neues musikalisches Zentrum entstehen, das eine Musik-Kita, die Musikschule, die Akademie, ein Musikförderzentrum für Norddeutschland und einen Konzertsaal beherbergen soll.

Bianka Blal will jetzt in Ruhe die Wohnung einrichten und sich ab kommender Woche auf die Suche nach einem Job begeben. Und die Heizung funktioniert inzwischen auch wieder.