Hamburg. Die Veddeler Fischgaststätte ist für viele Menschen ein Stück Heimat. Jetzt soll sie umziehen. Kann das noch verhindert werden?
Es ist der Geschmack von Kindheit. Und das Gefühl von Heimat. „Schon als Sechsjähriger habe ich hier Backfisch mit Kartoffelsalat gegessen“, sagt Hartmut Berg. Dass es heute, rund 50 Jahre später, noch genauso gut schmecke wie damals, sei fast wie ein Geschenk. „Es ist, als komme man nach Hause. Man weiß einfach, was man bekommt.“
Beruhigend sei das, gerade in unruhigen Zeiten. Doch die haben längst auch die Veddeler Fischgaststätte erreicht: Dem Lokal, dem man getrost ein „Kult“ vorstellen darf, droht das Aus.
Kultlokal soll in benachbarte Zollamtshallen umsiedeln
Denn die Stadt plant, das Areal im Hamburger Freihafen zum „Eingang Elbbrücken“ umzugestalten und neu zu bebauen. Die Gaststätte soll daher in eine der benachbarten alten Zollamtshallen umziehen, die saniert und Teil des künftigen Veddeler Marktplatzes werden sollen. Doch Stammgäste wie Hartmut Berg kämpfen um den Erhalt am ursprünglichen Standort an der Tunnelstraße.
Mehr als 8000 Unterschriften hat Christian Butzke, der die Gaststätte erst im vergangenen April von seiner Mutter übernommen hat und dafür mit Ehefrau Olivia und Sohn Jonas von Berlin nach Hamburg gezogen war, bereits gesammelt. Und auf der Internetplattform Open Petition kommen stündlich neue dazu. Unterzeichnet haben unter anderem „Steak-König“ Eugen Block und dessen Ehefrau Christa.
„Zögen wir um, würde unsere Fischgaststätte nie wieder so sein wie jetzt“, sagt Betreiber Christian Butzke. Schon allein wegen des historischen Ofens aus den 1920er-Jahren, der eine besonders knusprige Panade („Fisch ist außen kross, aber bleibt innen saftig“) hervorbringe und für den er vermutlich an einem neuen Standort keine Betriebszulassung mehr bekommen werde, fürchtet der 48-Jährige. Auch der Charme des halbhoch getäfelten Lokals mit seinen altmodischen Lampen, dem Garderobenständer aus Messing, der Astra-Reklame und dem Seemannsdekor, an dem sich seit 1947 kaum etwas verändert hat, würde unwiderruflich verschwinden.
„Unsere Stammgäste – und die machen 60 Prozent aus – hängen einfach an diesem Ort. Manche kommen immer wieder, seit sie wegen der Flut 1962 die Veddel verlassen mussten“, sagt der 18-jährige Jonas Butzke, der sich sehr mit der Historie des Familienbetriebs beschäftigt hat und diesen eines Tages übernehmen möchte. „Für unsere Gäste ist das ein Zuhause.“ Zum Beispiel für Gabriele Intemann, die seit Jahren jeden Mittwochmittag mit ihrem Mann herkommt. „Es verändert sich doch so viel. Kann man nicht an manchen Traditionen einfach mal festhalten?“
Die Veddeler Fischgaststätte, die vor 90 Jahren gegründet wurde, tut das übrigens. Weil es 1932 noch keine Fischmesser gab, wurden Backfisch und der hausgemachte Kartoffelsalat (Geheimrezept!) mit zwei Gabeln serviert – und das ist bis heute so geblieben.
Nächste Woche steht ein Termin mit dem Bauamt an
Ansässig war die Fischbratküche damals noch in einem Gründerzeithaus, das im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges zerstört wurde. Schon 1943 wurde die Küche dann jedoch wieder aufgebaut, und zwar in ebenjenem Holzraum, in dem noch heute der Gastraum liegt. Später kam ein zweistöckiger Anbau hinzu, in dem neben Büros auch die Küche untergebracht wurde.
Die Familie Butzke hofft gemeinsam mit ihren Gästen, zu denen auch viele treue Abendblatt-Leser zählen, dass die Veddeler Fischgaststätte, übrigens vom Bund Heimat und Umwelt unlängst als „historisches Wirtshaus“ ausgezeichnet, am bekannten Standort verbleiben darf. Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, die das Lokal auch für einen „identitätsstiftenden Ort mit Kultcharakter und Identität“ hält, will den Fall noch einmal genau prüfen. Gleichzeitig erinnerte sie aber auch andere Traditionslokale wie die „Blaue Blume“ in Altona, die erfolgreich an anderen Standorten weitergemacht hätten.
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Am 13. Januar stehe ein Termin mit dem Bauamt an, so Christian Butzke. Die Hoffnung gibt er jedenfalls nicht auf. Nicht, solange immer mehr Hamburger für den Erhalt kämpfen. Solange die Unterschriftenliste länger wird. Und solange Gäste sagen und schreiben, dass die Veddeler Fischgaststätte für sie den Geschmack von Kindheit auf den Teller bringt. Und das Gefühl von Heimat ins Herz.